Abgeordnete Cornelia Ecker (SPÖ): Frau Ministerin!

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„Warum treten Sie nicht dafür ein, dass mehr wertvolles Getreide als Lebensmittel ver­wendet wird, anstatt dass unfassbar hohe Mengen des lebensnotwendigen Getreides für Industrie und Tank verschwendet werden – nach dem Motto zuerst der Teller, dann der Trog und zu allerletzt der Tank?“

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Ministerin.

Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus Elisabeth Köstinger: Ich glaube, dass wir in Österreich grundsätzlich, vor allem was die Getreideproduktion betrifft, eine sehr gute Selbstversorgungslage haben. Das ist natürlich auch immer sehr stark wetter- und witterungsabhängig. Wir haben ganz klar das Prinzip Teller, Trog und Tank in einer komplett klaren Kaskade verankert.

Ich muss vielleicht auch darauf hinweisen, dass sich die Qualitäten von Lebensmittelwei­zen und Futtermittelweizen unterscheiden und dass vor allem für die Energieproduktion sehr oft auch Reststoffe verwendet werden. Für den Bereich der Treibstoffproduktion ist darauf hinzuweisen, dass es sich hierbei ja um Nebenprodukte der Ölerzeugung handelt, speziell Raps ist eine entscheidende Ölsaat in Österreich, bei der der Reststoff dann für die Treibstoffproduktion verwendet wird.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage, Frau Abgeordnete?

Abgeordnete Cornelia Ecker (SPÖ): Frau Ministerin, Ihre Aussagen und Ihre Hand­lungen auf europäischer Ebene zeigen, dass Sie diese Krise nicht mit dem notwendigen Augenmaß behandeln. Sie haben ja gerade selbst gesagt: Wir haben einen sehr hohen Selbstversorgungsgrad in Österreich, was die Getreideproduktion betrifft. – Sie unter­stützen doch die Preistreiberei bei Lebensmitteln, wenn Sie davon sprechen, dass wich­tige Ökobrachflächen in Europa jetzt unbedingt massiv bewirtschaftet werden müssen, weil sonst Versorgungsengpässe in Europa drohen. Warum sehen Sie Ihre Verantwor­tung nicht? Es stimmt nicht, Europa ist ganz gut in der Selbstversorgung.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Ministerin.

Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus Elisabeth Köstinger: Sehr geehrte Frau Abgeordnete Ecker, ich glaube, vor allem in der jetzigen Situation – Sie wissen, die Ukraine ist die Kornkammer Europas – stehen wir vor einer riesengroßen Herausforderung. Ich darf vielleicht auch zwischen Biodiversitätsflächen und Bracheflä­chen differenzieren – Sie sind ja selber im landwirtschaftlichen Bereich bewandert.

Biodiversitätsflächen sind in Österreich in mehrjährigen Programmen in der Ländlichen Entwicklung unterstützt, gefördert. Die sollen auch nicht in die Produktion übergehen, sondern weiter Biodiversitätsflächen bleiben. Bei dem Vorstoß auf europäischer Ebene geht es vor allem um die Bracheflächen, um 4 Millionen Hektar, die wir zusätzlich in Produktion bringen können. Ich glaube, Sie wissen auch, dass die großen Produktions­stätten, vor allem für das Welternährungsprogramm, aktuell in der Ukraine angesiedelt sind. Es wird in Zukunft nicht mehr nur eine Frage des Preises sein, vor allem für die Entwicklungsländer, sondern auch der Verfügbarkeit. Da ist Europa in der Pflicht, alles dafür zu tun, um für die nächsten Monate und wahrscheinlich auch Jahre gerüstet zu sein.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Doppel­bauer. – Bitte.

Abgeordnete Dipl.-Ing. Karin Doppelbauer (NEOS): Herr Präsident! Frau Bundesmi­nisterin! Meine Frage geht in die folgende Richtung: Wir haben ja auch gerade schon gehört, dass wir gerade in der Getreideproduktion einfach schauen müssen, dass wir nicht nur die Qualität, sondern auch die Quantität aufrechterhalten können, um den euro­päischen Markt zu versorgen beziehungsweise die Ausfälle in der Ukraine und in Russ­land zu kompensieren. Es stellt sich natürlich schon auch eine Frage, weil ja auch die Rohstoffkonkurrenz ein Thema werden wird. Bioenergie, Biogas, Biomasse ist ein Ener­giesektor, der jetzt in der Krise durchaus mehr werden könnte, teilweise wird natürlich auch Getreide verwendet, um zu arbeiten, beziehungsweise werden auch in der Biogas­produktion zumindest Marktfrüchte verarbeitet.

