15.21

Bundesminister für Inneres Mag. Gerhard Karner: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Staatssekretärin! Geschätzte Damen und Herren Abgeordnete! Ich freue mich, dass ich heute hier die Gelegenheit habe, einige Dinge klarzustellen.

Herr Abgeordneter Amesbauer, Sie haben in vielen Punkten richtige Dinge ange­sprochen, wenn auch auf eine durchaus polemische Art, wie Sie das auch im Innenausschuss getan haben. Ich möchte nur zwei Dinge korrigieren: Ich fühle mich nicht ins Parlament zitiert – ich war selbst 18 Jahre Parlamentarier –, ich fühle mich ins Parlament ein­geladen, um dem Hohen Haus, den Damen und Herren Abgeordneten, einige Dinge auch von meiner Seite darzulegen. Das Zweite: Ich war beim türkischen Innenminister Soylu, um einige wichtige Punkte zu besprechen; darauf komme ich später zurück.

Vor knapp vier Wochen habe ich den Schlepperbericht präsentiert, und es waren leider – leider! – eindrucksvolle Zahlen (Abg. Belakowitsch: ... nicht eindrucksvoll!), die wir präsentieren mussten, nämlich dass die organisierte Schlepperkriminalität im Jahr 2021 dramatisch zugenommen hat: Die Zahl der aufgegriffenen Schlepper hat sich von 311 auf 441 erhöht, das ist eine Steigerung von 40 Prozent.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Die Schlepperei ist einer der lukrativsten Zweige der organisierten Kriminalität. Manche Experten meinen, dass in der organisierten Kriminalität über den Bereich der Schlepperei mittlerweile mehr Geld gemacht wird als über den Bereich des Drogenhandels. Damit geht einher, da besteht ja eine Verbindung, dass zumindest die Hälfte der Personen, die einen Asylantrag stellen – zumindest so viele sind nachgewiesen –, über Schlepper nach Österreich gekommen sind. Die Experten schätzen, dass 70 bis 80 Prozent aller Asylwerber über Schlepper nach Österreich gekommen sind.

Wir haben im letzten Jahr fast 40 000 Asylanträge zu verzeichnen gehabt. Ich möchte nur einige Beispiele bringen, weil sie auch die Erfolge unserer Polizei zeigen – ich bitte, darauf immer wieder hinzuweisen, Herr Abgeordneter Amesbauer. (Abg. Amesbauer: Habe ich ja gemacht!) Sie sagen zu Recht, die Polizei leiste exzellente Arbeit an der Grenze – aber nicht nur die Polizei, auch die Kriminalpolizei, und zwar auch in der internationalen Zusammenarbeit. So wurde zum Beispiel Mitte Mai ein 29-jähriger Rumäne festgenommen – ein sehr heftiger Fall, das war jener Rumäne, der vor einigen Jahren zum Beispiel auch aus dem Landesgericht Sankt Pölten geflohen ist. Über 36 000 Personen wurden über diesen Schlepperboss geschleppt – 36 000 geschleppte Personen! –, 152 Millionen Euro. Es kostete über eineinhalb Jahre an akribischer inter­nationaler kriminalpolizeilicher Kleinarbeit, damit so etwas aufgedeckt werden konnte. Über 200 Schlepper sind bei diesem großen Fang ins Netz gegangen.

Oder der Fall auf der Ost-Autobahn, vor wenigen Wochen in Schwechat, als vier Asyl­werber aus Marokko und Tunesien auf der Unterseite eines Lastwagens geschleppt wur­den oder sich geschleppt haben: Einer dieser jungen Männer, 19 Jahre alt, wollte bei Schwechat den Lastwagen verlassen, wurde dabei überfahren und ist zu Tode gekommen. Den Schleppern sind die Menschenleben egal, das ist eine der brutalsten mafiosen Orga­nisationen, die es gibt.

Oder – vor wenigen Tagen –: 36 Marokkaner, die nach Österreich geschleppt wurden, und ein Grazer mit marokkanischem Hintergrund hat das durchgeführt.

Akribische Kleinarbeit, höchst erfolgreich: Es geht darum, wie diese Schlepperbanden agieren.

Faktum ist auch – auch darauf weise ich immer wieder hin –, dass der Angriffskrieg Putins auf die Ukraine letztendlich Auswirkungen auf das Schleppergeschäft hat. Ich muss das auch klar sagen und verdeutlichen. Warum? – Weil Schlepperbanden, weil Schlepperbosse mittlerweile damit Werbung machen, dass Europa und eben auch Österreich, wo die Richtlinie über den temporären Schutz für die ukrainischen Staats­bürgerinnen und Staatsbürger – überwiegend Staatsbürgerinnen – gilt, offen wären: Du kannst sofort arbeiten, du hast die Möglichkeit, ins Sozialsystem, ins Bildungssystem zu kommen. (Abg. Belakowitsch: Ja, und wer hat davor gewarnt?) Mit dieser Sache wird bewusst brutales Marketing gemacht.

