14.38

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Herr Präsident! Geschätzte Abgeordnete! Der nicht ganz einfache Versuch einer Zusammenfassung, wo wir nach zweieinhalb Jahren Pandemie stehen: Es ist von Abgeordnetem Smolle dargestellt worden, wie sich die Situation zu Beginn entwickelt hat – völlig andere Voraussetzungen, anderer Typ, niemand hat Bescheid gewusst, es gab keine wissenschaftliche Evidenz. Es mussten damals auch – und das ist überall passiert – Entscheidungen auf Basis einer sehr dürftigen Erkenntnislage getroffen wer­den.

Diese hat sich dann sukzessive verbessert, in manchen Bereichen jedoch bis heute nicht. Ich darf Sie daran erinnern, dass wir im Bereich Long Covid nach wie vor eine äußerst dürftige Informations- und Datenlage haben. Da wird noch viel Forschungsarbeit notwendig sein, um eine Einordnung vornehmen zu können.

Ich darf Sie daran erinnern, dass sich im Bereich Long Covid die Einschätzungen, wie viele Menschen davon betroffen sind, zwischen 3 Prozent – das sind die niedrigsten Schätzungen – und, in einer Studie in Großbritannien, etwa 40 Prozent – was unwahr­scheinlich ist – bewegen. Jedenfalls dürfte der Anteil aktuell bei 10 Prozent liegen, und das sind bitte nicht vernachlässigbare Zahlen, weil davon eine Vielzahl von Menschen auch in unserem Land betroffen sind.

Es wurden dann Maßnahmen gesetzt. Es ist der Krisenmodus in der einen oder anderen Form angewendet worden, mit einschneidenden Maßnahmen – mit Lockdowns, mit Ausgangsbeschränkungen und Ähnlichem mehr –, und zu Beginn einer Hochphase und damals mit einem anderen Typ der Pandemie ist dann die Impfpflicht eingeführt worden, in der Absicht, damit einen besseren Schutz der Gesamtbevölkerung zustande zu bekommen – wie gesagt, unter völlig anderen Voraussetzungen.

Das hat sich jetzt massiv geändert, dies ist dargelegt worden, und wir haben uns entlang der Empfehlung der Impfpflichtkommission auch daran gehalten, was möglich ist – und ich sage es jetzt noch einmal: Eine Impfpflicht kann nicht einfach aus der hohlen Hand heraus umgesetzt werden. Sie muss verhältnismäßig sein (Abg. Belakowitsch: Das war sie aber nicht!) und sie muss durch die Verfassung abgedeckt sein. Das war sie nicht, zwei Mal nicht, und die Empfehlung der Impfpflichtkommission hat das dann auch so bestätigt und dargelegt. Alles andere wäre ein Verfassungsbruch gewesen und hätte zu Schwierigkeiten vor dem Verfassungsgerichtshof geführt.

So, nun sind wir zur Entscheidung gekommen, etwas, das nicht funktioniert, in der Form jetzt nicht verhältnismäßig ist, gänzlich abzuschaffen und darauf zu setzen, dass sich die Menschen freiwillig auffrischen lassen – und dabei bleibe ich. Ich weiß, es gibt auch andere Einschätzungen hier im Haus, aber die Impfung ist ein Instrument, das uns hilft, schwere Verläufe zu bekämpfen, und ich ersuche dringend, da nicht eine andere Pro­paganda zu betreiben, weil Sie damit Menschen verunsichern, nämlich auch in Bezug auf Impfungen – sie sind von Frau Abgeordneter Heinisch-Hosek angesprochen wor­den –, die wir auch ganz dringend brauchen. Wir brauchen die Zustimmung zur Impfung und die Bereitschaft, sich impfen zu lassen, auch gegen andere Krankheiten wie Masern, Mumps und Röteln, und es kann nicht sein, dass die Impfung, die eine Errungenschaft der Wissenschaft ist, die uns über Jahrzehnte geholfen hat, so zu leben, wie wir heute leben, in Misskredit gebracht wird und per se verteufelt wird. Das ist wissenschaftlich unzulässig, gesellschaftspolitisch gefährlich und gesundheitspolitisch unverantwortlich. (Beifall bei Abgeordneten von Grünen und ÖVP sowie der Abg. Meinl-Reisinger.)

