12.12

Volksanwalt Mag. Bernhard Achitz: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordneten! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich muss zuerst unseren derzeitigen Vorsitzenden Walter Rosenkranz entschuldigen. Es gibt zwar keinen wich­tigeren Termin als die Diskussion mit dem Parlament, wir haben aber sehr wichtige Kooperationen, unter anderem mit dem ORF und der Sendung „Bürgeranwalt“. Das ist für die Volksanwaltschaft ein sehr, sehr wichtiges Mittel, an die Menschen heranzukom­men und den niederschwelligen Zugang zur Volksanwaltschaft zu fördern. Daher haben wir uns heute aufgeteilt: Kollege Rosenkranz nimmt die Termine beim ORF wahr, wir stehen dem Hohen Haus Rede und Antwort.

Ich darf in seiner Vertretung sozusagen ein paar allgemeine Dinge über die Berichte, die heute zur Diskussion stehen, sagen. Es wurde schon erwähnt, der Zulauf zur Volks­anwaltschaft hat sich erhöht. Wir haben über 23 000 Beschwerden gehabt, und, Kollegin Blimlinger, wir fürchten uns nicht vor den Menschen. Wenn mehr kommen, dann werden auch sie offene Türen und ein offenes Ohr finden. Wir freuen uns, wenn wir Menschen unterstützen können, die Probleme mit der österreichischen Verwaltung haben oder die von uns verlangen, dass wir Einrichtungen kontrollieren, in denen potenziell Freiheits­entziehungen, Menschenrechtsverletzungen stattfinden könnten.

Besonders gern gebe ich dieses Jahr aber das Lob, das manche RednerInnen geäußert haben, an unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter weiter, denn sie müssen diesen erhöhten Anfall ja bewältigen und tun das mit Bravour. Nur damit Sie sich das vorstellen können: Von diesen 23 000 Beschwerden, die im Jahr 2021 bei uns eingelangt sind, führen mehr als die Hälfte zu einem aufwendigen Prüfverfahren. Das heißt, da kommt es dann zu ziemlich intensivem Schriftverkehr mit Behörden, zu ziemlich intensiven rechtlichen Beurteilungen, zu Versuchen, das Problem zwischen der Bürgerin, dem Bürger und der Behörde im Rahmen der Gesetze zu lösen, und sehr oft auch zu befriedigenden Lösungen.

Der Umkehrschluss, dass die anderen 11 000, 12 000 Beschwerden, die bei uns ein­langen, deshalb ignoriert werden, ist nicht zulässig. Auch Beschwerden, bei denen wir nicht unmittelbar ein Prüfverfahren einleiten oder mit Behörden in Kontakt treten, sind natürlich von uns zu bearbeiten, werden von uns bearbeitet, und jede Person, die sich an die Volksanwaltschaft wendet, bekommt eine Antwort – hoffentlich, wenn wir nicht unmittelbar helfen können, weil es sich um kein Problem mit der Verwaltung handelt, auch mit einem entsprechenden Tipp, an wen man sich wenden kann.

Neben der nachprüfenden Kontrolle der Verwaltung haben wir bei unseren Über­prüfungen im Rahmen der präventiven Menschenrechtskontrolle 570 Besuche durchge­führt. Das heißt, während uns 2020 die Pandemie noch ein bisschen behindert hat, haben wir 2021 die Besuche in vollem Umfang, wie in den Jahren davor, durchgeführt. Wir waren persönlich dort, wir haben alle Vorsichtsmaßnahmen eingehalten. Soweit ich weiß, ist durch einen Besuch der Volksanwaltschaft kein Cluster entstanden. Auf der anderen Seite haben sich ein paar Menschen, die in den Kommissionen arbeiten, angesteckt, daher mussten wir sehr flexibel agieren, aber das hat im Großen und Gan­zen gut funktioniert.

Nun zu meinem Geschäftsbereich, ich möchte aus meinem Geschäftsbereich vier Dinge hervorheben: Das eine ist das Coronamanagement. Es wurde schon gesagt, der Anstieg bei den Beschwerden ist nicht nur Corona geschuldet, aber natürlich auch. Es ist eine neue Situation, wir haben 2020 einen Extrabericht über diese Situation verfasst, in der Hoffnung, dass man durch diesen Sonderbericht besser auf die Dinge reagieren kann. Diese Hoffnung, muss ich leider sagen, hat sich nur teilweise erfüllt. Auch im Jahr 2021 war das Coronamanagement nicht optimal. Das hat zu Jahresbeginn mit einem relativen Chaos bei der Impfung, bei der Priorisierung, wer zuerst drankommt, begonnen. Es haben bundesweite Vorgaben gefehlt. Hochrisikogruppen sind in manchen Bundes­ländern vorgezogen worden, in anderen Bundesländern nicht vorgezogen worden, was zu großem Unmut geführt hat. Die Beschwerden darüber waren zahlreich. Wir konnten natürlich schauen, dass Hochrisikogruppen vorgezogen werden, aber die Verbitterung darüber, dass die Unterschiede zwischen den Bundesländern doch merkbar waren, war in der Bevölkerung groß.