Ja, daher haben wir die Überwachungen verstärkt, auch die Grenzkontrollen verstärkt: zu Ungarn, zu Slowenien. Wir sind dafür in Kritik geraten, dass wir weiterhin Bin­nen­grenzkontrollen durchgeführt haben, aber wir haben im Schreiben an die Kommission klar gesagt: Ja, es ist notwendig, dass wir Richtung Slowenien, Richtung Ungarn auch in Zukunft Grenzkontrollen durchführen. (Beifall bei der ÖVP.)

Mit Anfang Mai haben wir dann auch „Die Aktion scharf ist eine Aktion gerecht“ gestartet. Warum Aktion scharf als Aktion gerecht? – Scharf gegenüber jenen, die dieses System missbrauchen, damit jenen geholfen werden kann, die unsere Hilfe brauchen – da denke ich an die Geflohenen und Vertriebenen aus der Ukraine. Im Rahmen dieser Schwer­punktaktionen sind bereits im ersten Halbjahr 279 Schlepper in Österreich festgenom­men worden – eine 30-prozentige Steigerung in den ersten Monaten dieses Jahres. Das sind die Hintermänner, die dafür verantwortlich sind, dass Menschen zu uns kommen.

Ja, auch das sei deutlich angesprochen: Es werden durch diese verstärkten Kontrollen mehr Schlepper aufgegriffen, aber mehr Kontrollen bedeuten auch einen Anstieg von Aufgriffen an illegalen Migranten, ein Mehr an Asylanträgen. Das heißt, je mehr Kon­trollen, je mehr Aufgriffe es gibt, desto mehr Asylanträge gibt es letztendlich. Das ist akribische Kleinarbeit, ich habe es gesagt, aber es führt auch dazu (Abg. Belakowitsch: Welche Logik Sie da haben!), dass unser System entsprechend belastet wird.

Was auch zu bemerken ist, gerade in den letzten Wochen, in den ersten Monaten dieses Jahres: dass zunehmend Asylanträge von Personen aus Ländern gestellt werden, für die praktisch keine Chance auf Asyl besteht; von Menschen, die aus wirtschaftlichen Gründen ihr Land verlassen wollen, was aber nichts mit dem Asylsystem zu tun hat, oder die letztlich auf das Marketing der Schlepper hereinfallen. So ist die Zahl der Asylanträge von Personen aus Tunesien um 2 000 Prozent gestiegen, und es betrifft auch Menschen aus Pakistan, der Türkei sowie Indien.

Wir haben in den ersten fünf Monaten dieses Jahres fast 22 000 Asylanträge gehabt, und es sind mit Juni – geschätzt – fast 31 000 Asylanträge; das ist eine Steigerung von 185 Prozent gegenüber dem Vorjahr. (Abg. Belakowitsch: Ende des Sommers haben wir 50 000!)

Ja, das sind die Fakten, über die soll man reden, über die muss man reden (Abg. Belakowitsch: Nein, da muss man gar nicht reden! Reden ist zu wenig!), und da müssen wir auch konsequente Maßnahmen setzen  was wir auch tun! (Beifall bei der ÖVP.)

Noch einige Zahlen, es kommen ja dann in der Anfragebeantwortung noch sehr viele Zahlen: Gleichzeitig haben heuer, in diesen ersten sechs Monaten, bereits fast 7 600 Asyl­antragsteller ihr Verfahren zurückgezogen, zurückgelegt, wenn Sie so wollen; sie sind weitergereist oder zurück in ihre Heimat gereist. Das ist eine Steigerung von über 300 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum des letzten Jahres.

Was heißt das? – Es ist ein klares Indiz dafür, dass da eine große Zahl an sogenannten Wirtschaftsmigranten unterwegs ist, weil sie in die sogenannten Schnellverfahren, in die sogenannten beschleunigten Verfahren kommen. Das sind Menschen, die kaum eine Chance auf Asyl haben. Es gibt die Schnellverfahren, beschleunigten Verfahren, einerseits innerhalb von 72 Stunden beziehungsweise 24 Tagen, und es sind eben sehr viele, die sich, sobald sie merken, sie sind im Schnellverfahren, dem Schutz freiwillig entziehen und letztendlich weiterreisen oder in ihre Heimat zurückreisen.

