9.07

Abgeordneter Herbert Kickl (FPÖ): Herr Präsident, danke dafür, dass Sie jetzt den Titel dieser Aktuellen Stunde vollständig verlesen haben. Diese Aktuelle Stunde richtet sich nämlich an den österreichischen Bundeskanzler, an Karl Nehammer, der es heute wieder einmal vorzieht, das Parlament nicht zu besuchen. Der Held von Kiew und von Moskau kneift, wenn es darum geht, sich der Wahrheit der eigenen Bevölkerung zu stel­len. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es wird ihm nichts nutzen, es wird ihm nichts nutzen! Ich hätte heute vorgehabt, am Beginn dieser Aktuellen Stunde etwas mit dem Herrn Bundeskanzler zu teilen – jetzt mache ich es mit (in Richtung Staatssekretärin Plakolm) Ihnen: Was ich mit Ihnen teilen möchte, ist ein Tatsachenbericht, eine Zu­standsbeschreibung der Situation von Menschen in Österreich in diesem April des Jah­res 2022. Ich habe gehofft, dass es, wenn ich diesen Zustandsbericht, den ich in Form eines Schreibens einer Pensionistin aus Wien erhalten habe, mit dem Herrn Bundes­kanzler teile, vielleicht etwas bei ihm da drinnen bewegt, dass das vielleicht etwas in seinem Herzen bewegt. Dann macht es dort oben vielleicht bei ihm klick und er kommt drauf, dass man in Sachen Teuerung so, wie er bisher agiert hat, nicht weitermachen kann. Ich denke, dass die Regierung insgesamt gut beraten wäre, in diesen Fragen viel, viel mehr auf die Stimme des Volkes zu hören als auf ihre Berater aus nah und fern, die ihr bisher keinen guten Dienst erwiesen haben.

Ich darf etwas verkürzt zitieren, weil die Zeit für die ausführliche Zitation nicht reicht, aber diese Dame aus Wien schreibt mir Folgendes: Sehr geehrter Herr Kickl! Ich bin Pen­sionistin mit einer sehr kleinen Pension, lebe in einem Gemeindebau der Stadt Wien, kein Auto, kein Luxus. Aufgrund der massiven Teuerung kann ich mir nicht einmal Kaffee für zu Hause leisten, geschweige denn genügend Lebensmittel gegen Ende des Monats trotz extremen Sparens: Haferflocken in der Früh und abends, mittags Kartoffeln mit Tomatensoße oder Nudeln mit Tomatensoße. Hofer, S-Budget, Clever – ich gehe überall hin, wo es um ein paar Cent billiger ist.

Rufe heute im Bundeskanzleramt an, um meinen Unmut betreffend die Teuerung kund­zutun. Der Mann am Telefon meinte unter anderem, Flüchtlinge seien den Österreichern gleichgestellt, ich soll froh sein, dass es mir so gut geht.

Ich möchte betonen, dass ich absolut dafür bin, dass den Flüchtlingen geholfen wird, aber wenn man nur mehr von den Flüchtlingen und deren Hilfe hört, und wir kommen in den letzten Wochen gar nicht mehr vor, dann finde ich es nicht okay. Daraufhin legte der Mann auf. Er weiß gar nichts von mir, und ich fand diese Aussage mehr als demütigend. Ich habe geweint, ich fühlte mich vollkommen hilflos. Unfassbar, so mit einem älteren Menschen, der in Not geraten ist, umzugehen. Lieben Gruß, MM. – Zitatende.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe gehofft, dass diese Worte vielleicht das Herz des Bundeskanzlers erreichen. Er zieht es vor, dieser Debatte heute nicht zu folgen. In diesen Tagen erreichen mich aber Tausende solcher Schilderungen, von Men­schen, die sich angesichts der Teuerungswelle, die durch das Land rollt, nicht mehr zu helfen wissen. Es sind Schreiben voller Sorgen, voller Nöte, voller Verzweiflung, weil die Menschen sagen, dass die Regierung sie angesichts der Preislawine alleinlässt.