Ein Fehler, der 2020 gemacht wurde, hat sich 2021 leider wiederholt: Es ist zu sehr kurzfristigen Änderungen der Rechtslage gekommen. Das ist im Allgemeinen in der Verwaltung immer ein Problem, wenn die Behörden eine Ankündigung der Politik hören, sich schon darauf einstellen sollen, den Verordnungstext erst in letzter Sekunde bekommen und dann in der Woche darauf, im Extremfall sogar am Tag darauf, eine Verordnung, die sie vorher nicht zu Gesicht bekommen haben, anwenden sollen. Das führt natürlich zu Verunsicherung in der Behörde, das führt zu Verunsicherung bei den Normunterworfenen, das führt zu falschen Entscheidungen, und das war leider auch 2021 zu beobachten.

Probleme hat es mit der Ausstellung von Genesungszertifikaten, mit der Erfassung im grünen Pass gegeben. Da wurde teilweise eine dritte Impfung, die empfohlen wurde, im Pass nur als zweite Impfung ausgewiesen, was natürlich auch zu Problemen geführt hat. Auch dieses Problem konnten wir lösen. Probleme mit dem Contacttracing, mit Absonderungsbescheiden gibt es noch immer und gab es damals. Diese haben für Einzelpersonen teilweise natürlich sehr unangenehme Auswirkungen – denken Sie daran, dass für Leute, die in Quarantäne waren, die Gehaltsrefundierung am Absonde­rungsbescheid hängt.

Das zweite Problem, das ich ansprechen will, ist ein Problem mit dem Familien­minis­terium betreffend die Auszahlung der Kinderbeihilfe und des Kinderbetreuungsgelds. Während das mit der Kinderbeihilfe ein Fall war, der 2021 durch die gleichzeitige Umstellung auf Finanzamt Österreich und einen Rückstau, der durch Nichtnachweise in der Coronazeit entstanden ist, eher singulär aufgetreten ist, ist das Problem mit dem Kinderbetreuungsgeld leider ein dauerndes. Wir haben, um es kurz zu machen, zig Fälle, bei denen Eltern jahrelang auf das Kinderbetreuungsgeld warten, teilweise bis die Kinder in die Schule kommen. Das ist nicht Sinn des Kinderbetreuungsgeldes, das gehört unbedingt behoben.

In der präventiven Menschenrechtskontrolle möchte ich darauf hinweisen, dass das, was schon von Debattenrednern gesagt wurde, sehr, sehr ernst zu nehmen ist. Es gibt einen unmittelbaren Zusammenhang zwischen dem Personalmangel in verschiedenen Ein­richtungen und der Qualität der Betreuung sowie der Häufigkeit der Verletzung oder Gefährdung von Menschenrechten. Das betrifft nicht nur Alten- und Pflegeheime – dort sind die Beispiele im Moment besonders tragisch –, das betrifft natürlich genauso Behin­derteneinrichtungen, das betrifft in gleicher Weise Einrichtungen der Jugendhilfe, das betrifft Psychiatrien, aber auch Spitäler. Dort ist unbedingt gegenzusteuern, dort muss man sich etwas überlegen, denn zu wenig Personal führt dazu, dass Menschen einge­sperrt, medikamentös ruhiggestellt, schlecht behandelt werden – und das darf in einem modernen Sozialstaat nicht passieren. (Beifall bei der SPÖ, bei Abgeordneten der ÖVP sowie der Abg. Krisper.)

Mein letzter Punkt betrifft die Heimopferrente, Aufarbeitung des Unrechts der Vergan­genheit: Auch da hatten wir wieder 350 Fälle zu beurteilen, in denen sich Menschen bei uns gemeldet haben, die zwischen 1945 und 1999 in einem Kinderheim oder bei einer Pflegefamilie untergebracht waren und dort Gewalt erfahren haben. Wir sind dabei auf eine Gesetzeslücke gestoßen, die ich Ihnen nicht vorenthalten will: An sich sollten Menschen, die nicht mehr arbeitsfähig sind und aufgrund dieser nicht mehr bestehenden Arbeitsfähigkeit eine Rente oder Mindestsicherung beziehen, diese Heimopferrente bekommen, wenn sie untergebracht waren und Gewalt erfahren haben. Wir haben meh­rere Fälle entdeckt, bei denen das trotzdem nicht der Fall ist. Wenn nämlich die betrof­fene Person in einer Partnerschaft lebt und der Partner, die Partnerin so viel verdient, dass man eben keine Mindestsicherung bekommt, und keinen eigenen Pensions­anspruch hat, dann bekommt man auch die Rente nicht. Das ist sicher nicht beabsichtigt. Ich ersuche Sie, darauf ein Auge zu werfen und die notwendigen gesetzlichen Maßnahmen zu treffen. – Herzlichen Dank. (Beifall bei Abgeordneten der ÖVP, bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

12.23

Präsidentin Doris Bures: Nun erteile ich Herrn Volksanwalt Werner Amon das Wort. – Bitte.