An dieser Stelle möchte ich, weil ich diese Zahlen genannt habe, auch die Gelegenheit nutzen und zu einem Thema, das auf europäischer Ebene immer wieder oder manchmal beim Europäischen Rat diskutiert wird, Stellung beziehen, nämlich zu dem Thema Flüchtlingsquoten, Verteilungsquoten.

Warum habe ich als Innenminister von Österreich eine klar ablehnende Haltung? – Aus zweierlei Hinsicht, und ich darf das klar begründen:

Erstens – ich habe die Zahlen genannt –: Österreich, und das ist völlig richtig, hat im letzten Jahr die zweithöchste Zahl an Asylanträgen zu verzeichnen gehabt. Das ist der erste wesentliche Grund. Das heißt, wenn Sie so wollen, Österreich hat die Quote mehr als deutlich übererfüllt.

Zweitens – und das ist meines Erachtens das noch viel ursächlichere Signal – ist das eine Aufforderung an die Schlepper, Menschen anzuwerben, dass sie sich auf den Weg machen, um letztendlich gerettet zu werden, weil Europa ohnehin die Flüchtlinge über Quoten verteilt. Das wäre ein völlig, völlig falsches Signal, und daher bin ich sehr klar und konsequent und werde auch weiterhin klar gegen diese Quoten auftreten. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Amesbauer: Da gebe ich Ihnen recht!)

Jetzt darf ich einige Punkte zu den Maßnahmen erläutern, und dann bei der Beant­wortung der Anfragen auch noch einige weitere. Ich möchte das auf folgende Bereiche festlegen – ich nehme das immer zusammen, weil ich es für so wichtig halte –: Kampf gegen Schlepperei und Kampf gegen illegale, irreguläre Migration. Nachgewiesen: 50 Prozent der illegalen Asylanträge erfolgen über die Schlepperei. Das ist nachge­wiesen! Die Schätzungen der Experten liegen bei 80 Prozent. Daher sind dieser Kampf gegen die Schlepperei und die internationale polizeiliche Zusammenarbeit so essenziell.

Daher zu den Maßnahmen, zu den ersten Maßnahmen, die wir gesetzt haben: wie schon erwähnt Aktion scharf als Aktion gerecht mit Anfang Mai; jetzt: ein wesentlicher Fokus auf die Außengrenzen der EU und den Bereich Nordafrika. Daher war und ist es not­wendig, dass wir auch mit diesen Staaten entsprechend bilaterale Gespräche führen, daher war ich in den letzten Tagen auch in Ägypten – einem zentralen Land in Nordafrika, wenn Sie so wollen, einem Ankerland oder letztendlich auch Transitland. Dort brauchen wir eine vernünftige Gesprächsbasis. Wir haben eine klare polizeiliche Zusammenarbeit vereinbart und auch begonnen, darüber zu reden – was es bisher nicht gab –, mit Ägypten ein Rückübernahmeabkommen zu verhandeln. Es ist eben wichtig, mit diesen Ländern, Nordafrika und dort gerade Ägypten, Gespräche zu führen.

Zweitens: Türkei. Ich habe wie gesagt – vielleicht haben Sie das nicht ganz richtig nachgelesen, Herr Abgeordneter – den türkischen Innenminister getroffen und mit ihm auch das Thema polizeiliche Zusammenarbeit, Schlepperei in erster Linie, besprochen, weil wir gerade in dieser Region – da wir viele Asylanträge aus der Türkei selbst, aber auch aus Pakistan oder Iran haben – eine Ankerregion oder ein Ankerland brauchen, und das ist die Türkei als Gesprächspartner. Wir haben als Ziel vereinbart, dass wir uns halbjährlich über die polizeiliche Zusammenarbeit, aber auch den Kampf gegen Terrorismus und Extremismus austauschen.