Die Menschen haben ein untrügliches Gefühl, und das Gefühl gibt ihnen recht. Es sagt ihnen, dass der Bundeskanzler als Chef dieser Regierung die Armut im eigenen Land nicht so ernst nimmt, wie er sie ernst nehmen sollte, dass er sich hingegen mit Vorliebe um Angelegenheiten kümmert, die ihn im Grunde genommen sehr, sehr wenig angehen und die internationale politische Schwergewichte weit besser erledigen können, als er es tut. Die Menschen haben nicht die Gelegenheit, das dem Bundeskanzler persönlich zu sagen, ich heute auch nicht. Die Zeit ist knapp bemessen – das muss man sich vorstellen – bei all diesen Terminen, Telefonaten, Reisen, Fototerminen. Brüssel, Kiew, Peking, Moskau, Berlin – alles das muss man ja unter einen Hut bringen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, und dann noch all die anderen Dinge dazu: den Deckel draufhalten bei Cobra-Gate – das ist ja auch eine Aufgabe, die Zeit ver­langt –, oder jetzt die traurige Feststellung, dass der Saubermann aus Vorarlberg in Wahrheit so etwas Ähnliches wie ein Inkassobüro des Wirtschaftsbundes ist, das halt als Adresse die des Büros des Landeshauptmannes hat, dann die wichtigste Frage der letzten Tage – eigentlich ein Unikat für eine politische Partei –: ob beim kommenden Parteitag der neue Parteiobmann oder der abgetretene Parteiobmann im Mittelpunkt steht. Das sind natürlich weltbewegende Fragen, da bleibt keine Zeit dafür, dass man sich mit der Teuerung auseinandersetzt und der Debatte stellt.

Deshalb richte ich ihm hier von dieser Stelle aus: Das, was die Bundesregierung in diesem Zusammenhang mit der Teuerung leistet, ist nichts anderes als fortgesetzte unterlassene Hilfeleistung! Das ist der Ausdruck, den dieses Politisieren verdient. (Beifall bei der FPÖ.)

Die Strom- und Gaspreise gehen durch die Decke, kein Ende in Sicht, und die Ener­gieanbieter in öffentlicher Hand, allesamt rot und schwarz, reiben sich die Hände. Tanken ist so teuer wie nie, und Sie legen mit der CO2-Abgabe noch eins oben drauf. Na bravo!, kann man nur sagen. Lebensmittel, die Grundnahrungsmittel Nudeln, Mehl, Milch, Öl, werden für immer mehr Menschen zu Luxusartikeln; und das Ganze geht erst richtig los.

Dann kommen Sie (in Richtung Staatssekretärin Plakolm) – und Sie werden das wahr­scheinlich heute wieder tun – mit diesem vorgegebenen Allerweltspapierl aus dem Bun­deskanzleramt mit Ihren Entlastungsmaßnahmen daher, die nicht schmeichelhaft für Sie sind. Man kann diese ganz einfach zusammenfassen: zum einen eine Themenver­fehlung – ich weiß gar nicht, wie oft Sie die Steuerreform noch mit einem anderen Mascherl verkaufen wollen –, zum anderen kommen sie zu spät, sie kommen zu langsam, sie wirken zu wenig, sie treffen bei Weitem nicht alle, die jetzt Opfer der Teuerung werden, und sie sind, wie alles, was Sie machen, viel zu kompliziert. Auf gut Deutsch: Sie kommen nicht an und das, was ankommt, verpufft wie der sprichwörtliche Tropfen auf dem heißen Stein. (Beifall bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren von der Österreichischen Volkspartei! Geiz ist geil!, das ist das falsche Motto, wenn es um die Bekämpfung der Teuerung geht. Sie sollten sich schleunigst davon verabschieden. Ich frage mich schon lange, warum Sie nicht an allen Schrauben drehen, die möglich sind und bei denen es notwendig ist, dass daran gedreht wird, um die Not der Menschen in diesem Land zu mildern – die Not der Millionen armer Teufel da draußen, die heute vielleicht teilweise diese Debatte verfolgen. Das sind diejenigen, für die es in der Nacht keine Verdoppelung von Hilfsfonds gibt, das sind diejenigen, für die es keine Solidaritätskonzerte inklusive Betroffenheitsauftritt des Bun­despräsidenten samt Gattin gibt; von diesen Menschen rede ich. Dieser Überlebens­kampf, dieser Kampf gegen die Teuerung ist nicht auf die untersten Einkommens­schichten begrenzt, sondern er hat längst den Mittelstand erreicht. Ich frage Sie: Warum diese fortgesetzte unterlassene Hilfeleistung?

