10.25

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Herr Präsident! Sehr ge-ehrte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Kolleginnen und Kollegen aus dem Europäischen Parlament – herzlich willkommen! Liebe Zuschauerin­nen und Zuschauer hier – heute endlich wieder einmal – und vor den Bildschirmen! Mit dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Wladimir Putins in der Ukraine, gestartet am 24. Februar dieses Jahres, also vor acht Wochen, ist so etwas wie eine Zeitenwende passiert, wie es der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz formuliert hat. Er hat es wohl auch als Appell an sämtliche Mitgliedstaaten der Europäischen Union gemeint, die Naivität der vergangenen Jahrzehnte abzulegen und in vielen Bereichen eine neue Politik zu wagen.

Ein wesentlicher Aspekt, um den wir uns heute kümmern und zu dem wir die Debatte schärfen wollen, ist die Frage der Energiesicherheit, der Energieversorgung in Europa. Wir haben soeben – in der Aktuelle Stunde zuvor – von den Preisexplosionen, von der Inflation gesprochen. Das – die Reaktionen auf den Märkten, was die Energiepreise angeht – war unmittelbar spürbar, und das spüren mittlerweile die Menschen in Öster­reich tagtäglich nicht nur an der Zapfsäule ganz massiv, sondern auch beim Bezahlen der Strom- und Gasrechnung, aber auch bei den gestiegenen Lebensmittelpreisen. Das heißt, das ist der eine wichtige Aspekt, dem wir uns heute auch noch einmal widmen werden: der Frage der Abgeltung oder Abmilderung dieser Preisexplosion für die Men­schen.

Der zweite Aspekt ist aber die Frage der Energiesicherheit. Seit Wochen, Frau Minis­terin, seit Beginn dieses Krieges, stellen wir die Frage, welche Pläne Sie haben, um die Energiesicherheit Österreichs zu gewährleisten. Seit Wochen hören wir Ausflüchte, Absichtserklärungen, schwammige Aussagen, nichts Konkretes. Ich finde es beschä­mend, dass wir in Österreich heute – acht Wochen nach Beginn des Krieges – im „Mor­genjournal“ Ausdrücke wie: Da werma, da müssma, da schauma!, gehört haben, im Vergleich zu anderen europäischen Ländern aber nichts – wirklich absolut nichts! – Kon­kretes. (Beifall bei den NEOS.)

Ja, die Grünen sind nicht verantwortlich dafür und auch Sie als Ministerin sind nicht verantwortlich dafür, dass Österreich wie kaum ein anderes Land so von Gas, vor allem von russischem Gas, abhängig ist. Sie sind aber verantwortlich dafür, was Sie jetzt in dieser Krise tun. Verantwortlich dafür ist eine falsche Politik, eine klar prorussische Politik, die von ÖVP, SPÖ und FPÖ in der Vergangenheit betrieben wurde. Ich bin davon überzeugt, dass wir in Österreich hier in unserem Hohen Haus ganz dringend einen parlamentarischen Untersuchungsausschuss bräuchten, um diese Putin-Nähe, diese Russlandnähe, diese Kremlnähe (Abg. Kickl: Da wär’ der Haselsteiner eine interessante Auskunftsperson!) und damit diese Feindschaft, was Freiheit und Demokratie angeht, näher zu untersuchen. Wer hat davon profitiert, (in Richtung ÖVP) aus Ihrer Partei, (in Richtung SPÖ) aus Ihrer Partei und (in Richtung FPÖ) aus Ihrer Partei? (Beifall bei den NEOS. – Abg. Kickl: Da wär’ der Haselsteiner interessant! Da soll der Haselsteiner aber seine Beziehungen zu Deripaska erklären!)