Ebenfalls mit Blick auf diese Länder habe ich gesagt, Schlepper machen brutalstes Marketing, ein brutales Marketing, indem sie Menschen etwas vorgaukeln, was so nicht stimmt. Sie gaukeln ihnen die heile Welt vor: Sie brauchen nur 3 000 bis 5 000 Euro zu zahlen und sie werden in Europa arbeiten dürfen und eine schöne Wohnung haben. – Das stimmt nicht, und wir müssen da – und das tun wir über unterschiedlichste Medien, vor allem über den Social-Media-Bereich – auch entsprechend dagegenhalten, ihnen klarmachen, was sie erwartet, wenn sie sich in die Hand von Schleppern begeben, nämlich: dass ihnen droht, zu ertrinken, dass ihnen droht, zu ersticken, dass ihnen droht, überfahren zu werden. Das sind Dinge, die wir ihnen klarmachen müssen. Machen wir doch nicht das Geschäft der Schlepper, überlassen wir doch nicht den Schleppern die Deutungshoheit! Das ist ganz, ganz entscheidend, dass wir da dagegenhalten und die Menschen auch entsprechend informieren. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Der nächste Punkt ist die Kooperation mit Ungarn und den Staaten des Westbalkans. Ich halte die Zusammenarbeit mit Ungarn für extrem wichtig, auch die polizeiliche Zusammenarbeit. Wir haben derzeit knapp 40, aber wir werden bis Mitte Juli, spätestens Ende Juli 50 Polizistinnen und Polizisten an der ungarisch-serbischen Grenze haben, weil diese als EU-Außengrenze eine ganz wichtige Grenze ist. Dort wollen und müssen wir letztendlich zusammenarbeiten. Auch die technische Unterstützung ist mit den Ungarn vereinbart: Wärmebildkameras, Drohnen, Herzschlagdetektoren sind auch wich­tige Mittel im Kampf gegen die Schlepperei – viele von Ihnen kennen diese drama­tischen, furchtbaren Bilder, wie sich Flüchtlinge, Migranten in Lkws, in Lastwägen hinein­pferchen –, denn mit diesen Gerätschaften kann man die Menschen dort aufspüren, wo sie sich verstecken.

Insgesamt sind derzeit 100 Polizistinnen und Polizisten am Westbalkan im Einsatz. Ich hatte vor wenigen Wochen auch ein Arbeitsgespräch mit dem serbischen Innenminister, auch er ist ein wichtiger Partner im Kampf gegen die Schlepper, im Kampf gegen die illegale Migration.

Drittens komme ich – ich habe das schon gesagt – noch auf die österreichische Außen­grenze zu sprechen. Ja, es mögen für Sie nicht viele sein, trotzdem bin ich allen Kräften im Burgenland, dem Bundesheer, den Polizistinnen und Polizisten, sehr, sehr dankbar, dass sie dort an der Grenze sind, dass sie kontrollieren. 55 zusätzliche Kräfte wurden jetzt mit Anfang Juli zugeteilt, um den Schleppern klar zu signalisieren: Hier wird kon­trolliert, hier gibt es kein Durchkommen! Das sind wichtige Signale, die wir senden müssen.

Wir haben die gemischten Streifen mit der ungarischen Grenzpolizei  von 14 auf 19 erhöht. Das ist ganz, ganz wichtig, weil durch die gemischten Streifen auch in Ungarn selbst Aufgriffe erfolgen. Das heißt, diese Menschen kommen letztendlich dann nicht in unser System. Das ist ganz wichtige bilaterale Zusammenarbeit. Da nutzt es nichts, wenn wir uns gegenseitig etwas ausrichten, wir müssen zusammenarbeiten, inter­natio­nal, bilateral, damit wir den Kampf gegen die Schlepper effizient führen können. (Beifall bei der ÖVP.)

Das betrifft im Übrigen auch die slowakische Grenze. Der slowakische Innenminister war letzte Woche zu einem bilateralen Gespräch in Österreich, und wir haben ebenfalls das Thema gemischte Streifen angesprochen, wir haben das Thema Schleierfahndung an­gesprochen, weil ja Schlepper sofort darauf reagieren, wenn Routen strenger kontrolliert werden. Daher ist es notwendig, dass wir da auch ein entsprechendes Netz haben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Ja, wir werden diesen Kampf gegen Schlepper, gegen illegale, irreguläre Migration konsequent weiterführen und fortführen, weil es notwendig ist. Wenn Sie so wollen: eine Aktion scharf als Aktion gerecht – scharf gegenüber jenen, die dieses System ausnützen wollen, und gerecht gegenüber jenen, die letztendlich Unterstützung und Hilfe brauchen.

Ich werde daher auch am kommenden Montag bei dem informellen Treffen der Innen­minister in Prag einige Punkte, die ich für wichtig halte, aufs Tapet bringen. Zunächst einmal muss ich dem französischen Vorsitz sagen, dass da wirklich etwas weiter­gegangen ist. Die Richtlinie des temporären Schutzes ist innerhalb von wenigen Tagen einstimmig auf Innenministerebene beschlossen worden. Aber wir haben auch das Thema Screening, das heißt, Datenerfassung, Datenerfassung an den EU-Außen­grenzen, das Thema Eurodac, gemeinsame Datenbank, und auch den Schengenkodex Neu entsprechend beschlossen.

