10.18

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsi­dent! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zu­schauerinnen und Zuschauer! Ja, es geht wirklich Schlag auf Schlag, man muss gera­dezu die aktuellsten Nachrichten verfolgen, um in der Aktuellen Stunde aktuell sprechen zu können.

Den Titel haben wir ganz bewusst so gewählt: Schaffen Sie die kalte Progression jetzt endlich ab, Herr Finanzminister! Man könnte am Beginn dieser Aktuellen Stunde sagen: Na bitte, es geht ja, sie bewegt sich ja doch!

Wir haben in den letzten Wochen wirklich einigermaßen Druck gemacht, die kalte Pro­gression wirklich abzuschaffen, in Wahrheit in den letzten Jahren – genau gesagt, seit 2014. Wir haben uns das angeschaut: Seit 2014 stellen wir Anträge um Anträge, was die Abschaffung der kalten Progression angeht.

Ich kann mich erinnern, vor einigen Jahren haben viele Bürgerinnen und Bürger noch gefragt: Was ist die kalte Progression eigentlich? (Bundesminister Brunner: Noch im­mer!) – Nein, jetzt ist es tatsächlich so, dass wirklich viele Menschen wissen, dass es eine schleichende, heimliche Steuererhöhung ist oder, wie ich auch gerne sage, eine moderne Form der Wegelagerei seitens des Herrn Finanzministers, jedenfalls eine Steu­ererhöhung, ein zusätzliches Einstreifen sozusagen und ein Profitieren von der Inflation.

Und sie bewegt sich doch: Heute also die Ankündigung der – jetzt komme ich schon zum Punkt – teilweisen Abschaffung, zu zwei Dritteln (Bundesminister Brunner: Nein, 100 Pro­zent!), na gut, der hundertprozentigen Abschaffung der kalten Progression. Es tut mir leid, ich habe offensichtlich, während ich dem ukrainischen Parlamentspräsidenten ge­folgt bin – wie gesagt –, nicht alles so akkurat verfolgen können. Wir haben also heute die Ankündigung der 100-prozentigen Abschaffung der kalten Progression gehört – aber mit 2023. (Abg. Kickl: Das kennen wir ja schon! – Ruf bei der ÖVP: Gott sei Dank haben wir etwas zum Kritisieren!)

Es ist halt so, dass die Teuerung jetzt ein Thema ist und jetzt die Mitte massiv betrifft, und deswegen haben wir gefordert, dass das rückwirkend mit 1. Jänner 2022 gemacht werden muss, damit diese Steuererhöhung, die stattfindet, dieses: Ich zieh den Men­schen einfach mehr aus der Tasche als angebracht ist!, jetzt unmittelbar vor allem für die Mitte abgefedert wird. Da habe ich schon ein bisschen den Eindruck, dass Sie auf den letzten Metern der Mut verlassen hat. Ich bin aber durchaus froh und dankbar und sehe es als Erfolg unserer hartnäckigen Arbeit, dass das jetzt kommen soll. Bitte gehen Sie aber noch einmal in sich, denn am 1.1.2023 ist es für viele zu spät! (Beifall bei den NEOS.)

Es gibt ein zweites Thema, das wir immer angesprochen haben. Es ist auch sehr span­nend, und ich hoffe, ich habe da alles konkret mitverfolgen können, was Sie heute vor­gelegt haben. Offensichtlich war der Druck wirklich enorm, dass das jetzt auf einmal so schnell gehen musste. Das zeugt auch von einer wirklich guten Oppositionsarbeit hier, denn angekündigt worden ist ja viel, wie ich mich erinnere.

Das zweite Thema, das wir immer wieder angesprochen haben, ist, dass vor allem die schwächsten Haushalte direkt und auch sofort unterstützt werden müssen. Ich habe ver­nommen, dass Sie in der Pressekonferenz gesagt haben: Nein, wir machen jetzt sicher­lich nicht die Gießkanne! – Genau das aber machen Sie mit diesen Bonuszahlungen, die jetzt vorgesehen sind. Wenn ich das richtig verstanden habe, kommt zum 250-Euro-Klimabonus noch ein weiterer Bonus von 250 Euro dazu, und dann kommen noch be­sondere Boni für arbeitslose Menschen und für Menschen, die besondere Unterstützung brauchen, und eine Einmalzahlung im Rahmen der Familienbeihilfe. Das Problem ist allerdings, dass diese Bonuszahlungen für alle natürlich eine Gießkanne sind.

