22.22

Abgeordnete Bedrana Ribo, MA (Grüne): Herr Präsident! (Die Rednerin stellt eine Tafel mit einer Schwarz-Weiß-Fotografie, die das Gesicht einer weinenden alten Frau zeigt, auf das Rednerpult.) Ich hoffe, man kann das Foto gut sehen. Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Manche Bilder sagen mehr als tausend Worte – das hier ist ein solches Foto. Bitte schaut es euch genau an. Ich glaube, das Leid ist sehr deutlich zu sehen. Es heißt Mother of Srebrenica, Mutter von Srebrenica.

Srebrenica ist eine kleine Stadt in Bosnien und Herzegowina, circa 550 Kilometer von der österreichischen Grenze entfernt. Vor 27 Jahren, am 11. Juli 1995, geschah in Sre­brenica das größte Verbrechen auf europäischem Boden nach dem Holocaust, ein Völ­kermord. Über 8 700 Männer, auch Kinder und Jugendliche, unschuldige Männer wur­den ermordet, und das nur, weil sie Bosniaken waren. Es geschah nicht einfach so, es war geplant.

In der UN-Schutzzone – und Srebrenica war damals eine UN-Schutzzone – suchten vie­le Tausend Menschen aus Srebrenica und den umliegenden Dörfern Schutz. Über 8 000 fanden dort aber den Tod. Genau dort trennte man die Männer von ihren Müttern, von ihren Frauen, von ihren Schwestern, man verschleppte sie mit Lkws, erschoss sie, ver­grub sie in Massengräbern, und dann wurden sie immer und immer wieder ausgegraben und wieder vergraben, damit das Kriegsverbrechen vertuscht wird.

Deswegen ist die Suche nach den Überresten von über tausend Menschen auch noch nicht abgeschlossen. Noch immer, 27 Jahre nach dem Genozid, suchen Mütter nach den Knochen ihrer Kinder. Und obwohl Europa nach den Verbrechen an den Juden im Zweiten Weltkrieg: Nie wieder!, sagte, geschah der Genozid in Srebrenica – in Europa, unter den Augen der Europäerinnen und Europäer.

Und nach Srebrenica hieß es wieder: Nie wieder!, und heute haben wir Krieg in der Ukraine – wieder in Europa, wieder vor unserer Haustür. Wenn die ukrainischen Mütter anfangen, nach den Knochen ihrer Kinder zu suchen, dann ist es zu spät. Diesmal muss Europa früher handeln. (Beifall bei Grünen, ÖVP, SPÖ und NEOS.)

Das österreichische Parlament macht mit der heutigen Resolution einen mutigen Schritt. Es ist nicht nur ein Stück Papier, es ist ein wichtiges und großes Symbol, und das in einer Zeit, in der wir sehen, was alles möglich ist.

Ich hoffe natürlich, dass noch viele weitere Parlamente – nicht nur in Europa, sondern weltweit – diesem Beispiel folgen werden. Ich danke euch allen, die ihr heute zustimmen werdet. Ein großes Danke gilt auch den Personen des Consilium Bosniacum, die heute hier auf der Galerie sitzen: Damir, Admir, Azra, Edib, Muamer und viele hinter euch: Ich danke euch für eure Hartnäckigkeit und für eure Unterstützung. (Beifall bei Grünen, ÖVP, SPÖ und NEOS.)

Ich habe meine Rede heute mit den Müttern von Srebrenica begonnen und möchte sie auch mit ihnen schließen. Über 570 Mütter sind bereits selbst verstorben, ohne ihre Kin­der gefunden zu haben. Die letzten Worte einer Mutter an Munira – Munira ist die Obfrau des Vereins Mütter von Srebrenica – waren:

„Munira, molim te nastavi, nemoj stati. Nisam našla moje sinove, a da sam našla makar jednu kost, umotala bih u najljepšu svilu.“

„Munira, bitte mach weiter, gib nicht auf. Ich habe meine Söhne nicht gefunden. Wenn ich wenigstens einen Knochen gefunden hätte, hätte ich diesen in die schönste Seide eingewickelt.“ – Danke. (Beifall bei Grünen, ÖVP, SPÖ und NEOS sowie bei Abgeordne­ten der FPÖ.)

22.27

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort ist dazu niemand mehr gemeldet. Die Debatte ist damit geschlossen.

Ich verlege die Abstimmung an das Ende der Verhandlungen über die Vorlagen des Außenpolitischen Ausschusses.