12.10

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschau­erinnen und Zuschauer! Ja, einmal mehr packen Sie die Gießkanne aus, auch bei diesem Antiteuerungspaket, und das Problem mit Gießkannen ist halt: Sie wer­den irgendwann einmal leer sein.

Ich habe Ihnen bei Ihrer Budgetrede genau zugehört. Sie haben etwas gesagt, nach dem ich mich seit wirklich fast drei Jahren sehne: dass irgendjemand in dieser Bundesregierung einmal versteht, dass: Whatever it takes!, eben nicht bedeutet: Koste es, was es wolle! Koste es, was es wolle: Das haben Sie in den letzten Jahren gemacht, heute sagen Sie zumindest, dass Sie verstehen, dass: Whatever it takes! – was auch immer nötig ist –, etwas anderes ist. Das Problem ist nur, Sie setzen fort mit: Koste es, was es wolle!, und beginnen gleich heute wieder damit, mit diesem Antiteuerungspaket. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Steinacker: Nein, nein, nein! – Abg. Haubner: Nicht aufgepasst, Frau Kollegin!)

Die Teuerung ist enorm, die Inflation, wir haben es ja schon gehört, steigt ins Unermessliche, die höchste Rate seit 1952; eine (englisch aussprechend) Putinflation, wie ich sie auch gerne bezeichne, hauptgetrieben jetzt dadurch, dass Putin die Energiepreise in die Höhe treibt und eben einen Energiekrieg auch und gerade mit Europa führt.

Ich habe Ihnen auch genau zugehört, als Sie gesagt haben, dass Sie die Abhän­gigkeit von fossilen Brennstoffen und von russischem Gas reduzieren wollen. Das finde ich gut und wichtig und richtig. Ich möchte an dieser Stelle nur noch einmal betonen: Die Tatsache, dass Österreich in so einem Ausmaß von russischem Gas abhängig ist, ist nicht gottgegeben oder vom Himmel gefallen. Das ist eine bewusste Entscheidung von Politikern von der ÖVP, von der SPÖ und von der FPÖ gewesen, die das genau so wollten – die Abhängigkeit von russischem Gas. (Beifall bei den NEOS.) Sie können auch nachlesen, wie wir auch aus geopolitischen Überlegungen vor Nord Stream 2 beispielsweise gewarnt haben.

Sie haben uns jetzt jahrelang, seit Beginn der Pandemie, mit diesem: Koste es, was es wolle!, de facto eine Vollkaskomentalität präsentiert. Dabei wäre es wesentlich wichtiger, gerade auch bei diesen Teuerungen jetzt sehr zielgerichtet zu unterstützen. Was heißt das, ärmere Haushalte zielgerichtet zu unterstüt­zen? – Wenn man sozusagen die gesamten Antiteuerungspakete heranzieht, ohne die Pensionserhöhungen, so sind das in etwa 12 Milliarden Euro, 9 Milliarden Euro im engeren Sinn heuer, und wenn man sich dann anschaut, was genau für ärmere Haushalte als sozusagen direkte Unterstützungsleistung vorgesehen ist – ich weiß schon, dass ärmere Haushalte auch von anderen Leistungen profitieren, aber wenn man sagt, das ist das Zielgerichtete –, dann sind das halt nur 400 Mil­lionen Euro. Das heißt, knapp 3 Prozent von diesen 12 Milliarden Euro sind ganz zielgerichtet für ärmere Haushalte, der Rest ist Gießkanne.

Sie hätten da ruhig mutiger und zielgerichteter sein und sagen können: Okay, ärmere Haushalte sind bis in höhere Dezile hinauf direkt zu unterstützen! – aber ansonsten bitte das machen, was wir NEOS fordern, nämlich dafür Sorge zu tragen, dass sich die Menschen aus eigener Arbeitsleistung auch höhere Preise leisten können. (Beifall bei den NEOS.)

