19.11

Abgeordnete Mag. Agnes Sirkka Prammer (Grüne): Herr Präsident! Geschätzte Frau Bundesministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Ich möchte gleich direkt darauf antworten: Wir haben darüber nachgedacht, wir haben über Ihren Vorschlag nachgedacht. Ihr Vorschlag lautet, dass man Kinder, bei denen man sagt, das Wohl des Kindes wäre gefährdet, weil man mit erzieherischen Maßnah­men nicht mehr zurande kommt, zwangsweise unterbringt. – Und dann? Wir haben näm­lich auch noch weiter gedacht: Was ist dann?

Da hört nämlich Ihre Überlegung auf. Sie sagen, die muss man einsperren, denen muss man die Freiheit entziehen. Und dann? Was macht man mit den Kindern dann? Wie soll es dann weitergehen? Wie soll sich dieses Kind dann weiterentwickeln? Was macht man dann damit? – Das ist die Problematik. (Abg. Stefan: Was macht man beim Unter­bringungsgesetz?) – Unser Unterbringungsgesetz geht nicht in Richtung zwangsweisen Freiheitsentzugs. Das macht das Unterbringungsgesetz nicht. Nein, da haben Sie das Unterbringungsgesetz missverstanden. Das Unterbringungsgesetz ist dafür da, eine Behandlung zu ermöglichen, die aber auf Einvernehmen basiert. (Ruf bei der FPÖ: Uh!) Es gibt nicht die Möglichkeit, kranke oder behandlungsbedürftige Menschen auf Dauer und auch nicht auf Dauer der gesamten Behandlung einfach einzusperren. Die haben wir nicht, und auch diese Regelung aus Deutschland, die Sie angesprochen haben, ist ganz wesentlich anders als unser Unterbringungsrecht.

Die Problematik ist wie gesagt: Wir haben sehr wohl über Ihren Vorschlag nachgedacht. Wir lehnen sicher nichts reflexhaft ab, nur weil es von Ihnen kommt – keine Sorge, ganz bestimmt nicht –, denn ich verstehe schon das Grundanliegen, das dahinter steht, und ich verstehe schon auch die Sorge. Es ist ein berechtigtes Anliegen, dass man sagt, man muss hier eine Lösung finden, aber die Lösung muss weiter gehen, als zu sagen: Okay, wir sperren diese Kinder jetzt ein, denn: Was machen wir dann mit ihnen?

Es gibt keine belastbaren Studien, die einen Erfolg von solchen zwangsweisen Unter­bringungen bei den Kindern nachweisen, auch wenn man es jetzt mit der deutschen Lage vergleicht. (Zwischenruf des Abg. Stefan.) Diese Maßnahmen setzen eine Art von Zwangspädagogik voraus. Sie setzen voraus, dass man physischen – körperlichen – und psychischen Zwang auf diese Kinder ausübt, um Erziehungsmaßnahmen durchzu­setzen. Nur dann, nur so funktioniert das. Der Zwang ist in diesem System schon im­manent. Ohne Zwang funktioniert das System nicht.

Das sind aber Kinder und Jugendliche, die genau damit ein Problem haben und die genau darauf wieder mit Widerstand reagieren. Diese Kinder und Jugendlichen brau­chen ein qualitätsvolles, ein längerfristiges Beziehungsangebot. Die brauchen ein Ange­bot, das auf ihre individuellen Bedürfnisse eingeht, damit sie erreicht werden können und dann mit ihnen qualitätsvoll gearbeitet werden kann, damit sie aus dieser Situation wie­der herausgeholt werden können. Mit der von Ihnen vorgeschlagenen Maßnahme fördert man auch das Sich-Verbünden dieser Kinder und Jugendlichen untereinander in solchen Einrichtungen gegen die Erziehenden, was wiederum diesen Widerstand weckt und einen Erfolg eigentlich verunmöglicht.

Es gibt auch keine zuverlässigen Diagnosen, die eine Entscheidungsgrundlage dafür bieten könnten, in welchen Situationen so etwas überhaupt zweckmäßig sein könnte.

Solange es all diese Evidenz nicht gibt und solange es da keine faktenbasierten Grundla­gen gibt, auf die man so eine Entscheidung stellen könnte, können wir so einem Antrag nicht zustimmen. (Beifall bei den Grünen.)

19.15

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Mag.a Ruth Becher. – Bitte, Frau Abgeordnete.