12.20

Abgeordneter MMMag. Dr. Axel Kassegger (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frauen Bundesministerinnen! Ich versuche jetzt, ein bisschen von der Wol­ke des Pathetischen runterzukommen (Zwischenruf des Abg. Leichtfried), und ich ver­suche auch, Kollege Scherak, nicht populistisch zu sein.

Es geht um das Voranstellen der geopolitischen Interessen Europas, wie die Frau Bun­desministerin das gesagt hat. Wer dazu in der Lage ist, dazu sind wir allerdings unter­schiedlicher Meinung. Ich bin eben nicht der Meinung, dass das Konstrukt der Europäi­schen Union in dieser Form in der Lage ist, die geopolitischen Interessen Europas voran­zustellen. Ich bin auch nicht überzeugt davon (Zwischenruf des Abg. Brandstätter), dass das Konstrukt (neuerlicher Zwischenruf des Abg. Brandstätter– lassen Sie mich ausreden! – Europäische Union in der Lage ist, die Probleme und Aufgabenstellungen für die kleinen Leute, für den kleinen Unternehmer, für den Mittelstand zu lösen – sehr wohl ganz offensichtlich für die Eliten. Es ist aber nicht Aufgabe der Freiheitlichen Partei, prioritär die Interessen der Eliten zu vertreten, sondern wir sehen es als unsere Aufgabe, genau diese Interessen zu vertreten.

Kollege Lopatka hat gesagt, die Europäische Union hat große Aufgaben zu bewältigen. (Abg. Lopatka nickt.) Schauen wir uns die großen Aufgaben, die unseres Erachtens andere sind, einmal an und schauen wir uns an, ob die EU in der Lage ist, Probleme zu lösen, oder ob sie Probleme schafft. Wir sind der Meinung, sie schafft mehr Probleme, als sie löst.

Gehen wir das erste große Problem an, die Aufgabenstellung Migrationspolitik: Glauben Sie im Ernst, dass die Europäische Union das Thema Migration mit Sätzen wie: Wir schaffen das!, Wir nehmen die ganze Welt in Europa auf und lösen damit die Probleme der Welt!, lösen kann? (Zwischenruf des Abg. Brandstätter.) – Das glauben wir nicht. (Beifall bei der FPÖ. – Abg. Ernst-Dziedzic: Das hat niemand gesagt!) Wir glauben, das schafft Probleme. (Zwischenruf des Abg. Leichtfried.) Kollege Amesbauer wird dann zum geplanten Migrationspakt noch zwei, drei Worte sagen. (Zwischenruf bei den Grünen.)

Glauben Sie ernsthaft, dass die Europäische Zentralbank als verlängerte Institution der Europäischen Union durch ihre Politik, die sie die letzten 14 Jahre seit der Krise 2008 gemacht hat, Probleme löst? – Nein, sie schafft Probleme. Jeder, der sich über die Infla­tion wundert, sollte einmal ein bisschen volkswirtschaftlich nachdenken und vielleicht überlegen: Gibt es eine Korrelation zwischen einer hemmungslosen Schuldenpolitik, einer hemmungslosen Geldvermehrung, einer Nullzinspolitik, die die Staaten geradezu auffordert, sich hemmungslos zu überschulden, und der Inflation? – Selbstverständlich gibt es da eine Korrelation. Genauso wie es selbstverständlich eine Korrelation mit den dirigistischen Eingriffen im Rahmen des Coronaregimes, über Lockdowns, über Zusper­ren et cetera, gibt. Selbstverständlich gibt es auch da eine Korrelation, das ist auch in­flationstreibend. Wenn Sie mir nicht glauben: Prof. Hans-Werner Sinn werden Sie wohl glauben, der sagt das nämlich auch. (Zwischenruf des Abg. Deimek.)

