16.43

Abgeordneter Mag. Ernst Gödl (ÖVP): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesmi­nisterin! Meine geschätzten Damen und Herren! Wir beschließen heute die Novellierung von drei Gesetzen im Zusammenhang mit der Situation von aus der Ukraine geflüchteten Menschen: das Integrationsgesetz, das Anerkennungs- und Bewertungsgesetz und das Bildungsdokumentationsgesetz.

Warum machen wir das? – Weil wir seit 24. Februar eine veränderte Lage in Europa haben. Durch den Krieg in der Ukraine sind ja leider sehr, sehr viele Menschen in die Flucht getrieben worden, und da die Ukraine in unserer unmittelbaren Nachbarschaft liegt, fast ein Nachbarland von uns ist, ist es auch unsere ganz große Pflicht, da rasch und unbürokratisch zu helfen.

Wie Sie wissen, hat auch die Europäische Union sehr schnell reagiert. Sie hat die soge­nannte Massenzustromrichtlinie – das ist kein sehr schönes Wort, aber es sagt eben aus, dass, sollte es zu einer großen Fluchtbewegung in Europa kommen, besondere Regeln, die in allen EU-Staaten zur Anwendung kommen sollen, gelten – aktiviert. Auf Grundlage dieser Richtlinie und auch auf Grundlage des § 62 unseres Asylgesetzes hat die Bundesregierung bereits am 11. März die sogenannte Vertriebenen-Verordnung er­lassen.

In der Vertriebenen-Verordnung wird festgelegt, dass Menschen, die aus der Ukraine flüchten müssen, einen besonderen Status erhalten und besonders einfach bei uns auf­enthaltig werden können. Darin wird festgelegt, dass ein vorübergehender Schutz ge­währt wird, ohne dass es – wie sonst im Asylrecht üblich – eine Einzelfallprüfung gibt. Es gibt also ohne Einzelfallprüfung einen Aufenthaltstitel, Zugang zum Arbeitsmarkt, Zu­gang zu Wohnraum, Zugang zu medizinischer Versorgung und natürlich auch Zugang zu Bildungseinrichtungen. Das ist gerade im Hinblick auf die Situation der aus der Ukrai­ne Geflüchteten besonders wichtig, weil, wie wir wissen, sehr viele Frauen mit ihren Kin­dern zu uns gekommen sind und nach wie vor kommen.

Derzeit sind etwa 72 000 Ukrainerinnen und Ukrainer bei uns registriert. Viel mehr sind zu uns gekommen, viele sind in andere Länder, wo sie vielleicht persönliche Anknüp­fungspunkte haben, weitergereist, manche auch schon wieder zurück in ihre Wohnge­biete in der Ukraine, etwa in der Westukraine, wo es derzeit zu weniger oder gar keinen kriegerischen Auseinandersetzungen kommt und es daher möglich ist, weiterhin dort zu wohnen. Wie gesagt sind aber 72 000 Menschen bei uns registriert, und wir sind somit verpflichtet, die bestmögliche Aufnahme für sie zu gewährleisten.

Mit diesen Gesetzesänderungen, die wir jetzt beschließen werden, wollen wir sicherstel­len, dass im Bereich des Integrationsgesetzes jene, die wir als Vertriebene bezeichnen, ebenso Zugang zu den Integrationsmaßnahmen, die über das Integrationsgesetz im Wege des ÖIF, des Österreichischen Integrationsfonds, angeboten werden, haben. Da geht es einerseits um einen ganz schnellen Zugang zu Deutschkursen und andererseits auch um Zugang zu Orientierungsgesprächen und Orientierungskursen, um Integration bestmöglich voranzutreiben.

Natürlich ist das Ziel, dass der Krieg schnell endet und viele Ukrainerinnen und Ukrainer schnellstmöglich zurück in ihr Heimatland können – das ist ja völlig selbstverständlich ‑, wir wissen aber aus der Vergangenheit, dass, wenn kriegerische Auseinandersetzungen länger dauern, ein gewisser Teil sich dann hier bei uns heimisch fühlt und auch bleiben wird. Es ist daher wichtig und richtig, dass wir bereits jetzt auch breite Integrationsmaß­nahmen anbieten.

Das zweite Gesetz, das Anerkennungs- und Bewertungsgesetz, soll helfen, auch Berufs­qualifikationen schnellstmöglich anzuerkennen. Das muss man sich so vorstellen: Prin­zipiell muss man bei einer Anerkennung von Berufsqualifikationen ja Ausbildungsnach­weise vorlegen. Wenn man aber aus einem Kriegsgebiet kommt, schnell flüchten muss, wenn vielleicht die Wohnung oder das Haus zerbombt, abgebrannt ist, dann kann es oft sein, dass diese Nachweise nicht zu erbringen sind. Dafür gibt es eine Regelung, und diese Regelung wird jetzt auch betreffend die Vertriebenen angepasst.

Zum Dritten das Bildungsdokumentationsgesetz: Da wollen wir sicherstellen, dass auch der Schulbesuch für Kinder aus der Ukraine so gut und schnell wie möglich gewährleistet werden soll.

Insgesamt, glaube ich, muss unser Ziel sein, dass die Selbsterhaltungsfähigkeit für die, die jetzt bei uns angekommen sind, schnellstmöglich gesichert wird.

Meine Damen und Herren, für uns ist das eine Frage von Hilfe vor Ort. Es wird viel dis­kutiert, in welchem Ausmaß Asyl, das Asylwesen und der Status der Vertriebenen gleich­gestellt werden oder inwiefern er unterschiedlich sein soll. Wir als Volkspartei bekennen uns zu dem, was wir immer eingefordert und gesagt haben: Die wichtigste Hilfe in jeder Auseinandersetzung, in jeder Fluchtbewegung ist die Hilfe vor Ort. Wir sind quasi die Nachbarn. Es liegt nur ein Land zwischen uns und der Ukraine – Ungarn –, die Entfer­nung von Grenze zu Grenze beträgt ein bisschen mehr als 400 Kilometer. Wir sind Nach­barn, wir als Österreich leisten Hilfe vor Ort. Es ist daher gut und richtig, wenn wir unsere gesetzlichen Rahmenbedingungen anpassen, um diese Hilfe vor Ort auch zu gewähr­leisten. (Beifall bei der ÖVP.)

Zum Abschluss: Ganz großer Dank gilt vielen Institutionen, aber ganz besonders der Zivilgesellschaft, die in dieser Phase mit Wohnraum, mit Unterstützung der bei uns ange­kommenen Vertriebenen sehr, sehr viel geholfen hat, ganz großer Dank gilt aber auch dem Österreichischen Integrationsfonds. Ich war in den letzten drei, vier Wochen selbst zweimal in Wien und habe mir die Lage vor Ort angeschaut: Es wurden eigene An­kunftsstellen eingerichtet, damit die Aufnahme, die Registrierung für die Vertriebenen möglichst unbürokratisch vonstattengehen kann. – Ich möchte mich auch bei dir, Frau Bundesministerin, sehr, sehr herzlich bedanken: für die vielen Initiativen – zum Beispiel die Ehrenamtsförderung in diesem Bereich und ein Buddyprogramm, ein Unterstüt­zungsprogramm auf schulischer Ebene –, damit diese vielen Menschen, die in einer schwierigen Situation sind, hier in Österreich auch bestmöglich unterstützt werden.

Ich denke, es ist gut, wenn wir diese Gesetze jetzt beschließen, damit die Ukrainerinnen und Ukrainer, die bei uns sein müssen, weil sie flüchten müssen, wirklich bestmöglich aufgenommen werden können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

16.50

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Troch. – Bitte.