Das ist meine Frage – ich weiß, es wird immer weniger, aber es ist trotzdem noch da, vor allem wenn jetzt dieser Preisanstieg kommen wird und wir versuchen werden, Gas zu kompensieren –: Wie schauen Sie da drauf? Glauben Sie, dass es zu einer Rohstoff­konkurrenz in diesen Bereichen kommen könnte oder sehen Sie das anders?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Ministerin.

Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus Elisabeth Köstinger: Ich muss noch einmal darauf hinweisen, dass die Qualitäten unterschiedlich sind. Le­bensmittel, speziell Weizen – weil Sie das angesprochen haben –, sind von anderer Qualität als das, was dann beispielsweise auch in die Fütterung geht.

Bei dem Vorstoß, Bracheflächen in der Europäischen Union in die Produktion zu bringen, geht es weniger um Österreich. Wir rechnen mit ungefähr 9 000 Hektar. Das ist nicht unbedingt viel, weil bei uns ja vor allem der ganze Bereich der Biodiversitätsflächen relativ stark von den Bäuerinnen und Bauern in Anspruch genommen wird, und diese Flächen sollen nicht in die Produktion gehen, sondern rein nur die Bracheflächen – das sind einjährige Bracheflächen.

Für die Europäische Union macht es natürlich einen Unterschied, ob in dieser Summe und in dieser Menge vor allem Eiweißpflanzen angebaut werden können.

Für beispielsweise Getreideanbau wäre es jetzt ohnehin zu spät, weil diese Bracheflä­chen im Herbst nicht umgeackert worden sind. Deshalb gibt es ja sowieso nur die Mög­lichkeit, im Frühjahr noch einmal beispielsweise Klee einzusäen. Unser ganz großer Fokus liegt vor allem auf der Eiweißproduktion, weil wir in Europa sehr stark von Ei­weißimporten abhängig sind. Davon kommt ein Gutteil aus der Ukraine.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Zusatzfrage stellt Abgeordneter Rei­mon. – Bitte.

Abgeordneter Michel Reimon, MBA (Grüne): Frau Bundesministerin, mir geht es um einen anderen Aspekt bei Getreide und Ernährung. Die Abhängigkeit von Landwirt­schaftsimporten ist bei vielen Ländern zum Beispiel in Nordafrika sehr hoch. Der Ukrai­nekrieg bringt Probleme mit sich. Jetzt gibt es schon Bestrebungen auf europäischer Ebene, der europäischen Agrarindustrie, das als Chance zu sehen und da Märkte zu öffnen. Das eine ist, dass wir Lebensmittelsicherheit sicherstellen müssen, aber es wird auch schon lobbyiert, bei uns die Produktion auszuweiten und diverse ökologische Maß­nahmen zurückzuschrauben.

Meine Frage ist: Welche Schritte setzen Sie auf europäischer Ebene, um die Ernäh­rungssicherheit und -souveränität von Ländern des globalen Südens zu stärken und aus­zubauen?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus Elisabeth Köstinger: Wir sind da als Republik Österreich sehr stark in die Ernährungsprogramme involviert, liefern vor allem auch mit unseren Unternehmen sehr viel Know-how in diese Länder, weil es ja sehr oft gar nicht einmal so sehr an der Verfügbarkeit von Saatgut oder tech­nischen Mitteln liegt, sondern sehr oft das Know-how das Entscheidende ist. Vor allem die Bildung der bäuerlichen Produktion in den Entwicklungsländern ist de facto ein Schlüssel der Entwicklungshilfe generell. Darauf legen wir schon seit Jahren einen Fokus; vor allem haben wir mit unseren österreichischen Bildungseinrichtungen mehrere Kooperationsprogramme. Ansonsten beteiligen wir uns natürlich auch sehr intensiv fi­nanziell an den Nahrungsmittelhilfsprogrammen.

Ich habe es eingangs schon erwähnt: Die Vorausschätzungen der Europäischen Union, was die Versorgungssicherheit vor allem von Entwicklungsländern betrifft, sind durchaus sehr, sehr kritisch. Die Preissteigerungen, die wir aktuell weltweit sehen, betreffen natür­lich vor allem die Menschen in diesen Entwicklungsländern.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Anfrage stellt Abgeordneter Schmied­lechner. – Bitte.