19.43

Abgeordneter Ing. Mag. Volker Reifenberger (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Bundesminister! Fotovoltaikanlagen an Bundesheergebäuden anzu­bringen ist eine nette Idee und fördert die Autarkie der Kasernen. Daher werden wir dem auch zustimmen.

Eines ist aber auch klar: Mit Fotovoltaikanlagen allein wird die Stromversorgung für das österreichische Bundesheer noch nicht sichergestellt sein.

Es freut mich aber grundsätzlich sehr, dass die seinerzeitige Idee unseres damaligen Bundesministers Mario Kunasek, die Idee der Sicherheitsinseln, auch von den anderen Parteien aufgegriffen, gutgeheißen und fortgesetzt wird. Aus dem Blickpunkt der Lan­desverteidigung ist es aber viel wichtiger, den nach der Verfassung erforderlichen Zu­stand unseres Bundesheeres wiederherzustellen. Das ist nämlich eines unserer Haupt­probleme.

Der unselige ÖVP-Ex-Minister Günther Platter (Abg. Hörl: ... hallo, hallo!) hat damals durch seine verantwortungslose Entscheidung, den Grundwehrdienst von acht Monaten auf sechs Monate zu reduzieren und die verpflichtenden Truppenübungen zuerst auszu­setzen und dann abzuschaffen, eine unselige Entscheidung getroffen, welche dem Bun­desheer nachhaltig schadet, und er hat damit einen permanenten Verfassungsbruch ein­geleitet. Und das Ganze nur für ein populistisches Wahlzuckerl.

In unserer Bundesverfassung steht nämlich – ich zitiere das hier im Hohen Haus zum wiederholten Male –: „Dem Bundesheer obliegt die militärische Landesverteidigung. Es ist nach den Grundsätzen eines Milizsystems einzurichten.“ – Zitatende.

Aus den parlamentarischen Erläuterungen von damals geht hervor, dass dieses Miliz­system nach Schweizer Vorbild einzurichten ist. Nur stimmen die verfassungsrechtlichen Bestimmungen auf der einen Seite mit der Realität auf der anderen Seite leider nicht einmal ansatzweise überein. Wir haben in Österreich de facto so etwas wie ein Berufs­heer mit Grundwehrdienern als billige Systemerhalter und eine angebliche Miliz, welche aber keine mehr ist. (Beifall bei der FPÖ.)

Beinahe die Hälfte unserer Milizsoldaten sind sogenannte befristet Beorderte. Das sind aber keine Milizsoldaten, sondern das sind ehemalige – in der Regel unzureichend aus­gebildete – Grundwehrdiener, die nach dem Abrüsten ungefragt – wichtig für die Grü­nen: ungefragt! – auf einer Liste stehen. Diese befristet Beorderten haben weder eine Uniform noch üben sie nach dem Abrüsten aus ihrem Grundwehrdienst auch nur einen einzigen Tag. Es sind also reine Karteileichen, aber keine Milizsoldaten. Eine Miliz zeich­net sich dadurch aus, dass sie regelmäßig übt.

Daher hat unsere Partei hier im Hohen Haus schon unzählige Male Anträge eingebracht, um wieder verpflichtende Truppenübungen einzuführen, und zwar nach dem bewährten Modell sechs plus zwei. Es freut mich, dass die Frau Bundesminister unsere Forderung plötzlich nicht mehr kategorisch ablehnt, sondern zumindest ressortintern prüfen lässt.

Allerdings frage ich mich schon, was es da noch zu prüfen gibt! – Kein Militärexperte sagt, dass eine Miliz nicht regelmäßig üben muss. Was mich aber fassungslos macht und schwer enttäuscht, war die reflexartige und kategorische Ablehnung durch den grü­nen Wehrsprecher David Stögmüller – leider ist er jetzt nicht mehr anwesend – für die Grünen betreffend eine Wiedereinführung von verpflichtenden Truppenübungen. Der grüne Wehrsprecher möchte über das Thema momentan nicht einmal eine Diskussion führen. Im Ausschuss hat er gesagt: Die Grünen setzen auf eine Freiwilligenmiliz.