Meine Damen und Herren, wir erwarten ja keine Wunder von Ihnen, Sie sollen nur dasjenige tun, was in Ihrer Macht liegt – das, nicht mehr und nicht weniger. Ich an Ihrer Stelle und an der Stelle des Bundeskanzlers hätte keine ruhige Minute mehr. Ich hätte keine ruhige Minute mehr, bis die Steuern auf Benzin und Diesel, auf Strom und Gas und auf die Grundnahrungsmittel entweder gesenkt oder gestrichen werden oder, noch besser, bis es dort einen Preisdeckel darauf gibt; ja selbstverständlich! (Beifall bei der FPÖ.) Ich hätte keine ruhige Minute mehr, solange die Energieunternehmen, allesamt in rot-schwarzer Hand, Milliardengewinne machen und diese Milliardengewinne nicht an die Bedürftigen zurückgeben. Ich hätte keine ruhige Minute mehr, solange nicht die Sozialleistungen, die Pensionen und die Löhne angehoben sind und gleichzeitig auch die Arbeitgeber entlastet werden, die das alles ja auch irgendwie stemmen müssen. Alles das wäre der Aufgabenkatalog, aber dem Bundeskanzler gehen in diesen Tagen offenbar andere Dinge an die Nieren.

Ich kann auch nichts dafür, ich glaube es ja selbst nicht, dass er immer noch Bun­deskanzler ist. Er selbst hat vor gar nicht allzu langer Zeit mit seiner Unterschrift hoch und heilig versprochen, dass er weg ist, wenn Kurz weg ist. Jetzt ist er halt noch immer da. Wir können gar nichts anderes machen, als an ihn zu appellieren und zu sagen: Wenn er schon Bundeskanzler ist, dann soll er sich auch wie ein österreichischer Bun­deskanzler aufführen – das ist doch wohl das Mindeste! (Beifall bei der FPÖ.)

Meine Damen und Herren, wenn man es nicht kann oder wenn man es nicht will – und es schaut ganz danach aus –, dann soll man den Weg für diejenigen freimachen, die es können und die es wollen – das sind wir von der Freiheitlichen Partei. (Beifall bei der FPÖ und Heiterkeit bei der ÖVP.)

Ein letztes Wort zur SPÖ: Frau Kollegin Rendi-Wagner, weil Sie auch den Kampf gegen die Teuerung für sich entdeckt haben: Es gibt nichts Gutes, außer man tut es! Alle Ihre Forderungen zerschellen an der Wirklichkeit der Politik, die in den roten Bundesländern Wien, Burgenland und Kärnten gemacht wird. Dort wird beinhart kassiert. Eigentlich müsste der 1. Mai dieses Jahres am Rathausplatz so etwas Ähnliches wie eine Kopf­wäsche sein (Zwischenruf bei der SPÖ): eine Kopfwäsche für den Genossen Ludwig, eine Kopfwäsche für den Genossen Doskozil und eine Kopfwäsche für den Genossen Kaiser. (Beifall bei der FPÖ.)

Ich glaube nicht, dass es das werden wird. Es wird das, was wir schon kennen: ein Hochamt mehr der sozialistischen Heuchelei. (Beifall bei der FPÖ. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

9.17

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Staatssekretärin Plakolm. – Bitte sehr. (Abg. Greiner: Herr Präsident! „Sozialistische Heuchelei“!? – Abg. Leichtfried: Haben Sie zugehört, Herr Präsident?)