Ich frage mich, ob es nicht gescheiter gewesen wäre, zu sagen: Okay, es kommt die Abschaffung der kalte Progression rückwirkend mit 1.1.2022, aber wir lassen das mit diesen Boni, das ist Helicoptermoney (Abg. Ottenschläger: Kaufkraftverstärkung! Wo ist da der Unterschied?!), das übrigens auch inflationstreibend wirkt – so ehrlich muss man sein –, und wir schauen lieber, dass wir ganz gezielt, zum Beispiel über die Negativ­steuer, die schwächsten und ärmsten Haushalte wirklich unterstützen, damit das auch wirklich treffsicher ist! – So ist das nämlich ehrlich gesagt nichts anderes als eine Gieß­kanne, auch wenn mir natürlich bewusst ist, dass sich jeder freut, wenn er auf einmal 500 Euro geschenkt bekommt. Man muss aber auch dazusagen, dass es der Finanzmi­nister diesen Personen meistens auch aus der Tasche gezogen hat, bevor er es ihnen gnädig wieder zurückgibt.

Was für mich ein bisschen offengeblieben ist, ist die Frage der Lohnnebenkostensenkun­gen. Da sind Ankündigungen gemacht worden, aber ich habe den Eindruck, auch da fehlt der Mut, das wirklich entschlossen und mit einem größeren Volumen zu machen, denn wir haben eine Situation, in der die Preise in die Höhe gehen, die Menschen nicht mehr wissen, wie sie ihre Strom- und Gasrechnungen bezahlen können, und auch viele Betriebe aufgrund der gestiegenen Energiepreise, aufgrund der andauernden Nachwir­kungen der diversen und zahllosen Lockdowns und natürlich auch aufgrund anderer von außen herbeigeführter Widrigkeiten – wie zum Beispiel unterbrochener Lieferketten oder fehlender Fach- oder Arbeitskräfte – in einer wirtschaftlich sehr schwierigen Lage sind.

Es kommen die Lohnverhandlungen auf Österreich zu, wir alle wünschen uns im Sinne der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, dass es da ordentliche Abschlüsse gibt, wir aber gleichzeitig nicht in eine Lohn-Preis-Spirale kommen. Da wäre es unseres Erach­tens notwendig gewesen, jetzt als Staat ein Signal zu setzen, dass man die Betriebe dabei unterstützt, diese Lohnverhandlungen gut bestreiten zu können, indem man doch eine deutliche Senkung oder partielle Übernahme der Lohnnebenkosten vornimmt.

Ein kleines Drehen an kleinen Schräubchen wird meines Erachtens nicht ausreichen, um diese Last oder diese möglicherweise große Herausforderung der Lohnverhandlun­gen, die auf Österreich zukommt – allen Schwierigkeiten zum Trotz einen Kompromiss zu finden, der auch wirklich gut ist –, stemmen zu können.

Diese drei Dinge waren immer unser Anliegen: Unterstützung der ärmsten Haushalte, Abschaffung der kalten Progression – bitte rückwirkend, damit das heuer noch gilt – und eben eine deutliche Senkung der Lohnnebenkosten. Ich erkenne es sehr an, was da heute passiert ist, das ist nicht nichts! Hoffen wir, dass die Regierung hält (Abg. Kickl: Wirklich?! – Abg. Wöginger: Keine Sorge! – Abg. Belakowitsch: Ich hoffe nicht, dass ...!) und wir nicht am 1.1.2023 dastehen, und dann dieser Traum erst recht wieder geplatzt ist (Beifall bei den NEOS), denn das ist ja in der Vergangenheit auch schon das eine oder andere Mal passiert. Insofern kann man sagen: „Die Botschaft hörʼ ich wohl, allein mir fehlt der Glaube“. – Ich glaube es erst, wenn das wirklich umgesetzt ist und die Entlastung auch wirklich da ist.

Noch eine dringende Bitte: Gehen Sie in sich und schauen Sie, dass das heuer schon wirksam wird, denn ich weiß nicht, wie Sie der Mitte erklären, dass Sie zwar Geld mit der Gießkanne ausschütten, Helicoptermoney verteilen, aber das, was der Staat eigentlich tun muss, nämlich die schleichende Steuererhöhung abzuschaffen, ein bisschen auf die lange Bank geschoben und erst für das kommende Jahr angekündigt wird. (Abg. Michael Hammer: Umsetzen, nicht ankündigen!) – Vielen Dank, Herr Finanzminister. (Beifall bei den NEOS.)

10.25

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist der Herr Bundesfinanzmi­nister. – Bitte sehr, das Wort steht bei Ihnen.