16.06

Abgeordneter Kai Jan Krainer (SPÖ): Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Das ist heute die dritte Debatte zur Teuerung. Das zeigt auch, wie wichtig das Thema ist. Das zeigt auch, wie die ÖVP dieses Thema eigentlich verschlafen hat.

Wie gesagt, diese Teuerungswelle ist seit dem Sommer spürbar, es ist auch klar, dass sie immer größer wird. Seit September weisen wir darauf hin. Die allerersten Maßnah­men hat die Regierung im Dezember – Monate später! – gemacht und heute einen zweiten kleinen Bereich – und zwar gibt es jetzt bei den großen Inflationstreibern Energie beziehungsweise Treibstoffe zumindest eine Antwort. Man kann über die Qualität diskutieren, aber da gibt es eine Antwort.

Im Bereich Wohnen gibt es gar nichts – null, im Gegenteil. Sie haben dafür gesorgt, dass mehr als einer Million Haushalten mit 1. April die Mieten um 7 Prozent erhöht werden. Das war die Mehrheit der Grünen und der ÖVP in diesem Haus. Das war eine Abstim­mung, bei der ihr gesagt habt: Ja, wir wollen, dass mit 1. April die Mieten für eine Million Haushalte um 7 Prozent hinaufgehen.

Im Bereich der Lebensmittel gibt es gar nichts – nichts, null. Wenn Sie es mir nicht glauben, glauben Sie es zum Beispiel der Volkshilfe. Die hat heute ja auch klar gesagt, dass immer mehr Personen, die früher diese Hilfe nicht gebraucht haben (Zwischenruf bei der ÖVP), zur Volkshilfe kommen müssen, weil die Inflation immer höher wird und das Bevölkerungsschichten erreicht, die früher kein Problem mit Armut hatten, kein Problem damit hatten, Lebensmittel einzukaufen und dergleichen.

Wir stehen vor einem veritablen Problem und die Regierung ist immer ein halbes Jahr hintennach – wirklich ein halbes Jahr hintennach. Es wäre an der Zeit, dass Sie nicht ein halbes Jahr hinterherhinken, sondern – sage ich einmal – gleich jetzt am Puls der Zeit sind und nicht ein halbes Jahr später irgendwelche komischen Konstruktionen machen, die teilweise vernünftig, aber teilweise auch wertlos sind und jedenfalls zu spät kommen und zu wenig darstellen.

Das, was mich überhaupt irritiert, ist, dass das häufigste Wort, das ich von der ÖVP seit vier Jahren höre, das Wort Entlastung ist. Es gibt überhaupt kein Wort, das so inflatio­när – weil wir gerade von der Inflation sprechen (Zwischenruf bei der ÖVP) – verwendet wird wie das Wort Entlastung.

Ich schaue mir dann total gerne die Steuer- und die Abgabenquote in Österreich an (Zwischenruf der Abg. Baumgartner), nämlich ob die Steuern in Österreich sinken oder steigen – und siehe da: Bevor die ÖVP den Bundeskanzler gestellt hat, sind die Steuern und Abgaben in Österreich gesunken und waren bei circa 42 Prozent. (Abg. Gerstl: Das Problem ist ...!) Seither sind sie jedes Jahr gestiegen und sind jetzt noch nicht ganz auf einem Rekordstand – diesen hält ja noch immer der ÖVP-Finanzminister Karl-Heinz Grasser (Abg. Baumgartner: Welche Zahlen schauen Sie sich an?!) –, aber sie sind mit 44 Prozent knapp dran. (Ruf bei der ÖVP: Vollbeschäftigung!) Das heißt, rein strukturell haben Sie die Steuern und Abgaben in diesem Land um 8 Milliarden Euro erhöht – nur strukturell, noch nicht nominell: um 8 Milliarden Euro erhöht!

Das sind aber nicht die Steuern von Herrn Wolf, von den Millionären, nicht die Steuern der Konzerne, nein, das sind die Steuern der kleinen Betriebe, das sind die Steuern der Pensionisten, das sind die Steuern der Arbeiter und der Angestellten. Die haben Sie erhöht und dafür die Steuern für die Konzerne gesenkt. Das ist der falsche Weg, den Sie seit Jahren gehen. Sie können es nachlesen, Herr Taschner, Sie verstehen ja etwas von Mathematik, Sie wissen ja auch: 50 Prozent mehr ist nicht verdoppeln. Ich weiß nicht, ob Sie das dem Finanzminister schon erklärt haben, der hat das vor zehn Tagen noch nicht gewusst. (Bundesminister Brunner: Jetzt reicht es aber!) Sie könnten das wirklich erklären.