Was die Grünen anscheinend nicht wissen beziehungsweise nicht verstanden haben, ist, dass wir momentan keine Freiwilligenmiliz haben. Derzeit müsste beinahe die Hälfte aller Soldaten unfreiwillig, das heißt ohne entsprechende Ausbildung und ohne Freiwilli­genmeldung, in einen Einsatz gehen.

Verpflichtende Truppenübungen kann man nur aus zwei Gründen ablehnen: Entweder wenn man entgegen unserer Bundesverfassung und entgegen dem Ergebnis der Volks­befragung in Wahrheit ein Berufsheer möchte, oder wenn man schlecht ausgebildete ehemalige Grundwehrdiener, die keine richtigen Milizsoldaten sind, quasi als Kanonen­futter in einen Einsatz schicken möchte. – Beides ist strikt abzulehnen, beides zeugt von einer verantwortungslosen Haltung. (Beifall bei der FPÖ.)

Abschließend bringe ich noch einen Entschließungsantrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Reinhard Eugen Bösch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Überarbeitung der Österreichischen Sicherheitsstrategie“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird in Anbetracht des Krieges in Europa aufgefordert schnellst möglich die Sicherheitsstrategie 2013 unter Einbeziehung aller im Hauptausschuss des Nationalrates vertreten Parteien zu überarbeiten.“

*****

Danke. (Beifall bei der FPÖ.)

19.49

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Bösch, Mag. Reifenberger

und weiterer Abgeordneter

betreffend Überarbeitung der Österreichischen Sicherheitsstrategie

eingebracht im Zuge der Debatte über den Tagesordnungspunkt 31, Bericht des Lan­desverteidigungsausschusses über den Antrag 1805/A(E) der Abgeordneten Elisabeth Feichtinger, BEd BEd, Kolleginnen und Kollegen betreffend Ausstattung von Gebäuden des Bundesheers mit Photovoltaik-Anlagen (1399 d.B.), in der 149. Sitzung des Natio­nalrates, XXVII. GP, am 24. März 2022

Die Gefahr eines Blackouts war schon in den letzten Jahren in Europa im Steigen be­griffen, einer der Gründe für die Sicherheitsinseln des Bundesheeres. Ein Blackout wird nicht einmal erwähnt in der geltenden Sicherheitsstrategie. Dies liegt daran, dass, die Österreichische Sicherheitsstrategie mehr als 10 Jahre alt ist. In einem Jahrzehnt kann sich vieles verändern. Was wir gestern für undenkbar gehalten haben, ist heute leider Realität: Ein Krieg in Europa.

Der Ukraine-Krieg hat Europa komplett überrascht. Alle EU-Staaten hätten eine derarti­ge Entwicklung im 21. Jahrhundert in Europa nicht mehr für möglich gehalten. In der Ukraine führen Streitkräfte mit starken Panzer-Verbänden und anderen schweren Waf­fensystemen mit massiver Luftunterstützung einen konventionellen Krieg. Der 24. Fe­bruar 2022 hat einen europäischen Epochenwechsel eingeleitet, dessen Konsequenz eine wesentlich verbesserte Verteidigungsfähigkeit Europas sein muss.

Auch in Deutschland kommt es zum Umdenken. Am 27. Februar 2022 berichtete die APA über das Vorhaben von Deutschlands Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), die Bundeswehr mit einem Sondervermögen von 100 Milliarden Euro ausstatten zu wollen. Der Verteidigungsetat soll von nun an jedes Jahr mehr als zwei Prozent des Bruttoin­landsprodukts ausmachen.