Was meine ich damit? – Den klaren Willen der europäischen Innenminister und Innen­ministerinnen – durchaus umstritten –, dass, wenn es notwendig ist, auch Binnengrenz­kontrollen zulässig sind. Dafür haben wir gekämpft und da haben wir uns auch durch­gesetzt, weil es einfach möglich sein muss, damit wir diesen europäischen Raum auch in Zukunft sicher gestalten können. (Beifall bei der ÖVP.)

Das sind Themen, die auf europäischer Innenministerebene weiter vorangetrieben wer­den müssen. Diese Themen – ich weise sehr oft darauf hin –, steigende Asylzahlen, steigende Schlepperei, steigende illegale Migration, betreffen Österreich ganz beson­ders, sind aber letztendlich im gesamteuropäischen Kontext wieder deutlich im Steigen begriffen, und daher müssen wir auf europäischer Ebene weiter Akzente setzen.

Thema robuster Außengrenzschutz: Da sind wir auf europäischer Ebene noch nicht so weit, wie wir sein sollten, da gebe ich Abgeordneten Amesbauer durchaus recht. Frontex, Frontex Neu, das ist etwas, da muss Verbesserung her.

Das Zweite ist die Diskussion über sogenannte Drittstaatverfahren. Da bin auch nicht ich allein, auch wenn ich dafür zum Teil kritisiert wurde, als ich gesagt habe – und da bitte ich, mich korrekt zu zitieren –, dass wir uns das Modell aus Großbritannien in Ruanda ansehen sollten, aber auch das Modell Dänemark, die gesagt haben: Führen wir doch Asylverfahren in Drittstaaten durch, damit sich Menschen eben nicht auf den Weg über das Mittelmeer machen, wo sie dann zu ertrinken drohen!

Daher ist es doch notwendig: Schauen wir uns doch diese Erfahrungen an! Es ist in Großbritannien schleppend angelaufen, wie man sieht, das ist richtig, trotzdem aber muss es doch möglich sein – was heißt möglich, es ist notwendig! –, dass wir auch über solche Dinge diskutieren, wie das auch die SPÖ Burgenland tut, nämlich Drittstaat­verfahren zu ermöglichen, damit Menschen nicht ertrinken, ersticken und überfahren werden. Ich halte das für ganz, ganz wichtig, damit wir da weiterkommen. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich kann auch einiges von dem unterstreichen – wie gesagt: nicht in der Polemik, aber durchaus im Inhalt –, was Kollege Amesbauer gesagt hat, nämlich zum europäischen Asylrecht: Da müssen wir auch einen Schritt weiter kommen. Es kann nicht sein, dass ein Binnenland der Europäischen Union wie Österreich die zweithöchste Anzahl an Asylanträgen pro Kopf hat (Abg. Amesbauer: Das kann es nicht sein!), daher brauchen wir neue Richtlinien auch auf europäischer Ebene. (Beifall und Bravoruf des Abg. Amesbauer.  Abg. Belakowitsch: Ja, was tun Sie dafür? Nicht: Wir brauchen!) Das ist richtig, daher wird es auch in diesem Bereich weitere Akzente geben müssen, und dafür werden wir auch kämpfen, weil es notwendig ist – weniger Polemik, mehr Inhalte, dann werden wir auch da etwas zusammenbringen. (Beifall bei der ÖVP sowie des Abg. Bürstmayr. – Abg. Belakowitsch: Wenn Sie jetzt noch handeln würden, dann wären wir ... auf der sicheren Seite, Herr Minister!)

Bevor ich zur Beantwortung der Fragen komme, nur noch eine Ergänzung, weil mir das wichtig ist, weil wir das gestern im Innenausschuss mit einer breiten Mehrheit auch beschlossen haben, nämlich die Erhöhung der Grundversorgung: In erster Linie betrifft das jene Organisationen, die Menschen unterstützen, die geflohen sind.

Wir haben derzeit 87 000 Menschen in der Grundversorgung, davon sind – es sind Circazahlen – circa 58 000 Menschen aus der Ukraine, die wir entsprechend versorgen, und es war eben notwendig, das anzupassen. Nach 2016 hat es jetzt wieder eine An­passung hinsichtlich der Unterstützung jener Organisationen gegeben, die diesen Men­schen  Vertriebenen, die vor Bomben geflohen sind! , vor allem Frauen und Kindern, in den letzten Wochen und Monaten so großartig geholfen haben, damit diesen Men­schen weiterhin geholfen werden kann.

Ich danke allen, die das getan haben und die das gestern entsprechend mitgetragen haben. (Beifall bei der ÖVP.)

