16.18

Abgeordnete Dr. Stephanie Krisper (NEOS): Herr Präsident! Herr Minister! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Angst ist eine Emotion, mit der vonseiten der Politik gerne gearbeitet wird. Wenn die Fakten nicht mehr genug hergeben, um diese Gefühle zu befeuern, dann arbeitet man mit Unwahrheiten. Man benützt Unwahrheiten, um Emotionen zu schüren, stellt sich dann alleine hin und tut so, als ob man der einzige Retter wäre, und geht so auf Stimmenfang. Dafür muss leider gerade dieses sensible Thema Asyl und Migration schon lange herhalten, und zwar nicht nur vonseiten der FPÖ, sondern auch vonseiten der ÖVP.

Trennen wir einmal die Themen Asyl und Migration (Zwischenruf bei der FPÖ); es gibt ja oft das Gerede von der illegalen Migration, auch vonseiten des Herrn Ministers. Warum kann ein Mensch in Österreich sein? – Entweder als Asylwerber oder als Migrant. Asylwerber heißt, wir schauen uns an, ob jemand Schutz braucht. (Zwischenruf des Abg. Ries.) Braucht jemand Schutz, dann darf er bleiben, braucht er ihn nicht, dann ist er abzuschieben. Migration können wir steuern. Wer gut für unseren Arbeitsmarkt ist, den sollten wir holen, wen wir nicht brauchen können, dem sollten wir kein Visum erteilen.

Zu Asyl: Seit vielen Jahren wird da von ÖVP und FPÖ, die sich als Heilsbringer ins­zenieren, Angst geschürt. Warum? – Weil das ein billiges Erfolgsrezept ist. (Abg. Belakowitsch: Billig ist das nicht!  Zwischenruf des Abg. Amesbauer.) Ich erinnere nur an den Wahlkampf und das vermeintliche Schließen der Westbalkanroute – ver­meintlich, weil das ein unredliches, fiktives Versprechen war.

Bis heute aber machen FPÖ und ÖVP hier weiter. So meint die FPÖ heute in der Dringlichen Anfrage, Zitat: „Im ersten Jahresdrittel wurden 16.000 Ansuchen gestellt. [...] Im Vergleich zum Vorjahr beträgt das Plus 138 Prozent.“

Die Prozentzahl ist irreführend, Kollege Bürstmayr hat das schon ausgeführt. Warum?  Die Zahl für den Vergleich kommt natürlich aus dem Innenministerium, das diesen Ver­gleich auch angestellt hat, der unredlich ist, weil der Vergleich mit dem Vorjahr gezogen wird, als es strengste Restriktionen in der Reisebewegung und dadurch viel weniger Ein­reisen gab. (Zwischenruf der Abg. Belakowitsch.) Wenn man sich die Entwicklung redlich ansehen möchte, nimmt man das Quartal des letzten Jahres her, 2021, und dann sieht man, dass die Anzahl der Anträge sogar um 30 Prozent gesunken ist. (Abg. Amesbauer: Stimmt ja nicht!)

Mit solchen, bewusst aufschreckend formulierten Meldungen arbeitet aber auch das ÖVP-Innenministerium, zuletzt auch Innenminister Karner: Die Anträge sind belastend am Steigen, kann man dann lesen. (Abg. Amesbauer: Stimmt ja, aber ...!)

Aber was belastet denn, was verursacht Kosten? Doch nicht der Antrag, sondern die Versorgung bei uns in der Grundversorgung und durch andere Leistungen. Das heißt, Sie müssen sich redlich anschauen: Wer bleibt denn wirklich? (Abg. Belakowitsch: Alle, das ist ja das Problem!) Wenn man sich das anschaut, so stellt man fest, es sind im Vergleich zum Vorjahr – ausgenommen die Vertriebenen aus der Ukraine – wiederum weniger Personen als jetzt. Es ist also alles Angstmacherei. (Beifall bei NEOS und Grünen.)

Ein Horrorszenario wird hier an die Wand gemalt. Und noch dazu, wenn Sie dieses Horrorszenario selber annehmen, wo bleibt Ihre Lösung? Wir NEOS malen keine Hor­rorszenarien an die Wand. Wir sind dennoch der Meinung, dass man sich resilient auf­stellen und sich natürlich innerhalb Europas koordinieren muss. Das kann die einzige Lösung sein: sich solidarisch die Asylverfahren zu ihrer Bearbeitung aufzuteilen. (Zwischenrufe bei der FPÖ.)

Das Absurde ist aber, dass gerade die FPÖ und die ÖVP für diese Lösung nicht zu haben sind, obwohl gerade Österreich, das, wie richtigerweise gesagt wurde, viele Asyl­anträge zu stemmen hat, von so einer Aufteilung profitieren würde. Und dass Kollege Amesbauer dann noch lobend auf Ungarn verweist, das sich völlig unsolidarisch verhält, ist nur mehr absurd.

FPÖ und ÖVP brauchen aber das Chaos, um weiter Angst machen zu können, und um den Zuschauer glauben zu lassen, man brauche Push-backs, man brauche ein barbarisches Vorgehen gegen Asylwerber. Die FPÖ befindet sich mit solchen Aussagen wieder einmal völlig außerhalb des Verfassungsbodens.

Herr Minister, dass Sie in Replik auf Kollegen Amesbauer meinen, Sie müssten nur zwei Sachen richtigstellen und dabei nicht auch richtigstellen, dass Push-backs von Ihnen natürlich nicht akzeptiert werden, war für mich äußerst irritierend. Ich werde versuchen, Sie auf die Verteilerliste für den Newsletter des EGMR zu setzen, der nämlich vor Kurzem klargestellt hat, dass gerade das von Ihnen als gutes Beispiel herangezogene Szenario von Abschiebungen nach Ruanda menschenrechtswidrig ist und gegen das Folterverbot verstößt. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Yılmaz.)

Weiters erwarten wir uns, dass Sie tun, was Sie versprochen haben, nämlich den Frauen und Kindern, die vor dem Aggressionskrieg Putins gegen die Ukraine geflohen sind, wirklich zu helfen. Wie Kollege Bürstmayr gesagt hat, verdanken wir die Tatsache, dass sie gut versorgt sind, den privaten Haushalten, die ihre Türen geöffnet haben, und nicht dem Staat. In großem Ausmaß haben da nämlich wirklich die Menschen in Österreich für die Unterkunft gesorgt.

Sie machen Ihren Teil nicht. Die ÖVP und ihre Fürsten der Finsternis – die Bundesländer haben ja leider viel zu viel zu sagen – können sich nicht darauf einigen, den Menschen ausreichend Geld zu geben, damit die Mütter, insbesondere Frauen sind ja hier, ihre Kinder mit Essen versorgen können. Es müssen seit Monaten mittlerweile Essensgut­scheine in Österreich verteilt werden, um den Frauen diese Sorgen zu nehmen.

Ich würde mir da erwarten: im Bereich Asyl ein menschlicheres, koordiniertes Vorgehen, und im Bereich Migration mehr Herz und Hirn. Ich erwarte demnach von der Regierung, insbesondere von der ÖVP, mehr Hirn und von den Grünen mehr Herz. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Yılmaz.)

16.23

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Belakowitsch. – Bitte.