Die Salzburger Nachrichten berichteten am 28.2.2022 über das Österreichische Bun­desheer:

„Ohne ausreichende Luftabwehr wäre das Bundesheer bei einer Aggression binnen we­niger Stunden ausgeschaltet. Die Eurofighter sind mangels Ausrüstung nicht konkur­renzfähig. Ohne Nachtsichtgeräte können sie den Luftraum in der Nacht nicht einmal überwachen, geschweige denn können sie ihn verteidigen. Weiters fehlen leichte Trai­ningsjets. Sie wurden 2020 ersatzlos außer Dienst gestellt.

Artillerie und Kampfpanzer sind im Bundesheer nur noch rudimentär vorhanden. Auch die Abwehr von Drohnen, die im Ukraine-Konflikt eine wesentliche Rolle spielen, wäre ausbaufähig. Eine weitere Lehre aus dem Krieg lautet: Die Vorkehrungen gegen Cyber­angriffe müssen verbessert werden.

Ein Problem des Bundesheeres ist schließlich auch die geringe Mannstärke. Die Miliz­verbände fordern daher aus Anlass des Ukraine-Kriegs nun die Reaktivierung des Miliz­systems mit verpflichtenden Truppenübungen.“

Dies belegt der Bericht „Unser Heer 2030“ des Bundesministeriums für Landesvertei­digung:

Die Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2021 (2022 existiert anscheinend noch nicht) besagt: „Zu Beginn des Jahres 2021 ist eine qualitative Veränderung in der Beurteilung der Risikolage Österreichs festzustellen. Die Sicherheitslage Österreichs ist nicht mehr bloß von einer allgemeinen und eher abstrakten Verschlechterung der Lage gekenn­zeichnet, vielmehr sind mehrere der bislang nur prognostizierten Szenarien nunmehr auch tatsächlich eingetreten. (...)

Hoffnungen, dass Österreich eine abgekoppelte »Insel der Seligen« ist, haben sich schon in der Vergangenheit nicht bewahrheitet. Im Gegenteil: Österreich ist von vielen Entwicklungen der letzten Jahre sogar stärker betroffen als andere Staaten in Europa. Sowohl die Migrationskrise als auch die Corona-Krise haben Österreich zeitweise mas­siver getroffen als andere EU-Staaten. Und viele weitere international diskutierte Bedro­hungsszenarien wie hybride Bedrohungen, Cyber-Angriffe oder Desinformationskampagnen finden auch in Österreich statt. Zudem liegt Österreich regionalen Konflikten geogra­phisch oftmals näher als andere EU-Staaten.“

Die Sicherheitspolitische Jahresvorschau 2021 beinhaltet weiters eine Grafik mit Bedro­hungen für Österreich und deren Eintrittswahrscheinlichkeit. Die Eskalation des Ukraine­konflikts war damals noch unter „möglich“ angesiedelt.

Neben der unbedingt notwendigen Erhöhung des jährlichen Regelbudgets „UG-14 Mili­tärische Angelegenheiten“ auf ein Prozent des BIP und einem Sonderinvestitionspaket von einer Milliarde Euro noch im Jahr 2022, der Wiederbelebung bzw. Aufrechterhaltung der „Umfassenden Landesverteidigung“ (beschlossen im Nationalen Sicherheitsrat) sowie der Wiedereinführung von acht Monaten Grundwehrdienst in der bewährten Form 6+2, ist die Überarbeitung der Sicherheitsstrategie unbedingt notwendig.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird in Anbetracht des Krieges in Europa aufgefordert schnellst möglich die Sicherheitsstrategie 2013 unter Einbeziehung aller im Hauptausschuss des Nationalrates vertreten Parteien zu überarbeiten.“

*****

Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht daher auch mit in Verhandlung.

(In Richtung Abg. Köchl, der bereits am Rednerpult steht:) Herr Abgeordneter Klaus Köchl, Sie haben recht, Sie gelangen nun zu Wort. – Bitte.