21.52

Abgeordnete Dr. Gudrun Kugler (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Wir sprechen jetzt über das Thema Einhaltung der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts in der Ukraine und – das ist ganz wichtig – die individuelle strafrechtliche Verantwortlichkeit. Wir haben in unserem Antrag darüber gesprochen, dass Österreich einen Beitrag zu der Arbeit leistet, die der Internationale Strafgerichtshof in der Ukraine macht.

Der Internationale Strafgerichtshof – vielleicht kennen den noch nicht alle so gut – geht auf das Römer Statut zurück – im Jahr 2000 bis 2002 wurde das grundgelegt. Auf Englisch kennt man ihn unter ICC, auf Deutsch unter IStGH, Internationaler Straf­gerichtshof. Dieser ICC stellt eine Revolution im internationalen Recht dar, denn bis zum Römer Statut war es nicht möglich, dass internationales Recht direkt auf eine Einzel­person in einem Staat durchgreift. Das Römer Statut hat das möglich gemacht, und zwar für schwerste Verbrechen von internationaler Bedeutung, das heißt Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Völkermord.

Nun sind weder Russland noch die Ukraine Vertragsparteien des Internationalen Straf­gerichtshofs. 124 Länder sind das, aber die beiden sind es nicht. Die Ukraine hat aber im Jahr 2013 und 2014 die Jurisdiktion des Gerichtshofs durch Erklärung anerkannt, damit ist das Territorium der Ukraine erfasst. Auch wenn Russland selbst nicht dabei ist, gilt dann die Jurisdiktion des Internationalen Strafgerichtshofs für jeden – wen auch immer –, der in diesem Land Kriegsverbrechen begeht.

Interessant ist vielleicht noch, dazuzusagen, dass der Internationale Strafgerichtshof auch dann jemanden verurteilen kann, wenn diese Person im Einklang mit ihrer Rechts­ordnung und auf Befehl ihrer Oberen gehandelt hat. Da stellt sich natürlich die Frage: Wie kann man das begründen? – Ich glaube, da hat das internationale Strafrecht eigentlich eine sehr spannende Antwort gefunden. Es sagt nämlich: Trotz der eigenen Rechtslage und des Befehls des Oberen hätte diese Person wissen müssen, dass man Kriegsverbrechen nicht begehen darf.

Die Frage ist aber, wenn jemand verurteilt werden soll, ob dann die Beweise gesichert sind, ob man beweisen kann, dass das, was vorgeworfen wird, auch wirklich vorgefallen ist. Gerade das ist jetzt die große Frage in der Ukraine: Werden Beweismittel vernichtet? Können sie sichergestellt werden? – Das ist etwas, bei dem ein neutrales Land wie Öster­reich helfen kann. Wir haben dem Internationalen Strafgerichtshof bereits 100 000 Euro zur Verfügung gestellt und wir helfen mit Personal und Expertise, damit im Falle von Kriegsverbrechen, die in der Ukraine bereits geschehen sind und die gerade jetzt weiter geschehen, Beweise gesichert werden, Zeugen vernommen werden können.

Wir haben in den letzten Tagen bereits einiges dazu in den Medien gelesen. Der Einsatz von Streumunition ist vor wenigen Tagen von Amnesty International dokumentiert worden – das ist völkerrechtlich verboten. Die Frage ist, wie es den Kriegsgefangenen dort geht. Das Rote Kreuz darf dort nicht hin, es weiß nicht, wie es den Menschen geht. Die Frage der sexuellen Gewalt, die sexuelle Gewalt als Waffe gegen Frauen und Kinder und als Element der strategischen Kriegsführung: Auch das ist durch Völkerrecht verboten. Es gibt aber sehr viele Aussagen, dass diese Dinge vorkommen, leider auch in sehr, sehr großem Ausmaß.

Eine Betroffene hat ein Wort verwendet, das sehr bezeichnend ist. Sie spricht von Inter­generationentrauma, nämlich einem Trauma, das von Generation zu Generation weiter­gegeben wird, und sie spricht davon, dass es die Absicht ist, Generationen – nicht nur eine, sondern mehrere – zu zerstören, um ein Land zu zerstören.

Man kann Infrastruktur wieder aufbauen, aber man kann das, was diesen Menschen geschieht, nicht einfach wieder ungeschehen machen. Darum ist es wichtig, dass man auch einen frauenspezifischen Zugang hat, und zwar in der Art und Weise, wie wir ver­suchen, humanitär zu helfen. Ich freue mich, dass dazu im Gleichbehandlungs­aus­schuss ein Antrag vorliegt, der das auch sehr, sehr gut zusammenfasst und der nächste Woche dort diskutiert wird.

Österreich unterstützt die Arbeit des Internationalen Strafgerichtshofs. Es sind in der Ukraine bereits 40 Expertinnen und Experten tätig. Wir tragen das mit. Ich möchte Sie alle einladen, diesem Antrag zuzustimmen, der das noch einmal unterstreicht und auch verstärken möchte.

Ich möchte hier nicht enden, ohne ein weiteres Engagement für die Ukraine hervorzu­heben, und das ist die Arbeit, die von der OSZE geleistet wird. Die OSZE ist wirklich auch mit dem Anliegen Frieden in Europa gegründet worden, und zwar die OSZE als Institution, aber auch die Parlamentarische Versammlung der OSZE – da freue ich mich besonders, dass unser Kollege Reinhold Lopatka als Sonderbeauftragter tätig ist.

Vielleicht kann man durch diese vielen Teile, in denen sich alle Länder miteinander auf unterschiedlichen Ebenen und in unterschiedlichen Institutionen engagieren, zu einem schnellen Ende des Krieges und der Kriegsverbrechen kommen. – Vielen Dank. (Beifall bei ÖVP und Grünen sowie des Abg. Brandstätter.)

21.58

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf den Herrn Außenminister recht herzlich begrüßen.

Zu Wort gelangt Herr Abgeordneter Troch. – Bitte.