Dritte große Aufgabe: Energie- und Klimapolitik der Europäischen Union. Das ist ja auch von sehr, sehr viel Ideologie getragen – jetzt ist die Frau Minister weg –, aber nicht von sehr viel Hausverstand und schon gar nicht von der Vertretung der geopolitischen Inter­essen des Wirtschaftsstandortes Europa. Wir schießen uns da permanent ins Knie. Mit unserem Anspruch, die Welt zu retten, indem wir so und so viel Prozent CO2-Emissionen verringern, zerstören wir unsere globale Wettbewerbsfähigkeit im internationalen Ver­gleich. Das führt dazu, dass die Schwerindustrie in Länder abwandert, die das Dreifache an CO2 in die Atmosphäre plustern – da geht es aber offensichtlich um Arbeitsplätze, um Industrie und produktive Arbeitsplätze. Das ist nicht auf Ihrer Prioritätenliste, denn auf Ihrer Prioritätenliste ist: Ich rette die Welt und den Europaen Way of Life! – Da würde ich auch gerne einmal wissen, was Sie genau darunter verstehen, Frau Bundesministerin. (Zwischenbemerkung von Bundesministerin Edtstadler.)

Als ob das nicht genug wäre, geben wir jetzt noch einen drauf, und zwar in der Vertretung der geopolitischen Interessen Europas durch eine vollkommen absurde, Europa schädi­gende Sanktionspolitik aus Anlass des Kriegskonfliktes, der in der Ukraine stattfindet. Glauben Sie ernsthaft, dass das für unsere Industrie gut ist, indem wir uns jetzt sozu­sagen selbst freiwillig das Gas und das Öl abdrehen? – Das kann doch nicht Ihr Ernst sein! (Beifall bei der FPÖ.)

Ich möchte mit dem Programm Future of Europe schließen. Ich glaube, wir haben ein bisschen ein unterschiedliches Demokratieverständnis, Frau Bundesminister, wenn Sie sagen, das ist gelebte Demokratie, wenn Sie mit 1 200 und irgendetwas Stakeholdern diskutieren und Vorschläge machen. Für mich ist gelebte Demokratie direkte Demokra­tie, unmittelbare Demokratie. Da, glaube ich, brauche ich nicht näher zu erklären, dass die Freiheitliche Partei seit Jahrzehnten (Zwischenruf der Abg. Gabriela Schwarz) ein Anwalt der direkten Demokratie ist. (Zwischenruf des Abg. Deimek.) Wir haben halt leider nicht immer die Mehrheiten, um das durchzusetzen. (Neuerlicher Zwischenruf der Abg. Gabriela Schwarz.) Es liegt aber am Wähler, da vielleicht einen Schritt in die rich­tige Richtung zu provozieren.

Mit Demokratie hat das also relativ wenig zu tun. Da bin ich jetzt bei der Future of Europe: noch mehr Kompetenzen nach Brüssel, noch weiter von den Menschen weg, noch weiter weg vom Volk – von demos und kratein, der Macht des Volkes.

Das Einstimmigkeitsprinzip wollen Sie weghaben mit dem Titel: Ja, dann wird das alles flexibler!, und Sie nehmen auch noch das Wort Schutz in den Mund. Das Vetorecht, das ist nämlich die Kehrseite des Einstimmigkeitsprinzips, schützt gerade kleine Länder wie Österreich. Ungarn zum Beispiel: Stellen Sie sich vor, was mit den Ungarn passieren würde, wenn in vielen Fällen dieses Einstimmigkeitsprinzip nicht herrschen würde! (Zwi­schenruf des Abg. Deimek.) Dann würde Ungarn sozusagen wegen irgendwelcher Ge­setze, die offensichtlich nicht dem Europaen Way of Life entsprechen, vollkommen will­kürlich von Vertretern der Kommission unter Druck gesetzt werden. Das wollen wir alles nicht. Das ist ja ein Schutz für die kleinen Länder. (Beifall bei der FPÖ.)

Abschließend: Alle, die sagen: Wir wollen mehr Europa!, die müssen bitte diesen Satz zu Ende sprechen, und der Satz zu Ende formuliert lautet: und damit weniger Österreich. (Der Redner deutet auf den hinter ihm auf der Wand hängenden Bundesadler.) – Das ist conditio sine qua non. Wir Freiheitliche wollen mehr Österreich und weniger die Pro­blemproduktionsmaschine Europäische Union. Das ist eigentlich relativ klar. (Beifall bei der FPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Ich glaube, dass du 100 Jahre zurückliegst!)

12.27

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Ernst-Dziedzic. – Bitte.