20.59

Abgeordnete Petra Vorderwinkler (SPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr ge­ehrter Herr Minister! Hohes Haus! Die modulare Oberstufe ist Hauptteil dieser Regie­rungsvorlage und war ursprünglich als eine Möglichkeit gedacht, die Oberstufe und das Bildungssystem flächendeckend moderner zu machen. Mit der Wahlfreiheit in dieser Novelle wird nun unter dem Deckmantel der Autonomie der Fleckerlteppich im österreichischen Bildungssystem noch größer.

Abgesehen davon werden ständig Novellen vorgelegt, in denen kreuz und quer die unterschiedlichsten Änderungen beinhaltet sind, und diese sollen dann in einer einzigen Abstimmung abgefertigt werden. Das werden wir nicht unterstützen. (Beifall bei der SPÖ.)

Lösungen für große Probleme findet man nicht in den Regierungsvorlagen. Es gibt keine neuen Lehrpläne, keine Dienstrechtsnovellen, die hilfreich wären und den Schulbetrieb sichern würden, und so weiter. Zu den großen Problemen zählt zum Beispiel auch die fehlende Vorbereitung für den Herbst. Es fehlt noch immer ein Plan für den Kindergarten- und Schulstart im Herbst, ein Plan, wie die großen Herausforderungen gestemmt werden sollen. (Präsident Sobotka übernimmt den Vorsitz.)

In zwei Wochen beginnen die Sommerferien, dann gehen die Schulen in die Som­merpause, und genau wie in den letzten beiden Jahren gibt es bis jetzt noch immer kein Lebenszeichen vom Ministerium. Es ist noch immer nichts an die Schulen gekommen, wie der Schulstart zu vollziehen ist. Gefühlt befinde auch ich mich, wie meine Kollegin heute schon gesagt hat, wie bei „Und täglich grüßt das Murmeltier“, denn es ist immer dieselbe Situation: das dritte Jahr und wieder kein Plan.

Im Unterrichtsausschuss habe ich den Herrn Bundesminister auch schon gefragt, wie der Plan für den Herbst aussehen würde, welche Maßnahmen es für sichere offene Bildungseinrichtungen, für das Aufholen von Versäumtem in Form von Förder- und Ergänzungsunterricht geben wird, denn die Rückstände aufgrund der Pandemie sind längst noch nicht beseitigt, welche Maßnahmen es für die Unterstützung in den ersten Schulstufen gibt – denn diese Herausforderung wird im kommenden Schuljahr die aller­größte sein, größer als jemals zuvor –, welche Maßnahmen er gegen den Personal­mangel vorhat und welche Maßnahmen für die Sprachförderung vorgesehen sind, haben wir doch, wie wir alle wissen, zusätzlich auch ukrainische Kinder in den Schulen.

Die Antwort war: Es wird nach der Prüfungszeit, also jetzt im zweiten Teil des Juni, evaluiert – wortwörtlich –, was die Schulen brauchen, und danach wird geschaut, wie das ermöglicht werden kann.

Für all jene, denen das System in der Schule fremd ist: Die Ressourcenzuteilung wurde bereits abgeschlossen, und im Stellenplan findet man keine einzige zusätzliche Planstelle. Es wird wahrscheinlich auch nichts mehr kommen, wie es aussieht.

Es macht mich sprachlos, Herr Minister, wie Sie mit den Pädagoginnen und Pädagogen nach all der Zeit umgehen, denn sie leisten großartige Arbeit über alle Maßen und sind an ihren Grenzen angekommen. Täglich erreichen mich verzweifelte Hilferufe, Sie ver­mutlich auch, aber anscheinend ist Ihnen das egal. Wissen Sie, was das mit Menschen macht, wenn kein Ende einer belastenden Situation und keine Planungssicherheit in Aussicht sind? Und es macht mich sprachlos, wie Sie mit Ihrer Verantwortung gegenüber unseren Kindern umgehen.

Bei allem Respekt, Herr Minister, aber würden Sie heuer ein Zeugnis zum Schulschluss bekommen, eine Leistungsbeurteilung, so wäre diese mit Sicherheit negativ. Herr Minis­ter, das ist leider zu wenig! (Beifall bei der SPÖ.)