Ich komme nun zur Beantwortung der Fragen.

Zur Frage 1:

Die derzeit sehr angespannte Situation an der ungarisch-serbischen Außengrenze ist bekannt, ich habe auch darauf hingewiesen. Im bilateralen Einsatz sind österreichische Exekutivbedienstete vor Ort, die laufend über die Situation berichten.

Das österreichische Kontingent wird bis 22. Juli 2022 auf rund 50 Exekutivbedienstete aufgestockt. Zusätzlich findet ein regelmäßiger Austausch mit der ungarischen Polizei­führung statt.

Zu den Fragen 2 und 3:

Ja, basierend auf den Erfahrungen aus den Jahren 2015 und 2016 wurden für eine mögliche und nunmehr neuerlich stattfindende Migrationswelle Maßnahmen evaluiert und angepasst. Unser Maßnahmenpaket zur verstärkten Bekämpfung der Schlepperei und der illegalen Migration sieht unter anderem drei Handlungsbereiche vor, wie ich sie auch skizziert hatte, nämlich: Außengrenze-EU, Nordafrika, Westbalkan, und natürlich auch die österreichische Außengrenze.

Zur Frage 4:

33 482.

Zur Frage 5:

Jänner bis Mai – vielleicht wundern Sie sich, aber ich darf das differenziert betrachten: Jänner bis Mai sind die Zahlen, die veröffentlicht sind, die Zahlen für Juni sind zum Teil eben noch Schätzungen, weil da noch die genauen Zahlen in die Statistik eingeführt werden müssen –: 21 810; im Juni rund 9 000.

Nach Nationalitäten im Zeitraum Jänner bis Mai: Afghanistan: 5 464; Syrien: 5 139; Tunesien: 2 173; Pakistan: 1 634; Türkei: 1 247; Indien: 1 194; Marokko: 1 092; Somalia: 576; Ukraine: 480; Sonstige: 2 811.

Zu den Fragen 6 bis 8:

2015: 78 537 originäre Anträge; 2016: 29 864 originäre Anträge; 2017: 11 926 originäre Anträge; 2018: 5 800 originäre Anträge; 2019: 6 237 originäre Anträge; 2020: 9 486 originäre Anträge; 2021: 32 376 originäre Anträge.

Von Jänner bis Mai 2022: 18 060 originäre Anträge; Juni 2022: rund 8 000 originäre Anträge.

Zu den Fragen 9 und 10:

Ich habe mehrmals darauf hingewiesen, dass wir uns in einer herausfordernden Situ­ation befinden, und da wir mit einer sehr hohen Asylantragszahl konfrontiert sind – rund 180-prozentige Steigerung zum Vorjahr –: Seriöse Einschätzungen sind jetzt, zur Jah­resmitte, nicht möglich.

Zur Frage 11:

Bis Mai: weiblich 3 183, männlich 18 627; im Juni: weiblich rund 1 000, männlich rund 8 000.

Zur Frage 12:

Bis Mai: 2 940; im Juni: rund 1 000.

Zur Frage 13:

Im Zeitraum Jänner bis Mai 2022: 6 075 Personen; im Juni: rund 1 500 Personen.

Zur Frage 14:

Bis Juni: 321 Personen.

Zur Frage 15:

Bis Juni: 712 Personen.

Zur Frage 16:

Im Zeitraum Jänner bis Juni 2022 erfolgten insgesamt 4 920 Außerlandesbringungen, davon 2 781 freiwillige und 2 139 zwangsweise Ausreisen.

Zur Frage 17:

Bis Juni 2022 wurden keine Personen nach Ungarn zurückgeschoben und 356 Per­sonen zurückgewiesen. Ich darf erwähnen, dass gegen Ungarn Vertragsver­letzungsver­fahren laufen und dass derzeit keine Rückübernahmen erfolgen.

Zur Frage 18:

Entsprechende Statistiken werden nicht geführt.

Zur Frage 19:

Gesamt: 14 747 nachgewiesene Fälle; Jänner: 1 654 nachgewiesene Fälle; Februar: 1 680 nachgewiesene Fälle; März: 1 885 nachgewiesene Fälle; April: 2 768 nachge­wiesene Fälle; Mai: 3 020 nachgewiesene Fälle; Juni: 3 740 nachgewiesene Fälle.

Zur Frage 20:

Österreich: 33 482; Burgenland: 19 344; Kärnten: 576; Niederösterreich: 3 560; Ober­österreich: 1 934; Salzburg: 1 378; Steiermark: 579; Tirol: 1 830; Vorarlberg: 576; Wien: 3 705.

