20.44

Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie Leonore Gewessler, BA: Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr ge­ehrter Herr Präsident! Werte Abgeordnete! Liebe Zuseherinnen und Zuseher auch zu später Stunde noch hier im Haus oder online! Die Straßenverkehrsordnung – Herr Abge­ordneter Margreiter hat ja soeben noch einmal zurückgeblickt – stellt Regeln auf, die grundlegend dafür sind, wie wir uns als Fußgänger, Fußgängerin, als Radfahrer, Rad­fahrerin oder mit dem Auto fortbewegen und dabei aufeinander aufpassen, aufeinander Rücksicht nehmen.

Es ist leider so, dass in vielen Bereichen die Straßenverkehrsordnung seit den Sechzi­gerjahren unverändert ist, während sich unsere Mobilität seit den Sechzigerjahren – Gott sei Dank, bin ich versucht zu sagen – ordentlich verändert hat. Es hat sich viel entwickelt, es hat sich einiges verändert, es hat sich viel getan, gerade beim Zufußgehen und Rad­fahren. Diese Fortbewegungsmöglichkeiten haben einen anderen Stellenwert als noch vor 60 Jahren – so alt ist die StVO –, denn da ist es um Massenmotorisierung gegangen, darum, diese zu fördern, ohne Rücksicht darauf, was das für Fußgänger und Radfahrer bedeutet.

Heute ist die aktive Mobilität nicht mehr wegzudenken. Wir wissen, wie wichtig sie ist, nicht nur für den Klimaschutz – das hat Abgeordneter Weratschnig vorhin ausgeführt –, sondern auch deshalb, weil sie Mobilität ermöglicht, weil sie Freiheit ermöglicht, weil man Kindern einen selbstständigen und autonomen Schulweg ermöglichen kann, also lauter Dinge, die wirklich wichtig für unser Zusammenleben sind. Dafür braucht aber es die richtigen Rahmenbedingungen – genau die schaffen wir mit dieser umfassenden Novel­le. Wir holen die Verkehrsregeln ins 21. Jahrhundert, und das ist gut so, und ich bin froh und dankbar, dass das in dieser Regierungskoalition gelungen ist. (Beifall bei den Grü­nen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich möchte Ihnen vorab nur ein Beispiel für den grundlegenden Zugang geben: Wir haben gerade beim zentralen Paragrafen für das Zufußgehen, das ist § 76, mehrere Änderungen vorgesehen. Dieser ist seit der Stammfassung der StVO de facto unverän­dert geblieben; diese Novelle passt die Rechte und Pflichten von Fußgängerinnen und Fußgängern zum allerersten Mal seit den Sechzigerjahren an die Bedeutung dieser grundlegenden Mobilitätsform an.

Falls jetzt irgendjemand fragt, warum man das überhaupt macht: Jeder und jede von uns ist Fußgänger oder Fußgängerin im Verkehrssystem. Das heißt, das ist wirklich die grundlegendste Art und Weise, sich fortzubewegen, und dementsprechend gehört das auch wirklich dem 21. Jahrhundert angepasst und in der StVO entsprechend verankert.

Das ist der rote Faden, der sich durch diese Novelle zieht: Wer sich klimafreundlich aktiv fortbewegt, der soll nicht hinter dem Kfz-Verkehr zurückstecken müssen. Wir wollen eine Verkehrskultur der gegenseitigen Rücksichtnahme, des Aufeinanderschauens, wollen aber mit der Novelle gleichzeitig sicherstellen, dass die Änderungen auf lokaler Ebene in der Verkehrsorganisation auch praktisch gelebt werden können, wie etwa durch die Aufklärung der Verkehrsteilnehmenden, durch die Kontrolle der Regeln, aber auch durch die Möglichkeit der lokalen Entscheidung, ob und inwiefern Ampelschaltungen geändert werden müssen, damit die Bedürfnisse von FußgängerInnen besser berücksichtigt wer­den, um nach kurzer Wartezeit und ohne Eile über die Straße gehen zu können.

Ich möchte kurz noch auf die Änderungen in beiden Bereichen zu sprechen kommen, nämlich in puncto Zufußgehen und Radfahren, damit alle Fraktionen, damit wir über die Substanz dieser Novelle auf Basis einer fundierten Einschätzung diskutieren können.

Beim Zufußgehen geht es vor allem um mehr Raum und mehr Sicherheit. Wir schaffen mit dieser Novelle erstmals einen Zustand, der dafür sorgt, dass die Fußgängerinnen und Fußgänger so etwas wie Vorrang auf den Gehwegen haben, wenn Fahrzeuge diese queren, und dass diese Gehwege auch von Hindernissen freizuhalten sind. Da geht es also schlicht und ergreifend um eine eigentlich recht banale Feststellung, nämlich dass der Platz, der den Fußgängerinnen und Fußgängern zusteht, der Gehsteig, auch tat­sächlich den Fußgängerinnen und Fußgängern zur Verfügung steht. Das verringert Bar­rieren für Menschen, die im Rollstuhl, mit dem Rollator, mit dem Kinderwagen unterwegs sind, ganz einfach für alle, die zu Fuß unterwegs sind. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zur Schulstraße, eine ganz wichtige Maßnahme rund um das Thema Schulweg: Die Schulstraße wird als eigenes Instrument in der StVO etabliert, damit Gemeinden dieses immer beliebter werdende Instrument gegen das allmorgendliche Verkehrschaos rund um die Schulen einfacher umsetzen können und die dort geltenden Regeln mit einem eigenen Schild auch bekannter gemacht werden können. Die Zielsetzung, Herr Abgeord­neter Margreiter, teilen wir natürlich vollinhaltlich, und wir haben auch eine Lösung für das von Ihnen im Antrag aufgeworfene Thema. Es ist mit dieser Novelle möglich, dass Behörden unter dem Titel der Anrainerverkehre zusätzliche Ausnahmen ermöglichen, auch in der Schulstraße.