Das ist jedoch Vergangenheitsbewältigung und jetzt geht es um die Zukunft. Die Frage ist, warum diese prorussische Politik fortgesetzt wird. Ich bin der Meinung, dass Krisen­management immer eine ruhige Hand braucht, Frau Minister, aber eine so ruhige Hand?  Da ginge schon noch deutlich mehr! (Abg. Kickl: Sitzt am Schoß eines russischen Oligarchen und finanziert die NEOS!) Wir haben die größten politischen Herausforderungen seit Jahrzehnten für unser Land, für die Menschen in unserem Land, für die Betriebe in unserem Land, auch für die Industrie – die größten Herausforderungen und die kleinste Regierung, aber nicht klein hinsichtlich der Anzahl der Regierungs­mit­glieder, nein, klein tatsächlich in Bezug auf Weitblick und Tatkraft und – weil Sie schmun­zeln – klein in Bezug auf Umsetzungskompetenz, Führungsstärke und Fleiß: Da schauma schon, da werma schon, da machma einen Arbeitskreis! – Das hören wir in so vielen Bereichen. Die Untätigkeit dieser Mitglieder der Bundesregierung ist mittlerweile ein Skandal, meine Damen und Herren! (Beifall bei den NEOS.) Armes Österreich!, kann ich nur sagen.

Und jetzt frage ich: Was ist eigentlich der Plan? Wir haben es gestern gehört: Gazprom hat die Gaslieferungen nach Polen und Bulgarien gestoppt. Das ist genau die Diskus­sion, die ich seit Wochen anzustoßen versuche. Es geht mir gar nicht einmal so sehr darum, dass Österreich sich nicht sehr aktiv hinsichtlich der Frage eines zum Beispiel Ölembargos beteiligt – ein Gasembargo ist sehr schwierig –, an Alternativen. (Abg. Kassegger: Muss raus, steht einmal im Antrag! Muss raus!) Nicht einmal die Frage, ob wir jetzt eigentlich tatsächlich in Euro oder in Rubel zahlen oder ob der Euro in der nicht sanktionierten Gazprombank konvertiert wird, um weiter die Bomben und Kugeln, die Putin auf die Ukraine abschießt, zu finanzieren, können Sie beantworten!

Was aber ist der Plan, wenn tatsächlich von heute auf morgen der Gashahn abgedreht wird? Ist das vielleicht der wahre Grund für die Reise des Herrn Bundeskanzlers zu Putin gewesen: ein Canossagang, eine Fortsetzung dieser prorussischen Haltung und damit aber auch klar ein Abgehen von einer gemeinsamen, solidarischen europäischen Vor­gangs­weise? – Ich habe noch vor Ausbruch dieses Krieges gesagt: Putin hat zwei Kalküle; erstens einmal wird Europa, insbesondere die Nato, sich nicht direkt militärisch involvieren oder zumindest rote Linien ziehen, und das zweite Kalkül ist: Europa wird nicht geschlossen und geeint agieren. Ist Österreich das erste Land, das da ausschert, Frau Bundesministerin? Was ist der konkrete Plan?

Was haben andere Länder gemacht? – Länder wie Estland, Lettland, Litauen bereiten sich schon – das ist jetzt auch nicht Ihr Thema, aber trotzdem – seit 2014, seit der völker­rechtswidrigen Annexion der Krim, auf den Ausstieg, auf die Unabhängigkeit von russischem Gas vor. Was hat Österreich bisher getan? Was haben Sie im Sommer getan, im Herbst getan, als der amerikanische Geheimdienst sehr transparent – unge­wöhnlich transparent und offen – davor gewarnt hat, was passieren wird, nämlich dass Putin in der Ukraine einmarschieren wird? (Abg. Stögmüller: ... nicht einmal der Ge­heimdienst, was da los ist!) – Er hat gewarnt, Sie können das nachlesen. Übrigens haben auch wir gewarnt. Das ist ja wirklich eine Naivität, das ist unglaublich! Und es ist eigent­lich die Kompetenz und Verantwortung der Frau Ministerin, auf solche Fälle vorbereitet zu sein.

