10.55

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Herr Präsident! Frau Staatssekretärin! Der Herr Wirtschaftsminister hat uns leider verlassen. (Ruf bei der ÖVP: Bei deiner Re­de!) Ich erspare Ihnen, Kollege Pöttinger, eine tatsächliche Berichtigung: Kollege Ler­cher hat keine Verstaatlichung gefordert. Allerdings fürs Stammbuch der historisch unge­bildeten ÖVP-Abgeordneten (Widerspruch bei der ÖVP) – für deren Stammbuch –: Es waren ÖVP-Bundeskanzler, unter denen die Verstaatlichung sehr erfolgreich durchge­setzt wurde. (Ruf bei der ÖVP: Ja, zu welchem Zeitpunkt?! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Dieses Land wäre ohne die Leistungen der österreichischen Industrie nach 1945 nicht, wo es ist. (Ruf bei der ÖVP: Genau!) Lernen Sie Geschichte, kann ich an dieser Stelle nur sagen! (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenruf bei der ÖVP.)

Manches erstaunt einen ja. Kollegin Götze hat besonders lobend die Aktion Christmas-Shopping der Wirtschaftskammer Österreich erwähnt. Wieso kritisiert dann eigentlich Frau Jungwirth als Chefin der Grünen Wirtschaft in der Wirtschaftskammer diese Aktion? Das sollte man vielleicht intern klären, dann könnte man sich zu einer einheitlichen Be­wertung durchringen.

Aber zum Thema: Vielen, vielen Dank nicht nur für die Initiative, sondern jedem Einzel­nen, der dieses Volksbegehren unterschrieben hat. Warum? – Weil es den Fokus auf ein Problem legt, das viel weitgehender ist als die Frage: Geht es dem stationären Händ­ler gut oder ist nur Jeff Bezos der Profiteur? – Der stationäre Handel hat eine viel weiter gehende Funktion. Die Ortskerne wurden schon angesprochen, es geht aber nicht nur um die Ortskerne, sondern um das Zugänglichmachen von Waren für alle Menschen. Das heißt, gerade Menschen, die nicht den einfachen Onlinezugang haben, brauchen einen stationären Handel.

Er hat aber noch viel mehr Funktionen. Er sorgt für eine dezentrale Bevorratung von Gütern. Wenn man immer erst warten muss, ob nicht vielleicht ein Schiff im Sueskanal quer steht, dann kann man ins Problem hineinlaufen. Wir sehen das ja bei vielen Lie­ferkettenschwierigkeiten, dass die gesamte Versorgung in Gefahr kommt. Die Funktion des Zwischenlagers, dass man Güter bekommt, erfüllt eben der Handel insgesamt, und zwar der stationäre, nicht der Onlinehandel. Alleine dieser Bereich erfordert, dass die Politik ganz, ganz entschieden dafür sorgt, dass es den stationären Handel weiterhin gibt.

Ein Teil der Vorschläge ist sehr gut, andere kann man vielleicht anders verwirklichen, aber handeln müssen wir. Warum alle unsere Anträge, die die SPÖ eingebracht hat, zum Beispiel zur Sonderbesteuerung für Onlinekonzerne, vertagt oder abgelehnt sind, verste­he ich nicht! (Beifall bei der SPÖ sowie des Abg. Angerer.)

Ich meine, nur weil der Wirtschaftsminister dem Bezos ein bissel ähnlich schaut, ist das doch kein Grund, dass man dem die Milliarden lässt, meine Damen und Herren! (Beifall bei der SPÖ – Zwischenruf bei der ÖVP.) Das ist ja absurd. Man muss doch entschieden dagegen auftreten, dass es einen Kaufkraftabfluss gibt und das entlang der Wertschöp­fungskette in den USA ankommt. Man muss doch schauen, dass man hier für Wirtschaft und Beschäftigung sorgt.

Unterstützen Sie unsere Anliegen – nicht vertagen, nicht ablehnen, sondern proaktiv un­terstützen – und schauen Sie, dass wir hier wirklich einen gleichmäßigen und auch einen fairen Wettbewerb bekommen! Heute haben wir das nicht. Wenn ich mir Löhne, Gehälter und Arbeitsverhältnisse im Bereich der Onlinekonzerne anschaue, dann sehe ich, da wird eine neue Form von etwas erzeugt, was Karl Marx Lumpenproletariat genannt hat – in Wirklichkeit sind es Hungerlöhne. Mir tun die Leute leid, die in diesen Verhältnissen arbeiten müssen.

Mir sind gut ausgebildete Angestellte im Handel tausendmal lieber. Kämpfen Sie mit uns darum, dass es faire Arbeitsbedingungen gibt, denn diese sorgen auch für faire Lebens­bedingungen – nicht mehr vertagen und ablehnen, meine Damen und Herren, nach dieser Geschichtsstunde! – Danke. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Höfinger: Sensationell! Schwach!)

11.00

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Stark. – Bitte.