11.59

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Präsident! Ich würde Sie jetzt gerne zu einer geistigen Lockerungsübung auffordern. Stellen Sie sich die Landkarte vor, wie wir sie alle in der Schule gelernt haben, die überall auch aufgehängt ist (Zwischenruf des Abg. Hafenecker): Da sehen Sie in der Mitte Europa, darunter ist Afrika, und weit weg sind Asien und Amerika.

Jetzt schieben Sie das Ganz einmal nach rechts, dann sind wir bei einer realistischen Weltkarte: Da ist in der Mitte der Pazifik, dann ist da natürlich China, ist da Russland, ist da auch noch Afrika, dazu die Vereinigten Staaten und Südamerika – und im Eck – ja, ich sage es genau so: im Eck – ist Europa. (Präsidentin Bures übernimmt den Vorsitz.)

Das ist die realistische Landkarte von heute. Das heißt, wenn wir jetzt über Abhängig­keiten sprechen, dann sprechen wir nicht nur von der Abhängigkeit von russischem Öl und Gas, sondern wir sprechen auch von der Abhängigkeit von China. Überlegen Sie sich einmal, wie diese aussieht! Sie ist noch um einiges dramatischer. Die Chinesen haben nämlich verstanden, was Putin nicht verstanden hat: Putin glaubt, wenn er sein Land durch Landraub ein bisschen größer macht, hätte er mehr Einfluss – nein, er hat nur sehr viele Menschen getötet, der Kriegsverbrecher.

Die Chinesen sind um vieles schlauer, denn was haben sie gemacht? – Wissenschaft und Forschung! Sie haben die Digitalisierung vorangetrieben, sie haben aber auch versucht, durch das Konzept der neuen Seidenstraße Abhängigkeiten herzustellen und natürlich auch in Afrika die entsprechenden Rohstoffe zu bekommen.

Wenn wir uns jetzt aber ansehen, in welcher Abhängigkeit von China wir uns jetzt schon befinden, würde ich Sie – nämlich die Bundesregierung und besonders Frau Schramböck, die auch schon davon gesprochen hat – dringend ersuchen, sich diese Abhängigkeit einmal genauer anzusehen und zu versuchen, etwas dagegen zu tun. (Abg. Wurm: Das habe ich vor zwei Jahren schon ...!)

Es ist jetzt mehrfach von erneuerbarer Energie die Rede gewesen: Ja, wir brauchen Erneuerbare! Wir brauchen etwa Solarpaneele. Ja woher bekommen Sie denn Solar-paneele? – Die Solarpaneele, die Sie heute kaufen können, die Solarzellen, werden zu fast 100 Prozent – 100 Prozent! – nur mehr in Asien produziert, 90 Prozent davon in China. Ein bisschen etwas wird noch in Europa produziert. Das heißt, wir können kein einziges Solarpaneel auf unsere Dächer stellen, ohne dass wir von China abhängig sind. (Zwischenruf des Abg. Wurm.)

Seit Jahren spricht die EU jetzt davon, dass wir uns weniger abhängig machen müssen – ich kann Sie nur dringend auffordern: Setzen Sie sich auch auf EU-Ebene dafür ein, dass diese Abhängigkeit reduziert wird!

Ich habe Ihnen zu diesem Thema ein Buch mitgebracht, das Sie wirklich dringend lesen sollten: „The World According to China“ von Elizabeth Economy (das genannte Buch in die Höhe haltend), das ist ganz, ganz neu. Da lesen Sie etwas, das eine Horror­vor­stellung ist: dass die Welt nämlich nicht nur von Kriegstreibern abhängig ist, sondern auch von einer Regierung in Peking, die alles dafür tut, dass wir ohne sie nicht mehr existieren können, weil wir alles von ihr brauchen. (Zwischenruf des Abg. Wurm.)