Die Niederlande werden die Gasimporte aus Russland mit Jahresende einstellen. In Deutschland, wo Ihr Kollege Habeck wirklich eine Tatkraft an den Tag legt, die ich mir von Ihnen wünschen würde – schauen Sie bitte dorthin, was Grüne in der Regierung leisten können! –, wurde ein Osterpaket für den Ausbau erneuerbarer Energien vorgelegt. Es geht da um zahlreiche Gesetzesmaterien, die aber nicht angekündigt wurden mit: Da werma, da schauma, da prüfma, wir beobachten!, sondern vorgelegt wurden: ein Erneuerbare-Energien-Gesetz, ein Windenergie-auf-See-Gesetz, das Ener­gie­wirtschaftsgesetz, das Bundesbedarfsplangesetz, das Netzausbaubeschleunigungs­gesetz Übertragungsnetz et cetera et cetera.

Es geht um die Beschleunigung von Verfahren, es geht um Bürokratieabbau, es geht jetzt darum, kluge Anreize für den Umstieg richtig zu setzen und dass auch Verbraucher ihren Verbrauch, ihre Nachfrage reduzieren. Ihre Politik, die derzeit Pendlerpauschalen erhöht, reduziert die Nachfrage nicht!

Warum diskutieren wir nicht über Premien an Unternehmen, die jetzt den Umstieg auf erneuerbare Energien wagen? Was ist denn mit der Frage des Bundes-Energieeffizienz­gesetzes? Ich höre, im stillen Kämmerlein gibt es Verhandlungen mit der Industrie über die Reform des Energielenkungsgesetzes: Jetzt soll die Industrie sozusagen strate­gische Reserven anlegen, weil Sie in den letzten Wochen und Monaten offenbar nicht in der Lage waren, diese Reserven für Österreich zu sichern. Im stillen Kämmerlein, Frau Minister, bei einer so wichtigen Debatte, die jeden Österreicher, jede Österreicherin, jeden Selbstständigen, jeden Industriebetrieb in Österreich betrifft? – Das kann es doch wirklich nicht sein!

Apropos Energielenkungsgesetz. Das ist Ihr Plan: das Energielenkungsgesetz! Wissen Sie, was das ist? – Das ist der absolute Notfall (Ruf bei der ÖVP: Na geh!), der absolute Notfall, wenn das Gas gestoppt wird. Das ist kein Plan, wie Sie an Alternativen arbeiten – und Alternativen gibt es! Schauen wir auch in andere Länder: Italien, auch Deutschland sichern sich LNG- – also Flüssiggas – Terminalkapazitäten. Warum sind Sie nicht in Verhandlung mit Deutschland? Warum sind Sie nicht in Verhandlung mit Italien? Wie schaut es aus mit Rotterdam? Wie schaut es aus mit den Pipelines? Was machen Sie mit der staatseigenen OMV? – Da werma schon, da prüfma schon, da machma einen Arbeitskreis!

Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Ministerin, Sie waren nicht Ministerin in der Vergangenheit, aber Sie sind es jetzt! Sie sind jetzt in der Verantwortung, für die Menschen in Österreich, für die Betriebe in Österreich, für den Wohlstand in Österreich einen Plan vorzulegen. Ich habe den Eindruck, Ihnen steht die Ideologie im Weg, und das ist das Schlimmste, was Österreich derzeit widerfahren könnte: eine ideologisch ge­prägte Ministerin, die nicht die Zeichen der Zeit erkennt, wirklich tatkräftig Krisenmana­gement zu machen.

Schluss bitte mit dieser grünen Wohlfühlshow – und das ist eine Wohlfühlshow, die wir tagtäglich erleben –, jetzt geht es nämlich wirklich ans Eingemachte! Liefern Sie so, wie Ihr Kollege Habeck, so wie Polen, die Niederlande, Italien und die baltischen Staaten! – Danke sehr. (Beifall bei den NEOS.)

10.35

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf Frau Bundesministerin Gewessler recht herzlich begrüßen und darf ihr das Wort erteilen. – Bitte sehr, Frau Bundesministerin.