22.12

Abgeordneter Dr. Helmut Brandstätter (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Ich spreche gerne davon, dass wir in Österreich die glück­lichste Generation sind, die je hier gelebt hat. Das gilt natürlich für die, die hier geboren wurden, aber es gilt nicht für Menschen, die zugewandert sind, die flüchten mussten.

Ich habe, als ich ein Buch über Europa geschrieben habe, ein langes Gespräch mit Be­drana Ribo geführt. Wir sitzen hier nebeneinander, du (in Richtung Abg. Ribo) sitzt jetzt in der ersten Reihe. Ich habe vor dieser Rede auch noch mit Bedrana gesprochen, dass ich kurz darauf eingehen kann, weil ich glaube, dass es so wichtig ist, die persönlichen Erinnerungen wieder aufleben zu lassen und zu begreifen zu versuchen, was damals passiert ist, wenn in Travnik ein elfjähriges Mädchen von heute auf morgen weglaufen muss und dieses es nicht verstehen kann, weil sie mit ihren Freundinnen und Freunden nicht darüber gesprochen hat, welcher Religion jemand angehört oder was die Eltern sind. Das Einzige, was sie mir erzählt hat: Wenn ein katholisches Mädchen mit einem weißen Kleid gekommen ist, haben die anderen gesagt, sie möchten auch ein weißes Kleid haben – selbstverständlich. Aber dass Religionen einander bekämpfen, dass es diesen Hass gibt, können Kinder nicht begreifen, und ich kann es auch nicht begreifen. Wir wissen, dass es im Zuge der zehnjährigen Zerfallskriege im ehemaligen Jugoslawien zu schrecklichen Taten gekommen ist. Natürlich ist Srebrenica inzwischen als Genozid anerkannt.

Was mich traurig stimmt, ist, dass der Staat Serbien da schon ein großes Stück weiter war. Wir haben alle Briefe bekommen, dass wir uns jetzt nicht damit beschäftigen sollen. Ich habe aber auch mit dem früheren Präsidenten Tadić ein langes Gespräch geführt. Er hat mir damals gesagt, dass er selbst zu einer Entschuldigung aufgerufen hat, und es ist damals im Jahr 2010 im serbischen Parlament auch eine Entschuldigung verabschie­det worden. Das heißt, Serbien war schon weiter, als es heute der Fall ist, und auch darüber müssen wir sprechen.

Wir müssen darüber sprechen, dass man nach vorne blicken muss. Präsident Tadić hat mir auch gesagt: Natürlich ist es wichtig, jetzt die Gespräche mit der Europäischen Union zu führen, aber wir können einander nur selbst helfen. – Ich glaube, das ist auch ein Punkt. Eine meiner wenigen Hoffnungen ist Ryco, das Regional Youth Cooperation Office. Es gibt eine Organisation von jungen Menschen in allen Staaten des Westbal­kans, die versuchen, die Vergangenheit gemeinsam aufzuarbeiten, weil das, was oft stattfindet, ist, dass der eine Srebrenica sagt und der andere dagegen Jasenovac ruft; das ist ein kroatisches Konzentrationslager, in dem viele Serben vernichtet wurden. So kommen wir nicht weiter. Wir kommen nur weiter, wenn wir uns die Fakten ansehen.

Das Buch, das wahrscheinlich am besten schildert, was damals los war, heißt „Srebre­nica – Notizen aus der Hölle“ (das genannte Buch in die Höhe haltend) von Emir Suljagić; auch das ein unfassbares Schicksal eines ganz jungen Mannes, der nur das Glück hatte, Übersetzer für die UNO sein zu dürfen, und das war die Chance, warum er überlebt hat.

Natürlich müssen wir jetzt auch an das denken, was in der Ukraine passiert. Es passieren wieder Kriegsverbrechen. Ich glaube, das Wesentliche ist, es klar auszusprechen. Den Tätern von Srebrenica und anderen Verbrechern ist im Strafgerichtshof klargemacht worden, dass sie Verbrecher sind. Leider wird es noch immer nicht anerkannt, aber es zeigt, wie wesentlich es ist und dass auch die Verbrecher von heute wissen müssen, dass sie hoffentlich irgendwann einmal vor einem Strafrichter stehen werden. – Danke schön. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

22.15

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Laimer. – Bitte.