10.23

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Sehr geschätzte Damen und Herren! Wir behandeln jetzt ein Pflegepaket – vier Gesetzes­initiativen –, das verschiedene Punkte umfasst. Ich schicke gleich voraus, dass dieses Pflegepaket weder ein großer Wurf noch eine Pflegereform ist.

Es gibt einen Bereich, den wir unterstützen werden, das ist der Bereich des Bun­despflegegeldes. Die anderen Teile dieser Gesetzesinitiativen sind für uns aber weder nachhaltige noch langfristige Lösungen der Probleme. Das, was Sie hier heute vorlegen, ist nicht die große Reform und löst vor allem nicht die Problematik, dass wir bis 2030 76 000 zusätzliche Pflegekräfte in unserem Land brauchen.

Das, was hier vorgelegt wird, ist Stückwerk. Was nicht vorgelegt wird: Es gibt keinen Pflegegarantiefonds, der kostenlose Pflegeleistungen sichert. Es gibt keine nachhaltige Ausbildungsoffensive für Pflegeberufe. Was Sie schaffen, ist ein Ausbildungsbonus von 600 Euro im Monat, mit dem man nicht sozialversichert ist und der auch nicht ausreicht, um entsprechend davon leben zu können. Sie verbessern die Arbeitssituation für 158 000 betroffene Beschäftigte in Pflege- und Gesundheitsberufen nicht.

Dieses Paket löst auch nicht den Fachkräftemangel. Warum? – Wenn man den Fach­kräftemangel auch in diesem Bereich der Pflege lösen will, braucht es drei wesentliche Schwerpunkte. Das eine ist Einkommen, das versuchen Sie, einmal für zwei Jahre zu lösen; das Zweite sind bessere Arbeitsbedingungen, wobei Sie alle Anträge der SPÖ betreffend Lösung der Nachtschichtproblematik, Einführung einer Schwerarbeits­rege­lung für diese Menschen, die Pflege leisten und Dienst am Menschen tun, abgelehnt haben; und das Dritte, was das Paket auch nicht umfasst, ist Wertschätzung: Wert­schätzung für alle Menschen, die mit der Pflege befasst sind. (Beifall bei der SPÖ.)

Es geht auch um Wertschätzung für die pflegenden Angehörigen. Wir wissen, dass es rund 930 000 pflegende Angehörige in Österreich gibt, und Sie haben einen Pflege­bonus für nur 23 000 Menschen geplant, nämlich jene 23 000 Menschen, die ihren Job aufgegeben haben, damit sie zu Hause ihre Angehörigen pflegen können, und diese planen Sie, mit 4 Euro pro Tag abzuspeisen. 4 Euro pro Tag für jemanden, der zu Hause die Pflege übernimmt: Wissen Sie, was 4 Euro pro Tag entspricht? – Das ist laut heutiger Abfrage 1 Kilo Brot beim Bäcker. 1 Kilo Brot pro Tag für jene Menschen, die ihre Familienangehörigen zu Hause pflegen – das ist ein Almosen, das ist zu wenig!

Ihr habt jetzt Wochen gebraucht, um – aufgrund unserer Kritik, aufgrund unserer Dis­kussion – draufzukommen, dass das nicht gut ist, dass das zu wenig ist, dass das ein Almosen ist. Weil die pflegenden Angehörigen etwas anderes brauchen: Die pflegenden Angehörigen brauchen mehr Angebot an Tageszentren. (Beifall bei der SPÖ.)

Die pflegenden Angehörigen brauchen mehr Angebot an mobilen Diensten. Die pfle­genden Angehörigen brauchen ein Angebot, das es ihnen ermöglicht, wenigstens für ein paar Stunden am Tag etwas anderes zu tun, ein Angebot, mit dem sie entlastet werden – nicht abgespeist.

Heute Nacht haben Sie uns einen Abänderungsantrag übermittelt, in dem drinnen steht, der Pflegebonus kommt, er wird heute beschlossen. Auf Seite 4 in der Begründung findet sich eine Zeile: „Korrektur von Redaktionsversehen“. Das heißt, ihr habt euch seit Wochen, seit Monaten verschaut und nicht gemerkt, dass da etwas Falsches drinnen steht, was niemand will, weil es einfach zu wenig ist. Das ist Chaos pur (Abg. Heinisch-Hosek: Ja!), das ist Husch-Pfusch, und das geht in dieser Regierung so weiter. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn ihr, lieber August Wöginger, diesen Pflegebonus jetzt neu verhandelt, dann macht es doch bitte wirklich gescheit. Schaut in das Burgenland (Abg. Maurer: Geh bitte! – Abg. Wöginger: Ja genau! Verstaatlichung!), wo es eine Anstellung der pflegenden Angehörigen gibt, wo die Leute sozialversichert sind und ein Einkommen bekommen, aber speist sie nicht wieder mit 4 Euro am Tag ab! Da hilft es auch nichts, wenn ihr jetzt plant, dass ihr die Pensionistinnen und Pensionisten mitaufnehmt. Ihr lasst ja wieder einen Teil zurück, nämlich jene Menschen, die von Vollzeit auf Teilzeit gegangen sind, damit sie zu Hause ihre Angehörigen pflegen können. (Abg. Heinisch-Hosek: Frauen!) Das sind überwiegend Frauen, und die lasst ihr mit diesen Gedanken wieder übrig. (Abg. Wöginger: Das ist ja nicht wahr! Das stimmt ja gar nicht!) Wenn ihr es schon neu macht, dann macht es wirklich gescheit, macht es besser (Abg. Wöginger: Das stimmt gar nicht, was du da sagst!) und nicht mit Almosen von 4 Euro brutto pro Tag, gleich viel, wie 1 Kilo Brot kostet. (Beifall bei der SPÖ.)

Abschließend: Dieses Paket, das heute hier von den Regierungsparteien vorgetragen, eingebracht und beschlossen werden soll, bringt keine Strukturreformen, weder im Ausbau der Pflege noch in der Nachhaltigkeit. Das bringt keine Wertschätzung gegen­über dem Personal, den 158 000 Beschäftigten, weil weder die Schwere der Arbeit anerkannt, noch die Einkommen langfristig gesichert werden.

Es ist keine nachhaltige, gesicherte Finanzierung, wenn ihr jetzt sagt: Für zwei Jahre geben wir einfach den Ländern Geld (Abg. Wöginger: Ja!), löst das dann, wie ihr es macht, aber macht es ganz einfach! Was danach ist, darüber müssen wir irgendwann einmal später ein bissl reden – beim Finanzausgleich! (Abg. Wöginger: Finanz­aus­gleich, lieber Freund!) – Ja, super, später!

Das ist nicht nachhaltig (Abg. Wöginger: Finanzausgleich! – Abg. Steinacker: ... Finanz­ausgleich!) und es gibt keine Anerkennung der über 900 000 pflegenden Angehörigen. Eine Pflegereform schaut anders aus. (Abg. Obernosterer: ... schlechtreden! Nur schlechtreden!) Das, was ihr hier macht, ist ein Stückwerk, das ist ein Beweis dafür, dass das Chaos nach der Pandemie, nach der Teuerung jetzt auch in der Pflege fortgesetzt wird, und es löst nicht das Problem, dass wir 76 000 zusätzliche Arbeitskräfte brauchen. Bitte, beendet dieses Chaos, macht den Weg frei für Neuwahlen! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Obernosterer: ... besser machen, nicht?)

10.30

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Klubobfrau Sigrid Maurer. – Bitte sehr.