12.35

Abgeordneter Dr. Christoph Matznetter (SPÖ): Frau Präsidentin! Herr Bundesminister für Finanzen! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Es ist ja vielleicht kein Zufall, dass die Überschrift lautet: „Aus“ – für die – „Verant­wortung für Morgen“, „Sicher“ – mit kaum bewältigbaren Schulden – „in die Zukunft“.

Da haben Sie genau den richtigen Titel gewählt, denn so findet es statt. Meine Vorredner haben schon auf ein paar Punkte hingewiesen. Ich möchte nur hervorheben: Kollege Krainer hat Ihnen vorgehalten, dass Sie mit 46,5 Milliarden Euro Covid-Kosten die höchsten Ausgaben verursacht haben und an viertletzter Stelle liegen (Abg. Hanger: 4,8 Prozent! – weiterer Ruf bei der ÖVP: So ein Blödsinn!), was das Wirtschaftswachstum betrifft. Das ist ja wie ein Fußball­ver­ein, der die teuersten Spieler einkauft und in die dritte Liga absteigt. Da geht man doch nicht Werben hierher, sondern sagt: Tut leid, Leute, wir haben es nicht gekonnt. (Beifall bei der SPÖ.)

Aber vielleicht liegt es daran, dass es mit dem Wording und den Rechenübungen auch nicht so gut funktioniert. (Abg. Michael Hammer: Wo werden eure Reden geschrieben? Das ist ja alles erfunden!)

Bleiben wir gleich bei dieser Budgetrede! Der Herr Finanzminister, Sie können selber nachschauen, weist uns auf Seite 9 darauf hin, dass die Inflation mitt­lerweile 10,5 Prozent beträgt. Gleichzeitig stellt er sich zu uns hierher und streut ja nicht nur Sand in die Augen aller, die zuhören, sondern auch sich selber und sagt, super, bei der Mobilität – um nur ein Beispiel zu bringen – haben wir ein Plus, nämlich 6,6 Prozent.

Selbst die einfachst denkenden Menschen werden Ihnen sagen: Wenn die Inflation 10,5 Prozent beträgt, bedeutet 6,6 Prozent eine Kürzung. (Bun­des­minis­ter Brunner – die Hände vor dem Gesicht faltend –: Bitte!) Und weil Sie es nicht verstehen, kürzen Sie die Pensionen – da passiert ja genau das Gleiche. Dann kommt Kollege Schwarz und bringt uns rot-grüne Balken zur historischen Darstellung. Sie sollten sich lieber anschauen, wie das heute ausschaut! Das Momentum-Institut hat ja die Entlastung festgestellt. (Abg. Michael Hammer: Das sozialistische Momentum-Institut! – Abg. Hanger: Sogar die haben geschrieben, dass ...! –Abg. Michael Hammer: Sozialistische Fakenews-Partie!)

Ja, ja, ja, jetzt sind wir schon auf der Trump-Ebene: Alternative Fakten aus der ÖVP. (Ruf bei der ÖVP: Ja, ja! – Abg. Haubner: Da ist mir der Budgetdienst lieber!) Das ärmste Fünftel der Bevölkerung bekommt 80 Euro aus dieser Superreform, das reichste Fünftel 436 Euro (Ruf bei der SPÖ: Skandal!), und das Ganze, weil Sie das bis 1 Million Euro eingesetzt haben. (Zwischenruf des Abg. Michael Hammer.)

Herr Kollege Schwarz, sich dann hierherzustellen und die soziale Ausgewogen­heit zu loben ist ja geradezu eine Verhöhnung der Menschen (Beifall bei der SPÖ), denn die Sozialleistungen – das ist die gleiche Berechnung, nämlich die Valorisie­rung – bringen dem unteren Fünftel 86 Euro, aber dem reichsten Fünftel 33 Euro. Das ist kein Ausgleich, Herr Kollege Schwarz, sondern das ist in Wahr­heit eine Verhöhnung des unteren Einkommensdrittels. (Beifall bei der SPÖ.)

Aus diesem Grunde bringe ich einen Abänderungsantrag zu dieser kalten Progression ein. Ich möchte ihn in den Grundzügen erläutern, Frau Präsidentin. Der wichtigste Punkt ist: Für die, die wirkliche Probleme dabei haben, morgen Lebensmittel einzukaufen, die Miete zu zahlen und die Energierechnung zu begleichen – sprich bei den ersten beiden Tarifstufen –, gehört eine volle Anpassung der kalten Progression gemacht. (Abg. Schwarz: Überproportionale Anpassung!) Es gehört auch ein Progressionsbericht gemacht, der wirklich detailliert darstellt, welche Einkommenssituation insbesondere Mann und Frau vorfinden, denn Sie geben ja auch den Männern am meisten aus der kalten Progression, das sei auch ins Stammbuch der Grünen geschrieben. Und es muss die Verteilung des Drittels, das noch zur Verfügung steht, explizit nach sozial­politischen, armutsvermeidenden Gesichtspunkten erfolgen und nicht, wie Sie es hier machen, in die eigene Tasche.

