16.44

Abgeordneter Mag. Markus Koza (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Frau Ministerin! Das Thema dieser Anfrage lautet Teuerung: Was tun Sie, um die Menschen zu entlasten? – Sie wurde von den NEOS eingebracht, und die NEOS versuchen auch, Antworten zu geben, wie denn sie die Entlastung der von der Teuerung geplagten Menschen in Österreich gestalten würden.

Sie machen da insbesondere zwei Vorschläge: Der erste Vorschlag ist, dass man die kalte Progression abschafft, der zweite Vorschlag ist, dass die Lohnnebenkosten ge­senkt werden sollen. Wir können über die Abschaffung der kalten Progression durchaus diskutieren. Es gibt unterschiedliche Ansätze, wie die kalte Progression abgeschafft werden kann oder zumindest eingedämmt wird. Es ist nicht so, dass nicht seit Jahren regelmäßig im Rahmen von Steuerreformen versucht wird, die kalte Progression auszugleichen und abzuschaffen. Das ist so.

Auf der anderen Seite gibt es eben Vorschläge, wie es vermutlich den Vorstellungen der NEOS entspricht, nämlich dass die kalte Progression in Form eines automatischen Mechanismus abgeschafft wird: Indem die Steuerbemessungsgrundlage regelmäßig entlang der Inflationsrate, würde ich meinen, steigt, soll die kalte Progression ent­sprechend automatisch abgeschafft werden. Das klingt recht verlockend, das klingt an und für sich nicht ganz unlogisch. Man fragt: Na warum macht man es dann nicht? – Ganz einfach, weil die Sache so einfach nicht ist. In Wirklichkeit muss man sich schon noch überlegen, wem das nutzt, wem das nicht nutzt, was für Folgen es hat und insbesondere ob diese Abschaffung der kalten Progression gerade jetzt, in Zeiten der Teuerung, das geeignete Mittel ist.

Ist in Zeiten der Teuerung, in denen insbesondere das untere Einkommensdrittel beson­ders stark belastet ist, das untere Einkommensdrittel wirklich nicht mehr weiß, wo es hinsoll, nicht mehr weiß, was es sich gerade leisten kann, wirklich vor großen Finanzie­rungsproblemen steht, ist bei dieser Problemlage die Abschaffung der kalten Progres­sion das geeignete Mittel? – Ich muss ganz ehrlich sagen: Nein. Ich bin nicht der Einzige, der sagt, das ist nicht das geeignete Mittel. Es wird immer wieder so getan, als würde die Wirtschaftsforschung einheitlich sagen: Schaffen wir doch die kalte Progression ab! – Ich möchte da an Professor Badelt erinnern, der dem sehr skeptisch gegenübersteht. Ich möchte an Herrn Felbermayr erinnern, der dem skeptisch gegenübersteht. Ich möchte auch an Herrn Minister Kocher, der früher IHS-Chef war, erinnern, der dem auch sehr skeptisch gegenübersteht. Es gibt gute Gründe, warum Skepsis angesagt ist, nämlich wenn es darum geht, tatsächlich Menschen im Kampf gegen die Teuerung zu unterstützen.

Kollege Schwarz hat es schon gesagt: Es gibt in diesem Land circa 2,4 Millionen Men­schen, die Einkommen beziehen – das sind Menschen, die arbeiten gehen; das sind Menschen, die Pensionen haben; das sind Menschen, die selbstständig sind –, aber keine Einkommensteuer zahlen. Warum zahlen sie keine Einkommensteuer? – Nicht, weil sie Minderleister sind, sondern das sind einfach Menschen, die beispielsweise nur einen Teilzeitjob haben, das sind Menschen, die während des Jahres häufig arbeitslos sind und darum nur ein insgesamt geringes Einkommen haben, das sind Menschen mit niedrigen Pensionen. Diese Menschen haben überhaupt nichts davon, wenn wir die kalte Progression automatisch abschaffen, weil sie gar nicht erst in die Steuerstufen hinein­fallen, in denen sie dann weniger Steuern zahlen. (Beifall bei den Grünen.) Das heißt, da braucht es auf jeden Fall andere Mittel, da braucht es auch andere Maßnahmen, die vor allem auch unmittelbar und sofort wirken.

