16.51

Abgeordneter Michael Bernhard (NEOS): Herr Präsident! Herr Minister! Frau Minis­terin! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Wenn Sie jetzt dem letzten Redner vor mir, dem grünen Abgeordneten Koza, zugehört haben, dann sind Sie Zeuge geworden von dem, was oft passiert und aufgrund dessen es diese Unzufriedenheit mit der Politik gibt, nämlich von einer klassischen Lüge während eines Wahlkampfes, die sich danach zur Wahrheit transformiert. 2019 ist nämlich der Bundessprecher der Grünen mit dem Taferl dagestanden und hat gesagt: Ja, ich möchte die kalte Progression abschaffen! – Das, was dann aufgrund der Stimmen, die die Grünen erhalten haben, passiert ist, war, dass sie solche Leute reingeschickt haben, die das Gegenteil von dem machen, was man Ihnen vorher versprochen hat. (Abg. Koza: Es geht um die automatische Abschaffung! Die automatische Abschaffung!) – Das Geschrei zeigt nur das Eingestehen der Schuld.

Das Zweite, was ich dazu sagen will – ich will weniger zur kalten Progression, sondern mehr zu den Lohnnebenkosten sprechen, weil genau das einer von zwei wesentlichen Punkten ist, die wir NEOS heute eingebracht haben; das ist ganz zentral –: Anscheinend glaubt die Regierung, Unternehmerinnen und Unternehmer sind grundsätzlich das Großkapital und deswegen braucht man sich da nicht im Besonderen zu kümmern. Es kommt eine Kostenlawine auf die Dienstleistungsunternehmen, auf die produzierenden Unternehmen, auf jeden Handwerksbetrieb zu, und es ist ganz zentral, wirklich zentral, dass wir die Lohnnebenkosten reduzieren.

Warum ist das so? – Wenn jetzt durch die Teuerungen die Produktionsmittel teurer werden, wenn dann plötzlich die Löhne und Gehälter teurer werden, dann können nicht alle Betriebe diese Teuerung eins zu eins, vor allem nicht unmittelbar, am Markt weitergeben. Das bedeutet ganz konkret, man braucht einen bestimmten Puffer in der Liquidität, auch in der Profitabilität, damit man diese Wellen als Unternehmen auch nach­vollziehen und mitmachen kann, damit wir durch die Teuerungswelle nicht in eine Insolvenzwelle hineinkommen – und dafür ist das richtige Mittel, dass man die Lohn­nebenkosten senkt.

Jetzt will man uns in Österreich immer einreden, dass eine Lohnnebenkostensenkung eine Reduktion des Sozialstaates ist, dass sie eine Reduktion des Auffangnetzes bedeu­tet. Das ist sie aber nicht. Es ist eine große Denkaufgabe für die Politik, die richtigen Maßnahmen zu treffen.

Ich möchte zwei Beispiele heranziehen, die wirklich zeigen, dass es besser geht: einer­seits Schweden und andererseits die Niederlande. Wenn man sich die durchschnitt­lichen Arbeitskosten in Schweden anschaut, dann sieht man, die liegen bei 62 000 Euro, genauso wie in den Niederlanden. In Österreich liegen sie bei 66 000 Euro. Wenn man sich aber ansieht, wie viel bei den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern ankommt, dann sieht man, in Österreich sind es 33 000 Euro, in Schweden 35 000 Euro und in den Niederlanden 40 000 Euro.

Das bedeutet Folgendes: Würden wir die Lohnnebenkosten senken, hätten Sie eine so gut funktionierende Regierung wie in den Niederlanden oder in Schweden, liebe Arbeit­nehmerinnen, liebe Arbeitnehmer, dann würden Sie zwischen 5 000 und 7 000 Euro im Jahr mehr an Nettoeinkommen haben. Das ist in diesen Ländern der Fall, einfach weil dort die Hausaufgaben schon gemacht worden sind. Es ist kein Hokuspokus, es gibt vergleichbare Staaten, in denen das schon sehr gut funktioniert.

