9.27

Abgeordnete Mag. Carmen Jeitler-Cincelli, BA (ÖVP): Guten Morgen, Herr Präsident! Guten Morgen, Frau Staatssekretärin! Herr Minister! Geschätzte Kolleginnen und Kolle­gen! Herr Kickl, sehr lange hat es nicht gedauert, bis Sie den ukrainischen Geflüchteten die Schuld an dieser Situation der Teuerung geben – wundert mich jetzt sehr. (Zwischen­ruf bei der FPÖ.)

Offensichtlich sind Sie kein Volkswirt; ich weiß gar nicht genau, was Sie in Ihrer Aus­bildung eigentlich gemacht haben, das muss ich einmal googeln. Volkswirt sind Sie keiner (Abg. Kickl: Da hab ich was mit dem Kanzler gemeinsam!), und ich schätze, dass Sie auch nicht Unternehmer sind. Sie haben schon einiges Richtiges betreffend die Situ­ation der Menschen gesagt – auch wir bekommen diese Briefe –, allerdings liegt unsere Infla­tion immer noch weit unter dem EU-Durchschnitt. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Da ein Versagen der Regierung zu attestieren, finde ich offen gesagt extrem unredlich. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenrufe der Abgeord­neten Hafenecker und Kassegger.)

Wie ist die Situation konkret? – Ja, es geht um einen globalen Wirtschaftseinbruch. Wir haben eine importierte Inflation, die Ereignisse der letzten Wochen haben sich durch hohe Energiepreise, selbstverständlich durch Probleme in den Lieferketten, vor allem bedingt durch die letzten zwei Jahre Corona, allerdings auch durch den Ukrainekrieg verschärft. (Abg. Hauser: Das war eure Politik!) Keine einzige Regierung der Welt kann diese Inflation im Moment komplett kompensieren. Das wäre ein Wahnsinn (Zwischenruf des Abg. Kickl), das wäre ein Wahnsinnsschaden für die Volkswirtschaft, weil es die Inflation zusätzlich sogar noch ankurbelt. (Abg. Kickl: Mehr verlangt niemand von Ihnen!) – Hören Sie mir einmal zu, Herr Kickl, ich habe Ihnen auch zugehört! (Abg. Kickl: Machen Sie das, was nötig ist!) Sie haben es gesehen, ich habe Ihnen heute vorhin ganz, ganz ordentlich zugehört. Machen Sie das auch! (Abg. Rauch: Die Rede wird ja immer schlechter!)

Die harte Wahrheit ist (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch): Ein Wohlstandsverlust kann nicht von einer einzelnen Regierung aufgehalten werden. Und zu Ihrer Headline­politik: Das geht nicht. Sie behaupten da ununterbrochen Dinge, die nicht gehen. Der Staat kann nicht den Erhalt jeglichen Wohlstands garantieren, aber er kann Härtefälle abfedern – genau darauf ist meine Kollegin, unsere Staatssekretärin, eingegangen, auf das, was da bereits gemacht wird –, und er kann dabei unterstützen, die Wirtschaft wieder anzukurbeln – und das ist das, was wir im Moment machen müssen. (Abg. Kickl: Was Sie machen, ist kassieren! Sie kassieren mit beiden Händen!) Jetzt müssen wir den Menschen helfen, die in dieser Notsituation sind, die sich eben den Monatseinkauf, das Heizen nicht mehr leisten können.

Sie haben gesagt: „Geiz ist geil!“ – Ich muss jetzt überlegen, das ist volkswirtschaftlich ein bissl absurd. 1 Prozent unseres Bruttoinlandsprodukts, 4 Milliarden Euro haben wir in den letzten Wochen bereitgestellt, die jetzt gerade genau dafür verteilt werden. (Abg. Kickl: Wie viel haben Sie denn eingenommen?) Was hat das mit „Geiz ist geil!“ zu tun? Das ist das Budget von Tirol! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Jetzt in die Zukunft: Was sind die nächsten Schritte, die wir setzen können und sollen? – Eine Steuerreform, die wir jetzt durchziehen, und aktuell wird gerade von Bundesminister Brunner die Abschaffung der kalten Progression, strategisch als strukturelle Maßnahme, in einer sinnvollen Ausgestaltung diskutiert. (Abg. Deimek: Sie glauben doch selber nicht, dass ....!?) Dabei geht es aber um die Treffsicherheit: Die muss man prüfen, es geht um die Entfaltung der kompletten Entlastungswirkung, das ist eine höchst komplexe Materie. Sie tun so, als wäre das etwas ganz Einfaches. Ich verlasse mich da auf unsere Ökonominnen und Ökonomen – wir haben hervorragende (Zwischenrufe der Abgeord­neten Belakowitsch und Kickl  Präsident Sobotka gibt das Glockenzeichen): eine Monika Köppl-Turyna, einen Herrn Felbermayr, einen Herrn Badelt. (Abg. Kickl: Ja, ja! – Zwischenruf des Abg. Rauch.) Wir müssen uns auf das verlassen, was sie uns raten, dass wir daraus einen perfekten Mix machen können.