Ich gebe Frau Klubobfrau Meinl-Reisinger schon recht: Ja, wir brauchen auch langfristig, mittelfristig wirkende Maßnahmen, um die Leute aus der Energiefalle, aus der Gasfalle, aus der Ölfalle herauszubringen – geschenkt, natürlich, sofort, das machen wir auch. Nur: Diese Menschen brauchen auch Soforthilfe, sie brauchen Sofortmaßnahmen gegen die Teuerung, und diese Maßnahmen haben wir auch gesetzt.

Ein anderer Punkt ist – das wird oft verschwiegen –: Wenn wir die kalte Progression automatisch abschaffen, dann nimmt sich die Politik in Wirklichkeit Handlungsspiel­räume. Das wird hier interessanterweise immer als Körberlgeld bezeichnet. Nein, das ist kein Körberlgeld, sondern das ist Geld, das für Schulen verwendet wird, das ist Geld, das verwendet wird, um einzelne Gruppen zu unterstützen (Abg. Meinl-Reisinger: Aber dazu gibt es ja Einkommensteuer!), das ist Geld, das verwendet wird, um eine Pflege­reform umzusetzen, das ist Geld, das verwendet wird, um Pensionen zu erhöhen (Abg. Meinl-Reisinger: Das sind die ..., aber deshalb gibt es Steuern, aber nicht die schleichende Steuergelderhöhung! Ja, das ist der Glaube daran, dass der Staat besser weiß, was die Bürger brauchen, als die Bürger selbst!); das ist das Geld, das in Wirklichkeit aus diesen Steuermitteln kommt. Im Falle einer automatischen Abschaffung der kalten Progression gäbe es eine massive Einschränkung der budgetären Handlungsspielräume.

Ich unterstelle jetzt, dass das manchen ganz recht ist, denn manche wollen gar nicht, dass die Pensionen besonders erhöht werden, manche wollen durchaus, dass der Staat bei Sozialsystemen noch stärker spart. (Abg. Meinl-Reisinger: Es geht nicht ums Spa­ren, es geht um Einbremsung der schleichenden Steuererhöhung!) Ich sage, ich bin das nicht, sondern ich bin für einen starken Sozialstaat, und ein starker Sozialstaat braucht auch Einnahmen – Einnahmen, die regelmäßig fließen, Einnahmen, die gut fließen, Einnahmen, die stabil fließen. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Meinl-Reisinger: Das ist ja lächerlich, in einem Hochsteuerland, was Sie da von sich geben!)

Zuletzt, weil immer wieder gesagt wird, der Staat verdient jetzt an der Inflation besonders viel und besonders stark: Ja, wir haben höhere Einnahmen, unter anderem weil die Beschäftigung zügig anspringt und, ja, auch weil die Preise steigen. Nur: Tun wir doch bitte nicht so, als hätte der Staat nicht auch höhere Ausgaben! Auch der Staat investiert – der Staat baut Straßen, der Staat baut Schienen, der Staat renoviert öffentliche Ge­bäude –, der Staat muss Beamtengehälter zahlen und diese erhöhen, der Staat muss Pensionen erhöhen. Auch ihn trifft die Inflation, wenn es um die Frage der Ausgaben geht.

Der Weg, den wir in den letzten Wochen und Monaten beschritten haben, war sicher nicht fehlerfrei, manches hätten wir als Grüne alleine anders gemacht, keine Frage, aber insgesamt – und da verweise ich auf den Bericht des Budgetdiensts zu den Maßnahmen zum Teuerungsausgleich, die wir in den letzten Monaten gemacht haben – war er nicht so schlecht, vor allem auch von der Verteilungswirkung her nicht. Es haben nämlich insbesondere jene in den unteren Einkommensgruppen – also insbesondere die, die es wirklich trifft – von den Maßnahmen im Verhältnis zu ihrem Einkommen am meisten profitiert. Das ist aktive Verteilungspolitik (Beifall des Abg. Zarits), das ist aktive Unter­stützungspolitik in dieser Krise, und diese Form der Unterstützung werden wir weiter­führen müssen, und wir werden vor allem die unterstützen, die es wirklich brauchen, damit sie durch die Krise kommen.

Von der Abschaffung der kalten Progression hingegen – von der automatischen Ab­schaf­fung, nicht grundsätzlich von der Abschaffung im Zuge von Steuerreformen – hät­ten vor allem Gruppen wie wir etwas, und ich sage ganz ehrlich, wir haben es nicht wirklich so sehr nötig. – Danke. (Beifall bei den Grünen sowie der Abgeordneten Melchior, Obernosterer und Zarits.)

16.51

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Bernhard. – Bitte.