Das ginge – um Ihren Fall aufzugreifen – für alle Menschen mit Behindertenausweis oder auch für einzelne betroffene Personen in dieser ganz konkreten Schulstraße. Wir haben also genau für dieses Anliegen in dieser Novelle auch eine Lösung, weil wir die Ziel­richtung natürlich vollinhaltlich teilen und das auch unterstützen.

Noch ganz kurz zum Thema Radfahren: Mehr als ein Viertel der Menschen in Österreich sind täglich oder mehrmals pro Woche mit dem Fahrrad unterwegs. Ich kann allen emp­fehlen, das einmal auszuprobieren. Mein Ziel ist es, dass das Radfahren für möglichst viele Menschen bequem wird, sicher wird. Radeln tut gut, ist gesund, ist gut fürs Klima. Deswegen haben auch alle Bundesländer in einer gemeinsamen Erklärung festgestellt, sie stehen hinter dem Ziel und werden die entsprechenden Maßnahmen setzen, um den Radverkehrsanteil in Österreich zu verdoppeln. Genau das unterstützen wir auch mit dieser Novelle.

Wir setzen Maßnahmen und Verbesserungen in allen Bereichen um. Radfahren zu zweit oder in der Gruppe wird sicherer und einfacher, insbesondere mit Kindern. Betreffend Überholabstand – Kollege Ottenschläger hat ihn vorhin schon erwähnt – gelten innerorts 1,5 Meter, außerorts gelten aufgrund der höheren Geschwindigkeit 2 Meter Sicherheits­abstand. Das ist eine klare, einfach zu merkende Regelung, die sich in Deutschland und auch in anderen Staaten in den letzten Jahren bewährt hat. Ich bin zuversichtlich: Auto­fahrerinnen und Autofahrer können sich gegenseitig mit gehörigem Abstand überholen, sie werden das auch bei Radfahrerinnen und Radfahrern schaffen. Wir haben da zusätz­lichen Sicherheitsabstand definiert, damit es für alle klar und verständlich ist.

Wir haben das Rechtsabbiegen bei Rot nach internationalen Vorbildern an ausgewähl­ten Kreuzungen vorgesehen – auch da: dort, wo es geboten ist, wo es sicher ist, wo es Sinn macht. Deswegen erstellt die Forschungsgesellschaft Straße-Schiene-Verkehr ak­tuell die Einsatzkriterien und macht Voruntersuchungen, ob eine Kreuzung für den Grün­pfeil geeignet ist.

Gleichzeitig ist die Rechtsgrundlage für das Rechtsabbiegen bei Rot für Autos hinfällig geworden – nicht weil ich mir das besonders gewünscht habe, sondern weil es in der Praxis schlicht gescheitert ist. Es fand sich keine Stadt, die das Projekt tatsächlich um­setzte. In Linz wurden zwar drei Kreuzungen präsentiert, im Mai 2019 ersuchte die Stadt Linz aber, dass das Projekt vorläufig ausgesetzt werden sollte. Da sich dann ein Jahr später nichts daran geändert hatte, hat das BMK im Mai 2020 einen Schlussstrich gezo­gen und das Projekt mangels Interesse formal beendet. (Abg. Hafenecker: Evaluiert ist es nie worden!) – Die Evaluierung der wissenschaftlichen Begleitstudie ist veröffentlicht, und zwar im VSF kompakt, Ausgabe 48, Forschungsband 84. Das empfehle ich allen zur Lektüre. Mangels Erfolg eingestellt – ich bin mir sicher, wir schaffen mit dieser Grund­lage beim Radfahren ein nachhaltigeres und erfolgreicheres Projekt. (Zwischenrufe der Abgeordneten Hafenecker und Schnabel.)

Abschließend: Zufußgehen, Radfahren sind wesentliche Bestandteile unseres Alltags, sie bringen ein Mehr an Lebensqualität, ein Mehr an Klimaschutz und sind auch noch praktisch. Genauso wichtig ist es aber, dass wir ein rücksichtsvolles, ein sicheres Mitein­ander aller Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer gewährleisten können. Mit dieser Novelle setzen wir dazu einen wichtigen Schritt. Deswegen danke ich allen, die diese Novelle heute unterstützen, und auch jenen, die sie in den letzten Monaten und Jahren ausgearbeitet haben, wirklich sehr, sehr herzlich. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Zum Schluss  weil ich mich vor 21 Uhr kein ein weiteres Mal zu Wort melden werde  darf ich an dieser Stelle noch ganz, ganz herzlich dem österreichischen Fußballnational­team der Frauen alles, alles Gute wünschen. Der Anpfiff zur Europameisterschaft ist um 21 Uhr. Erstmals in der Geschichte Österreichs wird eine Frauen-EM vollständig im ORF übertragen. Wir können heute leider nicht zuschauen, aber wir wünschen allen Frauen, die heute für Österreich laufen, alles Gute! (Allgemeiner Beifall.)

20.54

Präsident Ing. Norbert Hofer: Dem schließen sich alle an!

Zu Wort gemeldet ist nun Lukas Hammer. – Bitte, Herr Abgeordneter.