11.26

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Frau Ministerin! Werte Kolleginnen und Kollegen, auch aus dem Euro­päischen Parlament! Werte Zuschauerinnen und Zuschauer! So vorhersehbar, so – wie ich finde – feig ist der Titel der Aktuellen Stunde der FPÖ. Ich habe mir beim Durchlesen gedacht, Sie hätten ihn auch so wählen können: Wir glauben nicht an uns, wir glauben nicht an Österreich, wir glauben nicht an Europa. Unser Vorschlag, der Vorschlag der FPÖ: Wir unterwerfen uns Putin. (Abg. Kickl: Ach Gott! Sie haben sich Ihre ... hart erarbeitet!)

Zu den Fakten: Am 24. Februar 2022 hat Wladimir Putin, hat der Kreml ent­schieden, entgegen allen Völkerrechts, entgegen aller Abkommen, entgegen aller diplomatischer Wege und Bemühungen, die es nach 2014 – nach der Annexion der Krim – gegeben hat, die Ukraine anzugreifen.

In den letzten sieben Monaten haben die Ukrainerinnen und Ukrainer bewiesen, was Patriotismus, was Wille zur Freiheit, was Wille zur Selbstbestimmung und der Schutz der territorialen Integrität wirklich bedeuten. Seit dem 24. Februar haben tapfere Frauen und Männer ihr Leben gelassen: für die Freiheit, für das Recht auf Selbstbestimmung und um ihr Land, um die Frauen und Kinder in ihrem Land vor diesem blutigen Aggressionskrieg Putins zu schützen.

Seit dem 24. Februar werden manche nicht müde zu sagen: Unterwerfen wir uns! Ich kann das nicht nachvollziehen. Es geht da nämlich um die fundamen­talen Prinzipien friedlichen Zusammenlebens, die gebrochen wurden, die zerbombt wurden und in zahllosen – zahllosen! – fürchterlichen Kriegsver­brechen nach wie vor gebrochen werden. Es geht eben um Freiheit, das Recht auf Selbstbestimmung und das Recht auf territoriale Integrität.

Es geht auch um unser europäisches Lebensmodell, unser Modell der Freiheit, der liberalen Demokratie mit ökosozialer Marktwirtschaft, mit Pressefreiheit, Meinungsfreiheit, freie, selbstbestimmte Gesellschaften. Wir sind stark und selbstbewusst. (Abg. Wurm: Seit wann seid ihr ...?) Zeigen wir also diese Stärke, Geschlossenheit und machen wir uns nicht ständig kleiner, als wir sind! (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen.)

Es ist völlig klar: Akzeptieren wir jetzt diesen Rechtsbruch, akzeptieren wir es jetzt, dass ein Regime ein anderes Land einfach so überfällt, um seine politischen Interessen durchzusetzen (Abg. Kickl: Da bin ich gespannt ...!), so akzeptieren wir das weiter: Ein Rechtsbruch folgt auf den nächsten. (Zwischenruf bei der FPÖ.) Viele haben noch nicht verstanden, dass es jetzt darum geht, Putin zu stoppen, um weitere blutige Kriege zu verhindern (Abg. Kickl: Wie ist denn das mit den Türken? Wie ist denn das dort? Zwischenruf des Abg. Lausch), blutige Kriege, die folgen werden, denn der imperialistische Hunger Russlands ist ja ganz offen­sichtlich nicht gestillt. Man sollte Diktatoren bisweilen genau zuhören, denn sie sagen genau, was sie wollen. Vor allem darf dieser Imperialismus, den wir jetzt wieder erleben, kein Vorbildmodell werden: Krieg mit Gaspreisen, Krieg mit Weizenpreisen und Hungersnöten, Krieg mit Migration. Die Naivität gegenüber Putin sollte abgelegt werden. All das ist es doch, was droht und was Putin im Sinn hat: uns ständig kleinzuhalten und auf den Knopf zu drücken und beim Gas, bei Weizen und damit auch bei Hungersnöten und Migration den Regler zu drehen.

Es hilft ja auch überhaupt nichts, sich hinter dem Deckmantel der Neutralität zu verstecken. Es kann nämlich keine Neutralität geben angesichts dieses ungeheu­er­lichen Rechtsbruchs und der mit Bomben und Panzern zerschossenen inter­nationalen Friedensordnung – einer Friedensordnung übrigens, der sich Österreich aus gutem Grund als freier Staat autonom und selbstbestimmt angeschlossen hat. (Abg. Steger: Das ändert nichts an der Menschenrechtsfrage!)

Die Ukraine hat bewiesen, dass sie in der Lage ist, auf dem Schlachtfeld Putins marodierende, folternde, vergewaltigende Söldnerbande zu stoppen oder stoppen zu können. (Abg. Kickl: Jetzt fehlt nur noch ...!) Jetzt, ausgerechnet jetzt, in diesem Moment, zu fordern, dass sie aufgibt, das kann ich wirklich nicht nachvollziehen – noch dazu nach diesen Berichten über massive Kriegs­ver­brechen. Das sind wohl eher willfährige Propagandagehilfen Putins, die jetzt sagen: Das geht uns nichts an, das wird schon nicht so weitergehen, zeigen wir doch lieber unsere Schwäche! – Das wird es mit uns nicht spielen. (Abg. Kickl: Ist Abu Ghraib schon aufgearbeitet? Wie ist das mit Guantanamo? Wie sind all diese Dinge, oder dürfen Sie darüber nicht reden? Heuchlerisch ist das Ganze! Unglaublich heuchlerisch! – Abg. Deimek: Haben Sie übersehen, wohin ...?)

Wir glauben an Österreich. Wir glauben an Europa und unsere Fähigkeit, durch Innovation und Unternehmergeist die Abhängigkeit zu reduzieren und gestärkt aus dieser Krise hervorzugehen. Wird das leicht? – Nein. Das wissen die Österreicherinnen und Österreicher ganz genau, aber sie wissen auch, was auf dem Spiel steht, wenn wir uns jetzt unterwerfen.

Wir alle wollen Frieden, aber einen Frieden, der sicherstellt, dass er hält, einen Frieden, der sicherstellt, dass die Preise wieder sinken werden, weil wir die Abhängigkeit von russischem Gas, von fossilen Brennstoffen eliminiert haben, einen Frieden, der ein für alle Mal sicherstellt, dass imperialistische Vernich­tungskriege wie dieser der Vergangenheit angehören und wieder Diplomatie und Verträge den Vorrang gegenüber Granaten und Panzern haben, einen Frieden, der Putin aufgezwungen wird und nicht Europa, nicht der Ukraine und nicht Österreich. (Abg. Angerer: ... Waffenlieferungen!)

Das ist mein Österreich, mein Europa, das ist die Freiheit und die Zukunft. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen. – Abg. Kickl: Wenn Sie das jetzt auch noch in alle Richtungen sehen würden, könnten wir darüber reden!)

11.32

Präsidentin Doris Bures: Nächster Redner: Herr Abgeordneter Christian Stocker. – Bitte.