Zur Frage 21:

Die top zehn Nationen machen insgesamt über 80 Prozent der Gesamtanzahl aus, weshalb ich diese nun vorlesen werde, nämlich die top zehn:

Afghanistan: 7 202; Syrien: 5 077; Tunesien: 4 069; Pakistan: 3 363; Indien: 2 303; Türkei: 2 091; Marokko: 1 733; Somalia 583; Ägypten: 571; Serbien: 416.

Zur Frage 22:

Jänner: 3 559; Februar: 3 368; März: 4 288; April: 5 255; Mai: 6 299; Juni: 10 713.

Zu den Fragen 23 und 24:

Sowohl illegal eingereiste als auch illegal aufhältige Fremde werden in der Statistik als aufgegriffene Illegale erfasst. Eine gesonderte Auswertung ist nicht möglich.

Zur Frage 25:

Gesamt bis heute: 279; Jänner: 33; Februar: 36; März: 22; April: 71; Mai: 56; Juni: 61.

Zur Frage 26:

Burgenland: 149; Kärnten: 7; Niederösterreich: 53; Oberösterreich: 23; Salzburg: 10; Steiermark: 10; Tirol: 8; Vorarlberg: 3; Wien: 16.

Zur Frage 27:

Es sind viele Länder, die top zehn werde ich verlesen. Syrien: 43; Türkei: 30; Afghanistan: 26; Ukraine: 25; Moldawien: 22; Nordmazedonien: 21; Österreich: 12; Rumänien: 11; Tunesien: 11; Bulgarien: 8.

Zur Frage 28:

279.

Zur Frage 29:

403.

Zur Frage 30:

Entsprechende Statistiken werden nicht geführt.

Zur Frage 31:

Die Maßnahmen zur Bekämpfung der Schlepperei und der illegalen Migration teilen sich im Wesentlichen in drei Handlungsbereiche: Außengrenze EU-Nordafrika, Westbalkan und Zusammenarbeit mit unseren Nachbarn sowie die österreichische Grenze. Aus­zugweise möchte ich noch die Errichtung einer Taskforce Außerlandesbringung, die JCP und die Informationskampagne Mythen über Migration anführen.

Nur wenn unterschiedlichste Maßnahmen zusammenwirken, können wir im Kampf ge­gen Schlepperei und illegale Migration bestehen.

Zu den Fragen 32 und 33:

Es werden laufend Initiativen gesetzt, um den Vollzug und das Fremdenrecht auf natio­naler und europäischer Ebene noch besser, effizienter und konsequenter zu gestalten, seien es die beschleunigten Verfahren, die Eurodac- oder die Screening-Verordnung.

Seit Amtsantritt der Bundesregierung im Jänner 2020 wurden insgesamt 13 Geset­zes­novellen im fremdenrechtlichen Bereich kundgemacht, davon sechs seit meinem Amts­antritt im Dezember letzten Jahres.

Zu den Fragen 34 bis 38:

Gemeinsam mit dem Bundesminister für europäische und internationale Angelegen­heiten werden beispielsweise mit den Staaten Indien, Kasachstan und Mongolei Ver­handlungen geführt. Auf EU-Ebene werden Verhandlungen beispielsweise mit Algerien, Marokko und Tunesien geführt, die ich selbstverständlich aktiv unterstütze. Verhand­lungen mit Ägypten haben wir aufgenommen und auch vereinbart.

Als Innenminister betone ich das Erfordernis einer funktionierenden Rückübernahme regelmäßig im Rat und gegenüber der Kommission, wobei Abkommen und Verein­ba­rungen hierfür eine wesentliche Grundlage darstellen.

Zur Frage 39:

Die Kooperation mit Herkunftsstaaten hinsichtlich Rückübernahme und im Besonderen zwangsweiser Rückkehr ist generell herausfordernd. Relevante Staaten, die die zwangs­weise Rückübernahme eigener Staatsangehöriger nicht akzeptieren, sind der Iran und der Irak.

Zur Frage 40:

Rückübernahmeabkommen sind keine Voraussetzung für die entsprechende Zusam­menarbeit, sie sind jedoch ein klares Zeichen eines Commitments. Ein Staat, der trotz bestehender EU-Vereinbarung mit Österreich nicht beziehungsweise mangelhaft koope­riert, ist aktuell Gambia. Österreich hat sich daher aktiv für den Einsatz des sogenannten EU-Visahebels, welcher gegenüber Gambia aktiviert wurde, eingesetzt.