Unser Problem ist aber das strukturelle Problem, das die ÖVP verschärft: Die Steuern und die Abgaben auf Arbeit in diesem Land sind zu hoch, und die Steuern und die Abgaben auf Kapital und Vermögen sind vergleichsweise niedrig. (Beifall bei der SPÖ.) Und was machen Sie? – Dort, wo sie ohnehin zu niedrig sind und wo keine gerechten Beiträge geleistet werden, nämlich bei den Millionären, Millionenerbschaften, Konzer­nen, gehen Sie mit den Steuern runter, und strukturell erhöhen Sie de facto die ganze Zeit die Steuern auf Arbeit.

Sie haben selber heute im Ministerrat beschlossen, dass die Arbeitnehmer, die Pensio­nisten und die kleinen Selbstständigen noch einmal um 2 bis 3 Milliarden Euro pro Jahr mehr Steuern zahlen werden. (Bundesminister Brunner: Was?) – Ja, das sind die Zahlen, die Sie heute mit dem Bundesfinanzrahmengesetz beschlossen haben. Kollege Taschner kann Ihnen erklären, was Sie da beschlossen haben, der versteht etwas von Mathematik. (Bundesminister Brunner: Um Gottes willen! Jetzt muss man bei dir aufklären! Jetzt verwechselst du was?)

Insofern bringe ich auch folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Kai Jan Krainer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Steuergerech­tigkeit für arbeitende Österreicher*innen“

„Die Bundesregierung, insbesondere der Finanzminister wird aufgefordert, dem Natio­nalrat ehebaldig ein Gesetzespaket für eine echte strukturelle Steuerreform vorzulegen, in welchem

- die Lohn- und Einkommensteuern auf Arbeitseinkommen stärker und nachhaltiger im Ausmaß von zumindest 1000 € jährlich mehr Nettoeinkommen gesenkt werden,

- ein Automatismus geschaffen wird, der verhindert, dass Mittel der kalten Progression zur Senkung anderer Steuern (zB der Konzernsteuer) verwendet werden.“

– Letztes Jahr mit der KöSt-Senkung passiert. –

„Die Mittel der kalten Progression dürfen ausschließlich zur Senkung der Lohn- und Einkommenssteuer – mit besonderem Fokus auf kleine und mittlere Einkommen – samt strukturverändernden Maßnahmen verwendet werden,

- der unfaire Familienbonus in die Familienbeihilfe integriert wird, und

- höhere Steuern auf leistungslose Einkommen aus Kapital und sehr hohe Vermögen,

- - durch die Rücknahme der Senkung der Körperschaftsteuer,

- - eine Sonderabgabe der Onlinemultis zur Krisenfinanzierung,

- - die Rückzahlung der Überförderung der Corona-Krisen-Gewinner und

- - eine Millionärssteuer auf Millionenvermögen und Millionenerbschaften

eingehoben werden.“

*****

Das wäre ein Beitrag zu mehr Steuergerechtigkeit in diesem Land. Ich bin gespannt, ob die ÖVP den Weg der Steuergerechtigkeit geht oder ob sie auf ihrem Weg bleibt, die Steuern für Millionäre und Konzerne zu senken und für alle anderen zu erhöhen. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

16.12

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Kai Jan Krainer

Genossinnen und Genossen

betreffend Steuergerechtigkeit für arbeitende Österreicher*innen

eingebracht im Zuge der Debatte in der 153. Nationalratssitzung der XXVII. GP am 27. April 2022 über die Dringliche Anfrage der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Mag. Gerald Loacker, Kolleginnen und Kollegen an den Bundesminister für Finan­zen betreffend Teuerung führt zu Rekord-Steuereinnahmen – Wo bleibt die Entlastung?