Aber auch – da bin ich jetzt bei der grünen Partei – die Auswirkungen auf unser Konsum­verhalten – was sich jetzt verhaltensökologisch verändern kann – müssen geprüft wer­den, denn gerade in Bezug auf die Dekarbonisierung sind jetzt Verhaltensänderungen ja durchaus wünschenswert: Fahrgemeinschaften, die sich bilden, Stichwort Reparatur­bonus, Lebensmittelverschwendung eindämmen. Solche Dinge gehören jetzt auch be­wusst angekurbelt, damit wir hier weiterkommen. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeord­neten der Grünen. – Zwischenruf bei der FPÖ.)

Zudem braucht es jetzt Maßnahmen, die unseren Standort sichern. Die hohen, hohen Energiekosten sind eine der Hauptursachen. An dieser Stelle bitte auch ein Appell an Frau Bundesministerin Gewessler betreffend die UVP-Verfahren: Wir brauchen sofort Turboverfahren. Diese Energieverordnungen gehören endlich auf den Tisch gelegt. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Wir müssen da weiterkommen, damit wir saubere Energie aus Österreich produzieren können. – Das bitte weiter ausrichten: ganz, ganz schnell notwendig! (Zwischenruf des Abg. Loacker. – Zwischenrufe bei der FPÖ.)

An Sie, Herr Kickl, mein Appell, auch Sie können etwas beitragen: Unsere Unternehmen haben volle Auftragsbücher, aber verhungern sozusagen vor diesen, die brauchen näm­lich Arbeitskräfte. (Abg. Amesbauer: Die brauchen keine Fahrgemeinschaften!) Die Rot-Weiß-Rot-Karte ist auch etwas: So schnell wie möglich auf den Weg bringen! – Und da wäre es hilfreich, wenn Sie nicht jeden Drittstaatsangehörigen quasi als potenziellen Selbstmordattentäter titulieren würden, der da kommt! (Abg. Kickl: Wie groß ist denn der europäische Arbeitsmarkt eigentlich?)  Nein, helfen Sie! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Diese Menschen tragen zu unserem Wohlstand in Österreich in Zukunft bei, wir brauchen diese Arbeitskräfte. Auch Sie haben da eine Verantwortung!

Zu guter Letzt: Welche Schritte setzen wir nicht? – Das ist auch wichtig. Ihre DDR-Fan­tasien, Kickls DDR-Fantasien, die Sie da jetzt skizziert haben (Abg. Belakowitsch: ... ganzen Corona...! – Ruf bei der FPÖ: ... Koalition!): kein Preisdeckel – das ist kom­mu­nistisch, und wir wollen weiterhin in einer freien Marktwirtschaft leben.

Reden Sie einmal mit Ihrem Freund Orbán! Glauben Sie, der ist jetzt glücklich über den Tanktourismus? Das muss ja der Staat kompensieren oder die Preise gehen einfach durch die Decke oder es gibt eine Verknappung am Markt. (Zwischenrufe bei der FPÖ.) Das funktioniert so nicht. Der nächste Schritt wäre dann der Aufbau einer volkseigenen Wirtschaft, das würde Ihnen wahrscheinlich auch gefallen: Importverbote – machen wir DDR, machen wir Nordkorea, super! – Leere Regale in den Supermärkten, Herr Kickl! Das funktioniert heute so nicht mehr! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenrufe der Abgeordneten Deimek und Kickl.)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Den Schlusssatz bitte!

Abgeordnete Mag. Carmen Jeitler-Cincelli, BA (fortsetzend): Also: Wir sind gegen eine Geldverteilung mit der Gießkanne, Arbeit gehört entlastet (Abg. Belakowitsch: Dann machen Sie es einfach!) – Vollkasko auf Kosten unserer Kinder, nein, danke. Schluss mit einer Headlinepolitik, sondern her mit einer Experteneinbindung! Daher: Ein Hoch auf die freie Marktwirtschaft (Abg. Meinl-Reisinger: ... Arbeitskreise! Wir brauchen keine Arbeitskreise mehr!), die auch diese Krise meistern wird! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.)

9.33

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Klubobfrau Rendi-Wagner. – Bitte sehr.