Zu den Fragen 41 und 42:

Eine nachhaltige Rückkehrpolitik als zentrales Element einer gesamthaften, nachhal­tigen und glaubwürdigen Migrationspolitik fußt auf einer funktionierenden Rücküber­nahmekooperation mit den Herkunftsstaaten. Wesentlich ist, dass bei einer fehlenden Kooperation konkrete Schritte auf europäischer Ebene folgen, wie beispielsweise die aktive Kommunikation und schlussendlich die rasche Anwendung des Visahebels. Dafür setzen sich der Außenminister und ich sehr klar ein.

Zur Frage 43:

Zum Stichtag 30. Juni: 88 504 Personen; davon 17 192 Asylwerberinnen und Asyl­wer­ber; 2 021 Asylberechtigte; 7 684 subsidiär Schutzberechtigte und 61 607 sonstige Leis­tungsbezieher wie Personen mit Vertriebenenstatus beziehungsweise Geduldete. Von diesen 61 607 sind circa 57 000 Ukrainerinnen und Ukrainer.

Zu den Fragen 44 und 45:

39 732 Personen männlich, 48 762 Personen weiblich; bei den restlichen Leistungs­be­ziehern ist das Geschlecht nicht bekannt. 29 087 Leistungsbezieher sind minderjährig, davon 1 687 unbegleitete minderjährige Fremde.

Zur Frage 46:

18 611.

Zur Frage 47:

Bis Mai: 30 291; im Juni: rund 34 000.

Zur Frage 48:

Im Rahmen der Aktion scharf als Aktion gerecht wurden neben der Verstärkung der bundesweiten Ausgleichsmaßnahmen von Anfang Mai 2022 bis Ende Juni 2022 insge­samt 117 nationale Schwerpunktaktionen im Burgenland und 35 bilaterale Schwer­punktaktionen gemeinsam mit Ungarn durchgeführt. Das geschieht natürlich zusätzlich zu den laufenden Grenzkontrollen, den Schleierfahndungen und den Kontrollen im Hin­terland.

Zur Frage 49:

Bei jeder dieser Schwerpunktaktionen werden neben zusätzlichem Personal auch tech­nische Mittel wie Drohnen, Wärmebildkameras und Hubschrauber eingesetzt. Unterstützt werden diese Schwerpunktaktionen auch durch Kräfte aus den benachbarten Bun­desländern Wien, Niederösterreich und der Steiermark.

Zur Frage 50:

Meiner Meinung nach viele. Unter anderem haben allein die verstärkten gemeinsamen Streifen rund 1 400 Migranten in Ungarn angehalten. Darüber hinaus möchte ich erwäh­nen, dass Einschätzungen nicht Gegenstand des parlamentarischen Anfragerechts sind.

Zur Frage 51:

Einreiseverweigerung durch Deutschland 2021: gesamt rund 7 000; das beinhaltet auch Mehrfachzurückweisungen.

Zur Frage 52:

39 930.

Zur Frage 53:

Entsprechende Statistiken werden nicht geführt.

Zur Frage 54:

Bei der Wochenlage Migration handelt es sich um laufend zu adaptierende und nach­zuerfassende Daten aus den Meldungen der operativen Kräfte in den Bundesländern. Jede Veröffentlichung würde bedeuten, dass die kommunizierten Zahlen nicht mehr aktuell sind. Weiters setzen sich die operativen Daten für die Migrationslage auch aus Daten anderer Mitgliedstaaten zusammen, für die das BMI keine Erlaubnis zur Veröf­fentlichung hat.

Unsere öffentliche Asylstatistik wurde mit Anfang des Jahres überarbeitet und wird nun monatlich beziehungsweise quartalsweise als Detailstatistik veröffentlicht.

Zur Frage 55:

Zuerst darf ich auf meine Beantwortung zu den Fragen 2, 3 und 49 verweisen. Bereits mit 1. Juli 2022 wurden 55 Fremdkräfte zur Unterstützung der Landespolizeidirektion Burgenland von anderen Bundesländern dienstzugeteilt. Es findet eine laufende Evalu­ierung der Lage sowie der operativen Prozesse statt, um rasch auf neue Entwicklungen reagieren zu können.

Abschließend möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass es bei den Zahlen für Juni im weiteren Verlauf noch zu Bereinigungen kommen kann, weshalb ich diese getrennt dargestellt habe – ich habe nämlich Jänner bis Mai und den Juni separat ausgewiesen, damit ich, was meine Aufgabe ist, das Parlament ausführlich und korrekt informiere. – Vielen herzlichen Dank, meine Damen und Herren Abgeordnete. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Abg. Scherak: Das macht ja nicht jeder Minister, alle informieren ...!)

15.55

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Fürst. – Bitte.