12.17

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Frau Präsidentin! Frau Bun­des­ministerin! Wir haben heute nun schon sehr viele unterschiedliche Perspek­tiven zu dem Thema der Aktuellen Europastunde der FPÖ gehört. Ich darf vielleicht noch eine weitere einbringen: Ich habe gestern die große Ehre gehabt, die russische Oppositionelle Evgenia Kara-Murza zu treffen. Sie ist in Österreich. Ihr Mann ist neben Alexei Nawalny wahrscheinlich einer der berühmtesten russischen Oppositionellen und sitzt momentan in Russland in Haft. Er wurde ohne ernst zu nehmende Gründe, mit fadenscheinigen Argumentationen aufgrund angeblicher Falschaussagen über die russische Armee eingesperrt und ihm droht eine Haftstrafe von bis zu zehn Jahren. Man wird sehen, was sich das russische Regime noch alles einfallen lassen wird. Sie haben schon mehrmals versucht, ihn mundtot zu machen. Sie haben ihn zweimal vergiftet. Er hat beide Male überlebt und hat seinen Kampf fortgeführt. Nun, während er in Haft sitzt, führt seine Frau diesen Kampf fort. Diese beeindruckende Frau, die für Grund- und Freiheitsrechte in ihrem Land, für die Menschen in ihrem Land und für Demokratie kämpft, hat mir gestern zur Frage der Sanktionen gesagt: Wir dürfen diese Sanktionen auf gar keinen Fall beenden. Wir müssen sie sogar noch schär­fer gestalten, weil es die einzige Möglichkeit ist, diesen verrückten Aggressor in die Knie zu zwingen. (Beifall bei den NEOS und bei Abgeordneten der Grünen.)

Sie hat mich, weil ich gefragt habe, was wir konkret machen können, darauf angesprochen, dass wir die Sanktionslisten erweitern und auch viel mehr Einzel­personen, die das Regime unterstützen – das sind einfache Polizisten, das sind Richterinnen und Richter –, auf die Sanktionslisten setzen könnten, weil die natürlich das Regime massiv unterstützen. Seit dem Einmarsch in die Ukraine gab es einen einzigen Tag in Russland, wo kein einziger Zivilist eingesperrt wurde – einen einzigen Tag! Jeden Tag werden viele Zivilistinnen und Zivilisten eingesperrt, und wenn man sich dann die Polizeiprotokolle durchliest – davon hat sie mir berichtet –, ist das unfassbar. Diese Meldungen gehen ja auch durch die Medien. Es ist eine Protestierende mit der Argumentation eingesperrt wor­den, sie habe ein unsichtbares Zeichen gegen das Regime getragen. Ich weiß nicht, wie man ein unsichtbares Zeichen sieht – es reicht aber, um in Russland eingesperrt zu werden.

Ja, natürlich hätten wir mit den Sanktionen früher agieren müssen. Wladimir Kara-Murza hat sehr für den Magnitsky Act gekämpft. Da geht es nämlich darum, dass man besondere, in der Hierarchie sehr weit oben stehende Personen eines Regimes auch entsprechend treffen kann und zielgerichteter treffen kann.

Wenn ich heute höre – Frau Kollegin Steger hat es vorhin auch wieder gesagt –: Na ja, die Sanktionen schaden ja uns mehr, als sie Russland schaden!, dann ist das so absurd, weil man sich, selbst wenn man überhaupt keine Ahnung hat, einfach nur die Zahlen anschauen muss. Ja, der europäischen Wirtschaft geht es nicht so gut. Es gibt viele Gründe dafür, auch den Einmarsch Russlands in der Ukraine, aber Fakt ist: Wir haben immer noch ein Wirtschaftswachstum – in Russland bricht die Wirtschaft um 7 Prozent ein. Wir haben in Europa eine hohe Inflation – in Russland ist sie höher. Dort ist die Inflation bei 15 Prozent. Offe­nsichtlich funktionieren also die Sanktionen, und etwas anderes zu sagen ist schlichtweg nicht logisch. (Beifall bei den NEOS sowie des Abg. Ottenschläger.)

Wir haben es auch schon gehört: Die Frau Bundesministerin hat über die Flugzeuge gesprochen, die am Boden liegen bleiben. Das ist in einem Land mit neun Zeitzonen einigermaßen herausfordernd. Man muss sich vorstellen: Die Weltmacht Russland kauft jetzt Drohnen im Iran und Munition in Nordkorea. Wenn mir also jemand sagt: Die Sanktionen funktionieren nicht!, dann frage ich mich, was er denn da nicht sieht.

Wir müssen – und das hat mir auch Evgenia Kara-Murza gesagt – mit den Sank­tionen weitermachen, bis die russische Wirtschaft komplett am Boden liegt, weil nur so alle begreifen, was Wladimir Putin da macht. Ja, natürlich treffen diese Sanktionen auch die russische Bevölkerung, und natürlich wäre es uns lieber, wenn das nicht so wäre – deswegen hätten wir früher anfangen müssen –, jetzt aber ist die einzige Chance, den Preis so hoch zu treiben, sprich: die Sanktionen so scharf anzusetzen, dass die russische Wirtschaft komplett darniederliegt und dass dann, wenn dieser grauenhafte Krieg in der Ukraine vorbei ist, der Preis für den Aggressor so hoch war, dass in Zukunft Diktatoren auf der ganzen Welt sich ernsthaft überlegen werden, ob sie noch solche verrückten Angriffskriege machen. (Abg. Kassegger: Das ist ... Märchengeschichte ...!)

Wir wissen, es ist die einzige Möglichkeit, um diese absurde Spirale, diese Gewaltspirale von Wladimir Putin zu beenden. Alles andere ist absurd. Sie kennen das: einen Einmarsch nach dem anderen, sei es in Georgien, seien es seine Interventionen auf der Krim, sei es am Donbass, sei es der Tschetschenien­krieg. Er macht ja immer weiter. Es ist absurd, zu glauben, dass er, wenn wir jetzt aufhören, sagt: Na jetzt war ich aber sehr beeindruckt, in Zukunft mache ich das nicht mehr. (Abg. Wurm: ... 100 Prozent ...! 100 Prozent Garantie!) Er hat ein Ziel, und das ist weiterhin, Russland zu vergrößern.

Was wir auch machen müssen – dann, wenn die Ukraine es hoffentlich geschafft hat, diesen Krieg zu gewinnen –: dass wir die russische Opposition weiterhin tatkräftig unterstützen. Jetzt gibt es die Chance, dass diese sich auch durchsetzt, dass sie diesen grauenhaften Diktator stürzt, und danach wird sie umso mehr unsere Unterstützung brauchen, dann dürfen wir sie nicht alleinlassen, damit sie es endlich schafft, aus Russland auch wirklich eine Demokratie zu machen. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

12.22

Präsidentin Doris Bures: Zu Wort ist nun niemand mehr gemeldet, damit schließe ich die Debatte zur Europastunde.

Wir haben jetzt noch einige Abstimmungen vorzunehmen, bevor wir in die Tagesordnung eintreten, und ich frage die Fraktionen, ob ich gleich mit den Abstimmungen fortfahren kann. – Zustimmung, daher gehe ich so vor.