Mein Antrag zu den dringend notwendigen Vorbereitungen für den Schulstart im Herbst wurde letzte Woche im Ausschuss vertagt. Wenn nicht jetzt, wann genau wäre dann der Zeitpunkt für Sie, um diesen zu bearbeiten? Anfang Juni einen solchen Antrag zu ver­tagen zeugt von Unkenntnis der Abläufe und von Ignoranz. Daher bringe ich im Sinne meiner Verantwortung diesen Antrag hier jetzt und heute noch einmal ein. Sie haben nun die Chance, doch noch Hilfe zuzusichern. Wenn wir verhindern wollen, dass im Herbst lediglich Minimalbetrieb an Österreichs Schulen gewährleistet werden kann, dann braucht es Planung, Mittel und Planstellen, ein umfassendes Paket.

Daher bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Petra Vorderwinkler, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Dringend notwendige Vorbereitungen für den Schulstart im Herbst 2022“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend ein umfassendes Schulpaket vorzulegen, das sicherstellt, dass ab Herbst ein qualitativ hochwertiger Unterricht und nicht nur ein Minimalbetrieb an Österreichs Schulen möglich ist. Dieses Schulpaket soll jedenfalls enthalten:

- zusätzliche Planstellen zur Unterstützung der Kinder und Jugendlichen aus der Ukraine und zum Aufholen von Lernrückständen aufgrund der Coronapandemie

- Doppeltbesetzung des Lehrpersonals in den ersten beiden Volksschulklassen – in einem ersten Schritt zumindest in den Leitgegenständen Deutsch und Mathematik

- Sicherheitskonzepte, die sicherstellen, dass Schulen gut auf eine erneute Covid-19-Welle vorbereitet sind und offen gehalten werden können.“

*****

Ich ersuche Sie alle hier herinnen, Ihrer Verantwortung als Vertreter des Volks nach­zukommen und Perspektiven für die Schulen zu geben. – Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ.)

21.04

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Petra Vorderwinkler,

Genossinnen und Genossen

betreffend: Dringend notwendige Vorbereitungen für den Schulstart im Herbst 2022

eingebracht im Zuge der Debatte zum Bericht des Unterrichtsausschusses über ein Bundesgesetz (1487 d.B.) mit dem das Schulorganisationsgesetz, das Schulunter­richts­gesetz, das Schulunterrichtsgesetz für Berufstätige, Kollegs und Vorbereitungslehr­gänge, das Schulzeitgesetz 1985, das Land- und forstwirtschaftliche Bundesschulgesetz, das Schulpflichtgesetz 1985 und das Privatschulgesetz geändert werden (1495 d.B.) (TOP 17)

Es vergeht aktuell kaum ein Tag, an dem aus den österreichischen Schulen nicht Hilfe­rufe ertönen. Bereits vor der Pandemie war die Personalsituation höchst angespannt, Corona hat die Situation nochmals verschärft. An allen Ecken und Enden fehlt Lehr- und Unterstützungs-personal. Lehrer*innen schlittern ins Burn out, Schüler*innen werden nicht angemessen unterstützt. Hinzu kommen noch die Fluchtbewegungen aus der Ukraine, die das Schulsystem auf eine weitere Probe stellen.

Trotz dieser prekären Situation wurde bekannt, dass an eine Aufstockung der Planstellen ab Herbst nicht gedacht ist. Im Gegenteil: Es fehlen unter anderem konkrete Zusagen für Planstellen zur Abfederung der Auswirkungen der Coronapandemie. Kinder und Jugendliche gehören zu den Hauptleidtragenden der Pandemie. Sie brauchen weiterhin unsere Unterstützung. Durch Covid-19 und die Zeiten von Home Schooling sind Rück­stände entstanden, die es nun aufzuholen gilt. Doch dafür benötigt es das erforderliche Lehrpersonal und ein Aufhol-Paket gegen Lernrückstände, die trotz des enormen Engagements der Lehrer*innen, Eltern und Schüler*innen während der Pandemie entstanden sind.

Unklar ist auch, wie sich die Corona-Situation im Herbst darstellen wird. Expert*innen rechnen mit neuen Covid-19-Wellen. Nachdem bereits die Sommermonate der letzten Jahre ungenützt verstrichen sind, ist zu hoffen, dass sich das Bildungsministerium diesmal adäquat auf den Herbst vorbereitet. Von welchen Szenarien das Bildungs­ministerium dabei konkret ausgeht und welche Vorkehrungen getroffen werden, ist jedoch nicht bekannt. Klar ist, dass es weiter Sicherheitskonzepte brauchen wird, damit Schulen sicher im Normalbetrieb laufen können.