Wie gehen wir weiter vor? – Kollege Kucher, ich kann schon verstehen, man kann sich auch über Variantenpläne lustig machen, aber hätten wir es so gemacht, dass wir uns auf eine einzige Virusvariante festgelegt hätten, das wäre Würfeln gewesen und das wäre eine Vorwegnahme einer Entscheidung gewesen, weil Sie eben nicht wissen, was wir im Herbst zu gewärtigen haben.

Es ist nur seriös – und entlang der Wissenschaft auch so empfohlen –, sich zu über­legen: Was kann denn da sein? Das machen alle europäischen Staaten so – wir auch! (Zwischenruf des Abg. Kucher.) Wir auch (Beifall des Abg. Jakob Schwarz), und wir haben jede Virusvariante mit Maßnahmen hinterlegt, mit einem Instrumentenkoffer hin­terlegt – das liegt vor.

Wir tun seit Wochen nichts anderes als das von Ihnen Eingeforderte, nämlich zu evalu­ieren: Was hat funktioniert, was hat nicht funktioniert?, zu vergleichen: Was hat in europäischen Ländern funktioniert, was hat nicht funktioniert?, und darauf hinzu­schau­en, wie wir in der jetzigen Phase der Pandemie zwei Dinge tun können, nämlich die Vulnerablen schützen – das ist nach wie vor unsere Aufgabe – und gleichzeitig Wirt­schaften, Leben, gesellschaftliches Leben breitestmöglich sicherstellen.

Ich sage Ihnen eines: Es wird auch darum gehen, bestimmte Maßnahmen überhaupt nicht mehr Platz greifen zu lassen. Ich persönlich halte Schulschließungen für ein voll­kommen untaugliches Mittel, eine Pandemie zu bekämpfen, weil damit Kollateral­schä­den angerichtet werden, die ihresgleichen suchen. Die sind untauglich, das hat sich gezeigt! Da sind auch bei Kindern und Jugendlichen Bildungsdefizite generiert worden, die nicht mehr aufgeholt werden können, jedenfalls nicht von Kindern, deren Eltern nicht die finanziellen Möglichkeiten haben, sich Nachhilfe am privaten Markt zu organisieren.

Das heißt im Klartext: Schulschließungen vermeiden!, es heißt aber auch, wenn es dann notwendig sein wird, möglicherweise wieder Maskenpflicht zu verordnen, wenn halt die Infektionszahlen ansteigen, wie Sie sehen. Diese Balance zu halten und zu wahren, das heißt, ein Leben mit Covid zu ermöglichen, bei Vorsicht auf der einen Seite und einer ausgewogenen Gestaltung des Lebens auf der anderen Seite, das ist die Kunst.

Ich weiß schon, es hätten viele gern eine genaue Planbarkeit, einen Fahrplan, einen Raster: wann, bei welchen Zahlen, macht man wo was. – Das geht sich nicht aus, weil erstens die Verteilung regional unterschiedlich ist und sich auch die Verläufe ändern. Wir sind ja auch jetzt mit der Situation konfrontiert, dass die nächste Welle, von der alle gesagt haben, sie kommt im Herbst, jetzt früher da ist. Da haben sich einfach die Pro­gnosen und die Realitäten geändert. Das Virus hält sich also nicht an Pläne, das ist so. (Zwischenruf des Abg. Kucher.)

Mein Bemühen ist es jedenfalls, da in Ausgewogenheit beide Seiten zu berücksichtigen: Vorsicht auf der einen Seite und ein Leben mit Covid auf der anderen Seite. Das ist der Weg, den auch andere europäische Staaten zu gehen versuchen; weltweit nennt sich das dann Living with Covid. Das werden wir lernen müssen, das heißt aber auch – ich bin ja viel gescholten worden für das Wort Eigenverantwortung, das werde ich so vielleicht nicht mehr in den Mund nehmen –, natürlich wird es darauf ankommen, auch die Menschen mitzunehmen und klarzumachen: Man kann nicht alles staatlich verord­nen, nicht in der Sekunde. – In diesem Spannungsfeld, glaube ich, werden wir uns be­wegen.

Es wird dazu jetzt der Variantenplan finalisiert und vorgelegt werden, auch von der Bundesregierung beschlossen werden, und ich bin der Auffassung, da befinden wir uns dann mittlerweile schon auf einem guten und vertretbaren Weg. – Danke. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

14.46

Präsident Ing. Norbert Hofer: Nächster Redner ist Mag. Gerald Hauser. – Bitte, Herr Abgeordneter.