Es gibt aber natürlich eine Antwort darauf, meine sehr geehrten Damen und Herren. Ich war gerade in den Vereinigten Staaten und habe in Washington und auch in Kalifornien viele Gespräche geführt. Da sind wir natürlich sehr schnell darauf zu sprechen gekom­men, dass wir einerseits von China abhängig sind – das spürt man dort auch –, dass wir aber andererseits auch gemeinsam etwas tun können, um diese Abhängigkeit zu reduzieren, gemeinsam mit den Amerikanern.

Ich kann Sie nur auffordern: Hören Sie mit diesem primitiven Antiamerikanismus auf! Das war ja auch ein ganz, ganz übler Schmäh: Ja, das ist ja super, das Gas aus Russland, dann müssen wir nicht das böse LNG aus Amerika kaufen! – Das war eine gute Propaganda, hat uns aber natürlich wieder in die Hände des Kriegstreibers ge­bracht.

Jetzt gibt es bereits das TTC, Trade and Technology Council, darüber habe ich in Washington mit dem Congressman Bill Keating gesprochen: Die EU und die Vereinigten Staaten arbeiten schon jetzt zusammen daran, dass wir in den Bereichen Trade und Technology gemeinsam zu Lösungen kommen. Die entscheidende Frage wird nämlich sein – auch das können Sie in diesem Buch nachlesen –: Wer wird denn die Welt beherrschen? – Es läuft immer mehr darauf hinaus, dass es zwei unterschiedliche Sys­teme sein werden: Das System, das Ihnen (in Richtung FPÖ) gefällt – das System der autoritären Staaten, das System der Diktaturen, wie es in China der Fall ist (Abg. Wurm: Gefällt mir nicht!) –, und auf der anderen Seite das System von freien Staaten, von Staaten, die die Menschenrechte berücksichtigen.

Liebe Freunde bei den Grünen: Ich lese die Interviews mit Frau Baerbock immer sehr, sehr aufmerksam, und es ist sehr anständig und sehr gut, was sie sagt, sie spricht nämlich von wertebasierter Außenpolitik. Sie hat den Chinesen deutlich gesagt: Wenn ihr den Litauern Schwierigkeiten macht, dann stehen wir als Europa geschlossen hinter ihnen! – Das erwarte ich auch von unserer Bundesregierung, dass sie sich natürlich auf die Seite unserer litauischen Freunde stellt und nicht auf die Seite der Chinesen. (Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen. – Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.)

Ich sage: Ja, das sind natürlich Partner – es sind auch Systemkonkurrenten, wie Frau Baerbock sagt, völlig richtig, aber es sind auch Partner –, und wir müssen mit ihnen auskommen, aber nur auf Augenhöhe. (Präsidentin Bures gibt neuerlich das Glocken­zeichen.)

Wenn Sie in diesem Buch sonst nichts anderes lesen, dann lesen Sie bitte wenigstens die letzten Zeilen, in denen Frau Economy sehr genau erklärt, dass das die Wahl ist, vor der wir jetzt stehen: die Wahl zwischen autoritären Staaten, die uns in eine Abhängigkeit bringen, und den freien Staaten – also Europa, Amerika, Japan und andere Staaten –, die unsere Art zu leben, unsere Werte, unsere Menschenrechte berücksichtigen.

Präsidentin Doris Bures: Den Schlusssatz, bitte!

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (fortsetzend): Ganz zum Schluss, das muss ich schon noch sagen, Frau Bundes- -, Frau Präsidentin – Frau Bundespräsidentin, Entschuldigung (Heiterkeit der Präsidentin Bures), Frau Präsidentin –: Wenn Herr Vilimsky hier von Kriegstreibern spricht, also Leute, die sich bei Putin, der damals schon ein Kriegsverbrecher war – ich verweise auf Grosny –, ein Terrorist war – ich verweise auf die Anschläge in Moskau –, der jetzt davon redet ...

Präsidentin Doris Bures: Sie müssen nun den Schlusssatz formulieren!

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (fortsetzend): ... der hat überhaupt nichts kapiert. Er hätte Putin am liebsten die Füße geküsst, das ist die Wahrheit! – Danke schön. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf der Abg. Steger.)

12.05

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist dazu nun niemand mehr gemeldet, damit ist diese Debatte geschlossen.