9.17

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Herr Präsident! Hohes Haus! Lassen Sie mich vielleicht so beginnen: Ich bin ja jetzt schon ein paar Jahre in der Politik und einiges an Rückmeldungen gewohnt, und in der Politik bekommt man üblicherweise eine Vielzahl an negativen Rückmeldungen. Nach dem Vorstelltermin dieser Pflegereform habe ich enorm viele positive Rückmeldun­gen aus dem Bereich der Pflege erhalten.

Ich sage Ihnen, warum. Viele und die meisten dieser Rückmeldungen haben darin be­standen, dass pflegende Personen, vor allem Frauen, aber auch Pflegebedürftige gesagt haben: Wir haben so lange darauf gewartet und wir haben gar nicht mehr daran ge­glaubt. Das ist ein überaus wichtiges Signal der Wertschätzung für unseren Berufsstand. Wir sind endlich wieder in der Lage, nicht nur über die Schwierigkeiten zu sprechen – Pandemie, die besonderen Rahmenbedingungen, die Arbeitszeiten, die Belastungen –, sondern wir sind in der Lage, darüber zu sprechen, was für einen tollen Beruf wir haben.

Ich habe sehr oft gehört: Bitte, vertretet ihr in der Politik auch öffentlich die Haltung und die Botschaft: Das ist ein Beruf, der Freude macht, das ist ein Beruf, in dem Menschen Menschen pflegen, das ist ein Beruf, der erfüllend ist und sein kann. Ihr habt mit dieser Pflegereform die Voraussetzung geschaffen, das wieder zu sagen, und das ist enorm wichtig. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich bedanke mich an dieser Stelle bei allen, die dazu beigetragen haben, dass wir diesen Reformschritt setzen konnten, bei Sigi Maurer und August Wöginger, die die Verhand­lungen intensiv begleitet und geführt haben und es geschafft haben, diese 1 Milliarde Euro auf zwei Jahre zustande zu bekommen. Es ist ein Pflegepaket geworden, das sowohl in der Breite der Maßnahmen wie auch in der Tiefe dort ansetzt, wo es notwendig ist.

Das heißt, wir müssen es schaffen, dass Menschen, die jetzt in der Pflege tätig sind, dort auch bleiben – das ist unsere größte Herausforderung –, weil wir es uns nicht leisten können, dass aufgrund von Belastungssituationen, von schwierigen Arbeitsbedingun­gen, von schlechter Bezahlung Menschen von dort weggehen. Wir brauchen jede einzelne Person, die heute in der Pflege tätig ist, wir brauchen, dass sie dort bleibt. Mit den Verbesserungsmaßnahmen, die jetzt im Bereich der Gehälter, im Bereich der Arbeitsbedingungen kommen, werden wir das hinbekommen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zweiter wichtiger Punkt: Wir brauchen in den nächsten Jahren eine Vielzahl an neuen Pflegekräften. Im Übrigen braucht jede Berufsgruppe eine Vielzahl an neuen Arbeits­kräften. Das heißt, es existiert ein Konkurrenzkampf am Arbeitsmarkt um jede einzelne Person. Da jetzt in der Ausbildung, berufsbegleitend Maßnahmen zu setzen war ein Gebot der Stunde, weil es nur so gelingen kann, junge Menschen dazu zu animieren, in den Pflegeberuf, in die Pflegeausbildung einzusteigen, mit den 600 Euro, die wir da jetzt vorsehen, und auch mit dem Pflegestipendium, das auf den Weg gebracht wird. (Heiterkeit der Abg. Belakowitsch.)

Jetzt weiß ich schon, da kommt dann Kritik, das gehe zu langsam. Das braucht in der Umsetzung eine sorgfältige Vorbereitung, auch auf der technischen Ebene. Der Aus­bildungszuschuss von 600 Euro kommt heuer ab September und das Pflegestipendium von 1 400 Euro pro Monat ab nächstem Jahr. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeord­neten der ÖVP.) Ich meine, dass damit die Voraussetzungen geschaffen sind, den Beruf zu attraktiveren.

Jetzt sage ich einen Satz zur Pflegelehre. Ich weiß, das ist ein strittiges Thema, aber ich bitte Sie sehr: Geben Sie der Pflegelehre eine Chance! Wir wissen, dass es schwierig ist, und es wird auch nicht stattfinden, dass bereits Einsteigerinnen und Einsteiger in die Pflegelehre in ganz schwierige Pflegesituationen kommen. Dafür wird auch beim Curri­culum vorgesorgt werden. Es ist ein Pilotprojekt, das in mehreren Ländern umgesetzt werden wird. Lassen Sie uns das beobachten! Geben Sie der Pflegelehre eine Chance und kritisieren Sie sie dann, wenn wir zwei, drei Jahre in der Pflegelehre absolviert haben! Ich halte das für einen guten Ansatz, den man sich anschauen soll. Das funktioniert in anderen Ländern auch, das wird auch in Österreich funktionieren. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Jetzt noch ein Thema, das mir im Zuge der Verhandlungen besonders wichtig war: Wir wis­sen, dass inzwischen 30 Prozent aller zu Pflegenden mit Demenzerkrankungen oder schwe­ren psychischen Erkrankungen zu kämpfen haben und dass das ein ganz beson­ders hoher Aufwand in der Betreuung und Pflege ist. Das ist in einem Ausmaß heraus­fordernd – wer immer das schon selbst gemacht hat, Eltern hatte, die davon betroffen waren, oder Be­kannte, weiß das. Diese Erschwernis abzugelten und dafür 20 Stunden zusätzlich pro Monat vorzusehen ist ein Signal, das nicht deutlich genug angesprochen werden kann. Genau dort, wo der Aufwand in der Pflege am intensivsten ist, in diesen Bereichen, werden jetzt Verbesserungen geschaffen. Davon profitieren jene, die wirklich den höchsten Aufwand in der Pflege insgesamt haben. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Jetzt weiß ich – und damit nehme ich vielleicht auch noch einige Kritik vorweg –, das ist nicht das Ende der Fahnenstange. Lassen Sie mich sagen: Natürlich wird es darauf ankommen, dass auch die Länder ihren Teil bei der Umsetzung dieser Pflegreform leisten. Da ist vieles in der Zuständigkeit der Länder, auch zum Teil der Städte und Gemeinden, wenn sie noch, was hoffentlich der Fall ist, Pflegeheime selbst betreiben. Der Kostendruck ist enorm hoch. Es geht um die Verbesserung von Pflegeschlüsseln, von Personalschlüsseln. Da kann man etwas tun. Meine Kollegin Katharina Wiesflecker in Vorarlberg macht das gerade vor, indem sie 5 Millionen Euro für die Verbesserung des Schlüssels bereitstellt. Ja, es wird einen zweiten Schritt brauchen, und ja, die Finanz­ausgleichsverhandlungen werden Gelegenheit sein, das auch strukturell anzu­gehen.

Ich jedenfalls kann sagen, dieses Pflegepaket – 1 Milliarde Euro für zwei Jahre, eine Maßnahmenpalette, die in der Breite und auch in der Tiefe die Erfordernisse abbildet – war notwendig, war überfällig, ist ein großer Schritt und ist im Übrigen auch  ich stehe auch nicht an, das zu sagen ein Arbeitsnachweis für die Funktionsfähigkeit dieser Regierung, von der ja manche behaupten, sie funktioniert nicht. Sie funktioniert! Das Pflegepaket ist ein schlagender Beweis dafür. Ich danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

9.24

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Klubobmann Wöginger. Ab nun gelten 5 Minuten Redezeit. – Bitte sehr.