Begründung

Bei der Verteilungsberechnung des Brutto-Inlands-Produkts gibt die Lohnquote den An­teil der Löhne und Gehälter am gesamtwirtschaftlichen Einkommen an. Sie beträgt ca. 66%, womit die Gewinn- und Vermögenseinkommen ca. 33% der Einkommen erzielen. Mehr als 85% der Steuern und Abgaben werden aber von Arbeitnehmer*innen, Selb­ständigen und Konsument*innen bezahlt. Im Vergleich dazu machen die Steuern auf Vermögen und Kapital nicht einmal knapp 15% des Gesamtsteueraufkommens aus.

Zusammengefasst tragen

ca. 66% Arbeitseinkommen

ca. 33% Kapital-/Vermögenseinkommen

ca. 85% als Steuern auf Arbeit & Konsum

ca. 15% als Steuern auf Kapital und Vermögen.

Der Anteil der Steuern auf Arbeit und Konsum am Gesamtabgabenaufkommen ist zu hoch, der Anteil am Gesamtabgabenaufkommen von Kapital und Vermögen viel zu gering. Vollends leistungslose Einkommen wie Erbschaften und Schenkungen tragen überhaupt nichts bei.

Die Leistungsträgerinnen und Leistungsträger, also die arbeitenden Österreicher*innen, werden zu hoch besteuert – das österreichische Steuersystem ist leistungsfeindlich.

Die Steuerreform der ÖVP/Grünen-Bundesregierung für die Jahre ab 2022 hat die Ungerechtigkeit und Schieflage im Österreichischen Steuersystem noch verschärft.

Die beschlossene Körperschaftsteuersenkung von 25% auf 23% ist ein Milliardenge­schenk an die Konzerne und eine echte nachhaltige Steuersenkung für immer. Im Gegensatz dazu bekommen die Arbeitnehmer*innen durch die Senkung der Tarifstufen in der Einkommensteuer weniger als die kalte Progression seit der letzten Steuerreform abgegolten. Sie zahlen sich daher nicht nur die „Steuerreform" selber, sondern zahlen auch noch die Körperschaftsteuer-Senkung für die Konzerne mit. Da das Volumen nicht für die Tarifsenkung in der Einkommen-/Lohnsteuer zur Verfügung steht, geht die Sen­kung der Körperschaftsteuer also auf die Kosten der arbeitenden Österreicher*innen.

Familien mit Kindern werden wiederholt ungerecht behandelt, statt der Erhöhung der Familienbeihilfe für jedes Kind, wird nur der Familienbonus für die Besserverdiener signifikant erhöht, wer keine Lohn- und Einkommensteuer zahlt, bekommt allenfalls einen reduzierten Kindermehrbetrag, kann aber von den 2000 € Familienbonus nur träu­men. Für Familien im unteren Einkommensdrittel ist das ein echter Familienmalus.

Die Leistungsträgerinnen und Leistungsträger, also die arbeitenden Österreicher*innen, werden nach der Steuerreform im Vergleich zu leistungslosen Einkommen aus Kapital und Vermögen noch höher besteuert - das österreichische Steuersystem ist durch ÖVP/Grüne noch leistungsfeindlicher und steuerungerechter geworden.

Verschärfend kommt hinzu, dass die Steuerreform in keiner Weise gegenfinanziert ist. Es gibt keine Maßnahme, aus der mehr Steueraufkommen erreicht wird, wenn auf der anderen Seite die Steuern auf Arbeit gesenkt werden müssen. Selbst wenn ÖVP/Grüne auf das Wirtschaftswachstum hoffen, heißt das nur, dass die Löhne und Einkommen wieder steigen werden, damit auch die Steuern auf diese und die Mehreinnahmen aus der kalten Progression in der Einkommensteuer die echte Senkung der Körperschaft­steuer finanzieren werden. Hinzu kommen die Covid-Krisenkosten; in den Jahren 2020 und 2021 wurden über 33 Mrd. €für die Covid-Hilfsmaßnahmen ausbezahlt, die Finan­zierung dieser Krisenkosten ist völlig ungelöst. Das bedeutet aber auch, dass Kürzungen bei den Staatsausgaben zu befürchten sind, das sind aber genau jene Leistungen des Sozialstaates, die allen Österreicher*innen in Form des besten Gesundheitssystems, sicherer Pensionen und eines öffentlichen Bildungssystems zugutekommen. Würde hier gekürzt, zahlen sich die Österreicher*innen die Steuerreform zum zweiten Mal selber, und zwar durch Sozialabbau. Zusätzlich plant die ÖVP/Grüne-Bundesregierung die ohne­hin bereits steuerlich begünstigten Wertpapierspekulationen, nach einer Behaltefrist beim Verkauf komplett steuerfrei zu stellen.