Die Forschungsplattform "Covid-19 Future Operations" hat dazu einige Empfehlungen veröffentlicht und mehrere Szenarien für die weitere Entwicklung im Herbst skizziert. Das Papier empfiehlt beispielsweise eine konsequente Luftqualitätsüberwachung: CO2-Sen­soren sollten zur Verbesserung und Überprüfung des Fensterlüftens (Stoßlüften/Dauer­lüften) in Innenräumen eingesetzt werden. Darüber hinaus braucht es Lüftungs- bzw. Luftreinigungsgeräte: Abluftventilatoren können infektiöse Atemaerosole besonders wirk­sam entfernen insbesondere in Versammlungs-, Klassen- und Aufenthaltsräumen. Sie sind seit vielen Jahren Stand der Technik und können nach Bedarf intervallartig oder dauerhaft betrieben werden. Abluftventilatoren sind kurzfristig, kostengünstig und mit geringem Aufwand nachrüstbar. Mobile Luftreiniger können auch zu einer Verringerung potentiell infektiöser Atemluftaerosole beitragen. Als Desiderat hinzukommt eine ge­eignete Testinfrastruktur, nachhaltiges und vorausschauendes Agieren und nach zwei Jahren Pandemie die rechtzeitige Kommunikation von Zielen.

Auch für die Sprachförderung und Volksschulklassen stehen zu wenige Planstellen zur Verfügung. Insbesondere gilt es, einen Fokus auf die ersten beiden Volksschuljahre zu legen. Durch den pandemiebedingten unregelmäßigen Besuch der elementarpäda­go­gischen Einrichtungen während der vergangenen Jahre hat sich der Entwicklungsstand der Kinder weiter auseinanderbewegt. Die Kinder kommen mit unterschiedlichen Vor­aussetzungen und Lernständen in die Volksschule. Daher müssen die Klassen zu­mindest in den ersten beiden Jahren an den Volksschulen doppelt mit Lehrpersonal besetzt werden, damit individuell auf den Förder- und Lernbedarf der Schüler*innen eingegangen werden kann.

Ebenfalls aktuell nicht vorgesehen ist zusätzliches Personal zur Unterstützung der Flüchtlinge aus der Ukraine. Bereits derzeit sind mehr als 9.000 Kinder und Jugendliche, die vor dem Krieg in der Ukraine geflüchtet sind, in einer österreichischen Schule an­gemeldet. Laut Prognosen könnten es noch bis zu 40.000 werden. Auch hier wurden seiten des Bundes bisher keine Maßnahmen präsentiert. Zusätzlichen Lehrer*innen-Stellen für ukrainische Schüler*innen müssen möglichst rasch bereitgestellt werden, da sonst für die Schulen keine Planung mehr möglich ist und auch die Weiterverwendung der jüngst angestellten Lehrkräfte aus der Ukraine schwierig wird.

Wenn wir daher verhindern wollen, dass an Österreichs Schulen ab Herbst lediglich ein Minimalbetrieb gewährleistet ist, braucht es rasch entsprechende Planungen, Mittel und Planstellen. Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Bildung, Wissenschaft und Forschung wird aufgefordert, dem Nationalrat umgehend ein umfassendes Schulpaket vorzulegen, das sicherstellt, dass ab Herbst ein qualitativ hochwertiger Unterricht und nicht nur ein Minimalbetrieb an Österreichs Schulen möglich ist. Dieses Schulpaket soll jedenfalls enthalten:

•           zusätzliche Planstellen zur Unterstützung der Kinder und Jugendlichen aus der Ukraine und zum Aufholen von Lernrückständen aufgrund der Coronapandemie

•           Doppeltbesetzung des Lehrpersonals in den ersten beiden Volksschulklassen – in einem ersten Schritt zumindest in den Leitgegenständen Deutsch und Mathematik

•           Sicherheitskonzepte, die sicherstellen, dass Schulen gut auf eine erneute Covid-19-Welle vorbereitet sind und offen gehalten werden können.“

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ausreichend unter­stützt, ordnungsgemäß eingebracht und steht somit mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Taschner. – Bitte.