22.29

Abgeordneter Robert Laimer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! „Wir erleben eine Zeitenwende“: Dieser Satz des deutschen Bun­deskanzlers ist mittlerweile legendär. Wir befinden uns jedoch auch an einer entschei­denden Weggabelung: Reduzieren wir konsequent das weltweite Nuklearwaffenarsenal und gelingt es uns, den Atomwaffenverbotsvertrag global durchzusetzen, oder lassen wir der nuklearen Hochrüstung und dem Einsatz von autonomen Waffensystemen, die sich der menschlichen Kontrolle entziehen, weiterhin freien Lauf?

Die geopolitischen Interessen von Groß- und Regionalmächten führen uns gerade jetzt vor Augen, dass wir uns in einer massiven nuklearen Rüstungsspirale befinden. Dabei wird das Argument der atomaren Abschreckung bewusst eingesetzt, um die Legitimation abzuleiten, das Nuklearpotenzial zu erhöhen. Verschärfend kommt hinzu, dass neben den neun Nuklearwaffenstaaten noch weitere Länder unbeirrt an der Herstellung von Kernwaffen arbeiten.

Wir wissen auch nicht, ob einige Staaten bereit wären, atomare Waffen zum Beispiel an terroristische Organisationen oder ausgelagerte Söldnertruppen weiterzugeben. Die Gefahr einer Weitergabe von Massenvernichtungswaffen inklusive Know-how ist im vor­herrschenden geopolitischen Spannungsverhältnis so groß wie nie zuvor. Eine weitere unterschätzte Gefahr besteht darin, dass Nuklearwaffensysteme gehackt werden kön­nen.

Derzeit gibt es weltweit unvorstellbare 12 700 nukleare Sprengköpfe. Diese 12 700 Atom­waffen – laut Rüstungsbericht – stellen ein permanentes Risiko für die Menschheit dar. Daher braucht es jetzt konkrete Abrüstungsschritte.

Meine Damen und Herren, es darf an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben, dass sich die Einsatzmöglichkeiten und auch die Einsatzwahrscheinlichkeiten von Atomwaffen zuletzt enorm erhöht haben. Auch da ist es schlichtweg ein Trugschluss, zu glauben, dass der begrenzte Einsatz von Nuklearwaffen kontrolliert werden kann. Nein, das Gegenteil ist der Fall: Er ist weder kontrollierbar noch beherrschbar.

Als wäre die aktuelle Gefahr nicht groß genug, haben die USA im Jahr 2019 unter Trump offiziell den Ausstieg aus dem seinerzeitigen INF-Abrüstungsvertrag, den Reagan und Gorbatschow abgeschlossen haben, bekannt gegeben. Das wiederum hatte zur Folge, dass auch Russland den atomaren Abrüstungsvertrag ausgesetzt hat. Wenn man sich nun vor dem Hintergrund des Krieges in der Ukraine vergegenwärtigt, dass die USA und Russland Tausende Atombomben einsatzbereit aufeinander gerichtet haben, dann muss man konsequenterweise feststellen, dass die Gefahr eines globalen Atomkrieges aktuell ist.

Es braucht global gesehen ein politisches Umdenken, was Atomwaffen betrifft. Die Logik der nuklearen Abschreckung, das einzige Argument der Groß- und Regionalmächte für ihre Position pro Atomwaffen, ist nicht tauglich, wenn man sich die enormen Risiken und Auswirkungen von Nuklearwaffeneinsätzen in Zeiten künstlicher Intelligenz vor Augen führt.

Daher möchte ich auf ein absolut hochkarätiges Treffen der Vertragsstaaten des UN-Vertrags über das Atomwaffenverbot hinweisen, welches nächste Woche von 21. bis 23. Juni bei uns in Wien stattfindet. Da kann es nicht genug Verbündete geben, Herr Bundesminister. Experten aller Vertragsstaaten kommen zusammen, um sich auf konkrete Maßnahmen zur Umsetzung des Atomwaffenverbotsvertrages zu verpflichten.

Abschließend möchte ich noch das Verbot autonomer Waffensysteme in die Diskussion einbringen. Österreich steht schon lange an vorderster Front, wenn es darum geht, den Einsatz von Antipersonenminen, Streumunition oder autonomen Waffensystemen zu verbieten. Seit 2018 drängt Österreich auf ein internationales Verbot von autonomen Waffensystemen, auch weil wir sehen, wie viel Geld in diese Technologie, die es Maschinen erlaubt, autonome Angriffsentscheidungen zu treffen, hineinfließt.

Der Druck auf die Waffenkonzerne und die Politiker muss auf alle Fälle erhöht werden, um einen technologischen Tsunami, der durch die Weiterentwicklung von Killerrobotern entfacht werden könnte, zu verhindern. Hiroshima und Nagasaki waren noch in der Steinzeit der Atombombe.

Wir müssen den militärischen Großmächten und den Waffenproduzenten klarmachen, dass nicht Algorithmen über Leben und Tod von Menschen entscheiden dürfen. Diese Entwicklung ist definitiv nicht im Interesse der Menschheit. (Beifall bei der SPÖ.) Wir müssen sie auf globaler Ebene verhindern, sonst könnte alles Leben auf unserem Planeten sehr schnell erlöschen. – Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

22.35

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Baumgartner. – Bitte sehr.