Steuergerechtigkeit für arbeitende Österreicher*innen

Eine echte strukturelle Steuerreform muss über die reine Abgeltung der kalten Progres­sion für die Arbeitseinkommen hinausgehen und den Steueranteil am Gesamtabgaben­aufkommen von den Steuern auf Arbeit hin zu den Steuern auf leistungslose Einkommen aus Kapital und Millionärsvermögen verschieben:

-           Eine weitere Senkung der Steuern auf Arbeit ist notwendig, damit die Menschen pro Jahr zumindest 1.000 € mehr Netto-Einkommen erzielen.

-           Schaffung eines Automatismus, der verhindert, dass Mittel der kalten Progres­sion zur Senkung anderer Steuern (zB der Konzernsteuer) verwendet werden. Die Mittel der kalten Progression dürfen ausschließlich zur Senkung der Lohn- und Einkom­mens­steuer – mit besonderem Fokus auf kleine und mittlere Einkommen - samt struktur­ver­ändernden Maßnahmen verwendet werden!

-           Die SPÖ fordert seit Jahren eine Millionärssteuer auf Millionenvermögen und Millionenerbschaften, davon wären nur die reichsten 2% der Österreicher betroffen. Ver­mögen ist in Österreich so ungleich verteilt, dass 98% der Österreicher*innen mit ihren Einfamilienhäusern/Eigentumswohnungen oder Sparbüchern nicht betroffen wären – und genau diese würden durch eine höhere Steuersenkung auf ihr Einkommen stark profitieren.

-           Die beschlossene Senkung der Körperschaftsteuer soll zurückgenommen wer­den; die Masse der kleinen Kapitalgesellschaften profitiert wenig bis gar nicht, denn das gewinnstärkste oberste Prozent der Unternehmen kassiert zwei Drittel des gesamten Senkungsvolumens.

-           Der ungerechte Familienbonus soll in die Kinderbeihilfe integriert werden, denn jedes Kind ist gleich viel wert, jedes Kind soll gleich viel bekommen.

-           Online-Multis, die ihr Geschäft überwiegend ohne Verkaufsniederlassung in Österreich abwickeln, sollen zur Krisenfinanzierung eine Sonderabgabe als Zuschlag auf die Gewinnsteuer zahlen.

-           Corona-Krisen-Gewinner, die durch Überförderung in den Jahren 2020 und 2021 Gewinne gemacht haben, sollen diese in Form einer Sonderabgabe in einen Fonds zur Unterstützung von durch die Corona-Krise stark betroffenen EPUs und KMUs, zurück­zahlen.

Aus diesen Gründen stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Finanzminister wird aufgefordert, dem Natio­nalrat ehebaldig ein Gesetzespaket für eine echte strukturelle Steuerreform vorzulegen, in welchem

- die Lohn- und Einkommensteuern auf Arbeitseinkommen stärker und nachhaltiger im Ausmaß von zumindest 1000 € jährlich mehr Nettoeinkommen gesenkt werden,

- ein Automatismus geschaffen wird, der verhindert, dass Mittel der kalten Progression zur Senkung anderer Steuern (zB der Konzernsteuer) verwendet werden. Die Mittel der kalten Progression dürfen ausschließlich zur Senkung der Lohn- und Einkommenssteuer – mit besonderem Fokus auf kleine und mittlere Einkommen - samt strukturverän­dern­den Maßnahmen verwendet werden,

- der unfaire Familienbonus in die Familienbeihilfe integriert wird, und

- höhere Steuern auf leistungslose Einkommen aus Kapital und sehr hohe Vermögen,

- - durch die Rücknahme der Senkung der Körperschaftsteuer,

- - eine Sonderabgabe der Onlinemultis zur Krisenfinanzierung,

- - die Rückzahlung der Überförderung der Corona-Krisen-Gewinner und

- - eine Millionärssteuer auf Millionenvermögen und Millionenerbschaften

eingehoben werden.“

*****

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht und steht somit in Verhandlung, weil er auch ausreichend unterstützt ist.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Fuchs. – Bitte sehr.