Jetzt noch einmal zur Gießkanne, weil auch dieser Klimabonus, Antiteuerungs­bonus angesprochen worden ist: Ich meine, das ist Gießkanne pur. Sie haben gesagt: Ja, es kann passieren, dass das nicht ganz treffsicher ist, aber besser, wir schießen übers Ziel hinaus! – Wissen Sie, was ich wirklich unerträglich finde? – Dass eine Bundesregierung eine Maßnahme setzt, die Gießkanne ist, sodass jeder 500 Euro bekommt, egal ob das sozusagen ein Mensch ist, der gerade einmal 1 000 Euro im Monat verdient, oder ein Nationalratsabgeordneter oder ein Bundeskanzler – es kommt Ihnen nicht in den Sinn, dass es in dieser Zeit vielleicht wirklich einfach nicht zielführend ist, das so mit der Gießkanne zu machen –, und dann setzen sich, ich glaube, der Bundeskanzler und der Vizekanzler vor einen Fotografen und spenden medienwirksam den Klimabonus an die Caritas. Also wirklich, verzeihen Sie: dass man da nicht zynisch wird?! Sie machen selber eine Maßnahme, die so Gießkanne ist, dass der Bundeskanzler genauso einen Klimabonus und Antiteuerungsbonus bekommt wie ein Min­dest­pensionist, und dann sagen Sie aber großzügig: Wir spenden das! – Ich finde das wirklich lächerlich, das ist keine ernsthafte Politik! (Beifall bei den NEOS. – Abg. Gödl: An wen haben Sie gespendet?)

Unser Ansatz ist, ärmere Haushalte direkt zu unterstützen, höher direkt zu unterstützen, und dass die Menschen in Österreich, die arbeiten gehen, die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, mit ihrem Einkommen besser auskommen. Das ginge durch eine echte Entlastung, eine Senkung der Lohn­neben­kosten. Wir sind jetzt in der Zeit der Tarifverhandlungen, jetzt geht es um die Frage, wie Löhne und Gehälter steigen werden. Und ich verstehe viele Betriebe und Unternehmen, die angesichts einer wirtschaftlich schlechten Lage, auch höherer Energiepreise für die Betriebe, einer drohenden Stagflation, vielleicht sogar einer technischen Rezession sagen: Bitte, wir können diesen Forderungen von der Arbeitnehmerseite, die da ja bis 10 Prozent gehen – was aber nachvollziehbar ist, wenn die Inflation 10 Prozent ist –, nicht einfach so nachgeben!

Warum nutzt der Staat nicht den Spielraum und entlastet über Lohnnebenkosten die Betriebe mit dem klaren Signal, dann aber auch eine ordentliche Erhöhung der Löhne und Gehälter zu erwarten? Das würde bedeuten, besser mit dem Einkommen auszukommen, und das wäre jetzt eine sehr zielgerichtete Unter­stützung, die wir NEOS an Ihrer Stelle umgesetzt hätten. (Abg. Gödl: Wir senken ja die Tarifstufen!)

Jetzt komme ich zur kalten Progression. Also ich stehe überhaupt nicht an, zu sagen, dass wir es gut finden, dass sie abgeschafft wird – sie wird aber aus Sicht der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler nicht zu 100 Prozent abgeschafft! Das ist tatsächlich eine jahrelange Forderung von uns.

Das ist auch ein bissl der Trick in Ihrer Budgetrede heute gewesen: Sie sprechen von Entlastung, dabei ist die Abschaffung der kalten Progression nichts anderes als der Verzicht, der teilweise Verzicht auf eine zusätzliche Belastung. Streuen Sie doch den Menschen nicht Sand in die Augen! Es gibt keine einzige wirkliche Entlastung in diesem Budget. (Die Abgeordneten Pfurtscheller und Steinacker: Geh bitte!) Diese kalte Progression (Abg. Steinacker: Also, Beate, das gibt’s ja nicht!) ist ein teilweiser Verzicht auf höhere Steuereinnahmen. Wir haben uns das ganz genau angeschaut: Die Steuereinnahmen steigen weiter. Das heißt, die Effekte der kalten Progression sind geringer als die zusätzlichen Steuereinnahmen. Das bedeutet nichts anderes, als dass weitere Belastungen kommen. (Beifall bei den NEOS.)

Zu 100 Prozent ist das abgeschafft – vielleicht aus Sicht des Staates, aber nicht aus Sicht der Bürger! Wir haben es ja gerade gehört. Das ist jetzt offensichtlich die neue Umverteilungspolitik der ÖVP. Für den Steuerzahler bedeutet das: Sie ziehen ihm 100 Euro mehr aus der Tasche, Sie geben ihm aber automatisch nur 66,6 periodisch, 67 Euro zurück, und den Rest behalten Sie sich vor, jemand anderem zu geben (Abg. Kassegger: Den Bauern werden aber nicht 100 weggenom­men, die sind alle pauschaliert!) – vielleicht einem Bauern; die ÖVP würde das am liebsten machen, das ist halt auch der Klientelismus, den wir hier sehen. (Beifall bei den NEOS.)