Wenn man sich jetzt anschaut, was sich hinter diesen Lohnnebenkosten versteckt, dann muss man sagen, es ist eben nicht nur so, dass das Versicherungsleistungen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind, sondern ein Drittel der Lohnnebenkosten hat nicht unmittelbar mit den Arbeitnehmerinnen und ‑nehmern zu tun. Das heißt, wir müssten uns – und da wäre vielleicht ein Arbeitskreis oder eine Expertenrunde tat­sächlich angesagt, Herr Finanzminister – darüber unterhalten: Welche Aufgaben hat der Staat? Welche hat er auch in Zukunft zu erbringen? Wo funktioniert es gut, und wo kann man einsparen?

Da fällt einem natürlich relativ rasch auch die Wirtschaftskammer ein. Wenn man sich jetzt die Wirtschaftskammer anschaut, die mit der Grundumlage, mit der Kammerumlage 1 und 2 ihre Einnahmen erhält, dann merkt man eines: Es gibt dort mit einem Vermögen von 1,5 Milliarden Euro anscheinend ein relativ gutes Potenzial, und gleichzeitig ist es so, dass die Unternehmerinnen und Unternehmer gezwungen sind – es ist ja keine Frei­willigkeit gegeben –, über die entsprechenden Beiträge die Wirtschaftskammer zu finan­zieren. Ich habe täglich Nachrichten in meinem Posteingang, in denen Mitglieder der Wirtschaftskammer sagen, sie verstehen die Welt nicht mehr.

Ich möchte jetzt diesen Bogen weiter spannen. Ich habe erst heute eine Nachricht von einem Unternehmer aus Wien bekommen, der, gebeutelt nach zwei Jahren Covid-Pandemie und einigen Monaten, in denen er auch im Härtefallfonds drinnen war, sagt, er bekommt jetzt von der Wirtschaftskammer eine Nachverrechnung für die letzten zwei Jahre von 1 000 Euro. Das mag jetzt für manche nicht viel sein, für ihn bedeutet das aber 50 Prozent seiner Monatseinnahmen. In diesem Schreiben der Wirtschaftskammer wird keine Stundung angeboten, es wird nicht auf Härtefälle eingegangen, die Wirt­schaftskammer ist gnadenlos gegenüber jedem Unternehmer und jeder Unternehmerin (Ruf bei der ÖVP: ... ja keine Ahnung!) – und die Wirtschaftskammer versteckt sich in den Lohnnebenkosten.

Es wäre daher höchst an der Zeit – und das ist ganz zentral, Herr Finanzminister, es gibt auch für uns als Bundespolitik Möglichkeiten, da einzuschreiten –, dass wir mehrere Dinge tun. Das eine ist, dass wir uns dieses eine Drittel, das nicht arbeitneh­merIn­nen­bezogen ist, tatsächlich anschauen und sagen: Wo können wir kürzen? – Als Beispiele seien noch einmal die Niederlande und Schweden genannt, die einen sehr gut funktio­nierenden Sozialstaat haben, aber im Durchschnitt auf 10 bis 15 Prozent weniger an Lohnnebenkosten kommen als Österreich.

Die zweite Frage ist: Wie können wir bei der Wirtschaftskammer dafür sorgen, dass die Beiträge sich so reduzieren, dass Unternehmerinnen und Unternehmer sie auch gerne zahlen? – Dazu gibt es einen Vorschlag von meinem Kollegen Loacker, nämlich die Beiträge um 20 Prozent zu reduzieren. Das können wir machen, indem wir im Wirt­schaftskammergesetz eine Höchstgrenze für die Beiträge einführen. Genau das wollen wir NEOS.

Alles in allem – und das ist ganz wichtig –: Reden wir gerne über jede Form von Teuerungsausgleich, am besten über die kalte Progression, aber reden wir jetzt vor allem über die Reduktion der Lohnnebenkosten, denn wenn wir das nicht angehen, wenn Sie da nicht Ihre Expertinnen und Experten einbinden und da nicht auch konkrete Vorschläge einbringen, dann haben wir eine Insolvenzwelle, dann haben wir Bürge­rinnen und Bürger zweiter Klasse, weil Sie die Unternehmerinnen und Unternehmer häufig bei den anderen Maßnahmen vergessen haben, und dann wird es wirklich dunkel in unserem Land. – Danke. (Beifall bei den NEOS.)

16.57

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Abgeordneter Brandweiner ist zu Wort gemeldet. – Bitte sehr.