Sehen Sie, das ist auch die Sache mit dem Schulterschluss, den Sie einmahnen. Natürlich finden wir es gut, dass die kalte Progression abgeschafft wird, aber in einer Zeit, in der Sie sich hinstellen und eine Politik mit der Gießkanne machen, wie ein gütiger Feudalherr den Menschen zwar das Geld aus der Tasche ziehen, aber dann Boni und Gutscheine verteilen mit dem Gedanken, dass alle doch bitte hübsch dankbar sein sollen, dass sie jetzt ihre 500 Euro bekommen, wäre es nur recht und billig, diese kalte Progression heuer schon abzuschaffen, rückwirkend mit dem 1.1.2022 und zu 100 Prozent und nicht zu zwei Drittel! Das hätten wir NEOS gemacht, das ist ehrliche Entlastungpolitik. (Beifall bei den NEOS.)

Ich habe bei dieser Budgetvorlage – wenn ich vielleicht ein bisschen darauf eingehen darf, morgen werden wir im Detail darüber diskutieren – ein bisschen den Eindruck, dass da doch sehr viel Zukunftsvergessenheit drinnen ist, und ich will Ihnen auch sagen, warum.

Die hohe Staatsquote bleibt gleich, daran ändert sich gar nichts. Die hohe Lohn- und Abgabenbelastung in Österreich bleibt gleich; wie gesagt, auch die Abschaffung der kalten Progression – teilweise Abschaffung – ändert daran überhaupt nichts.

Wir wissen – das hat auch das NEOS Lab vor Kurzem auf den Tisch gelegt –, dass wir beim Ausbau von erneuerbaren Energien stagnieren. Es wird investiert, aber es wird im Vergleich zu den Konsumausgaben zu wenig investiert. Also der Zukunftsteil des Budgets ist weitaus zu gering. Gleichzeitig hat Österreich es unter einer grünen Energieministerin auch geschafft, dass die CO2-Ausstöße weiter angestiegen sind.

Es fehlt weiterhin eine flächendeckende Kinderbetreuung (Abg. Steinacker: Kompetenzverteilung?! Zuständigkeiten vielleicht auch einmal anschauen!), in einer Zeit, in der gerade Frauen sagen: Ich muss jetzt auch etwas zum Haushaltsein­kommen beitragen!

Wir wissen, dass Bildung der Schlüssel für Innovation und zukünftigen Wohl­stand ist. Das fehlt mir komplett in diesem Budget, und das ist einfach nur schändlich. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Steinacker: ... Ordnungsruf! So geht es nicht!)

Vielleicht noch eine Zahl (Abg. Steinacker: Schändlich?! Einfach so?), weil gesagt wurde, diese kalte Progression kostet 18 Milliarden Euro über die nächsten vier Jahre: Sie haben in diesem Budgetentwurf angenommen, dass das durchschnitt­liche Pensionsantrittsalter – ich glaube, Sie nehmen das an – bis 62 Jahre steigen wird. Bitte korrigieren Sie mich, wenn ich das jetzt nicht richtig in Erinnerung habe! Wir sind derzeit bei knapp 60, dann vielleicht bei 62, das gesetzliche Pensionsantrittsalter liegt bei 65 Jahren. Wenn wir uns mit Ländern wie der Schweiz oder Schweden vergleichen, in denen das durchschnittliche Pensions­antrittsalter schon bei 66 Jahren liegt, dann muss man sagen, dass diese vier Jahre allein pro Jahr, Herr Finanzminister – pro Jahr! –, 12 bis 16 Milliarden Euro brächten.

Da sehen Sie einmal, welche Volumina ein wirklich mutiges Budget, bei dem man endlich Strukturreformen angehen würde, zusammenbrächte, die Sie dann wirklich den Steuerzahlerinnen und Steuerzahlern zurückgeben könnten. Das wäre unsere NEOS-Politik. (Beifall bei den NEOS.)

Dieses Budget ist aber nicht zukunftsorientiert. Ich habe den Eindruck, die ÖVP sagt sich: Na ja, diese Legislaturperiode machen wir noch, in der nächsten Periode gehört das Finanzministerium eh nimmer uns, da fliegen wir aus der Regierung! (Ruf bei der ÖVP: Ja, genau! ... 10 Prozent!) Schieben wir die Probleme in die Zukunft, gehen wir nicht die Lösung von Strukturproblemen an, gehen wir keine Reformen an! Überlassen wir unseren Kindern einen Schuldenrucksack, und erwürgen soll sich die nächste Regierung! Jetzt müssen wir Geld verteilen, damit wir von den schlechten Umfragewerten wegkommen! – Und das ist wirk­lich auch zukunftsvergessen. (Beifall bei den NEOS.)

12.20

Präsidentin Doris Bures: Nun hat sich Herr Bundesminister Magnus Brunner zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Minister.