Die Abgeordneten und die Regierungsmitglieder mit ihren Bezügen sind nämlich die größten Profiteure von denen, die ich vorgelesen habe. Es sind nicht jene Personen, die einen Durchschnittsbezug haben. Hören Sie auf, immer die eigene Brieftasche und die eigenen Freunde zu bedienen! (Rufe bei der ÖVP: Geh bitte, Christoph! Geh bitte! – Abg. Haubner: Die Geschichte glaubt dir niemand mehr!) Die ÖVP macht das immer! (Beifall bei der SPÖ.)

Die 46 Milliarden Euro – soll ich jetzt vorlesen? Wir haben hier ein Who’s who der Freunde des Sebastian Kurz (Abg. Haubner: Die Geschichte glaubt dir keiner mehr! – Abg. Hanger: Also so peinlich!) gehabt. (Abg. Zarits: Er hat wenigstens Freunde im Gegensatz zu dir!) Wer hat denn alles bekommen? Wie viel haben die Möbelketten bekommen? (Abg. Schwarz: Das war einmal eine staatstragende Partei!) Wie viel hat Benko bekommen? Wie schaut es mit Martin Ho aus? Wie hoch waren die Forderungen? (Abg. Schwarz: Das ist so peinlich!) – Nein, ich höre Sie nicht! (Abg. Michael Hammer: Das ist peinlich! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) – Es ist Ihnen selbst peinlich, und die Kleinunternehmen warten heute noch auf die Auszahlungen – heute noch! (Beifall bei der SPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Das ist unglaublich! So peinlich!) So ist die ÖVP, und ihr unterstützt sie noch. (Abg. Hanger: Geh bitte! – Abg. Haubner: So primitiv! – Weiterer Ruf bei der ÖVP: Primitiv ist das!) Shame on you, grüne Freunde! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Michael Hammer: Ein Ordnungsruf wegen Primitivheit! – Abg. Hanger: Geh bitte! Krainer/Matznetter, das finanzpolitische Traumduo!)

12.40

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Dr. Christoph Matznetter

Genossinnen und Genossen

zum Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (1662 d.B.): Bundesgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 und das Umsatzsteuergesetz 1994 geändert werden (Teuerungs-Entlastungspaket Teil II) (1702 d.B.

(Top 2)

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Der eingangs bezeichnete Gesetzesantrag in der Fassung des Ausschussberichts 1702 d.B. wird wie folgt geändert:

Art. 1 (Änderung des Einkommensteuergesetzes 1988) wird wie folgt geändert:

1. In Z 5 lautet die lit. a:

„a) In Abs. 1 wird der Betrag „11 000“ jeweils durch den Betrag „11 693“, der Betrag „18 000“ jeweils durch den Betrag „19 134“ ersetzt und die Wortfolge „in den Kalenderjahren 2016 bis 2025“ entfällt.“

2. In Z 5 lautet die lit. b:

„b) Nach Abs. 1 wird folgender Abs. 1a eingefügt:

„(1a) Die für die Anwendung der Steuersätze von 20% und 30% festgesetzten Grenzbeträge sowie die für die Anwendung des Abs. 4, des Abs. 5, des Abs. 6 und des Abs. 8 festgesetzten Beträge unterliegen einer Inflationsanpassung nach Maßgabe des § 33a. Gleiches gilt für die in § 1 Abs. 4, § 34 Abs. 4 zweiter Teilstrich, § 35 Abs. 1 dritter Teilstrich, § 42 Abs. 1 Z 3, § 99 Abs. 2 Z 2 und § 102 Abs. 3 festgesetzten Beträge sowie die Einkunftsgrenzen des § 4 Abs. 4 Z 8 lit. b.““

3. Z 6 lautet:

„6. Nach § 33 wird folgender § 33a samt Überschrift eingefügt:

„Inflationsanpassung

§ 33a. (1) Die steuerliche Mehrbelastung durch die kalte Progression (Abs. 2) ist nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen abzugelten.

(2) Als kalte Progression ist das inflationsbedingte Mehraufkommen an Einkommen­steuer zu verstehen, das sich für das jeweilige Folgejahr als Differenz aus dem Steueraufkommen auf Grundlage von noch nicht inflationsangepassten Beträgen und dem Steueraufkommen bei einer Inflationsanpassung unter Zugrundelegung einer gemäß Abs. 3 ermittelten positiven Inflationsrate ergibt.

(3) Für die Ermittlung der Inflationsrate ist das arithmetische Mittel der für die Monate Juli des vorangegangenen Jahres bis Mai des laufenden Jahres sowie des vorläufigen Wertes für Juni des laufenden Jahres der von der Bundesanstalt Statistik Österreich veröffentlichten Jahresinflationsraten des Verbraucherpreisindexes heranzuziehen. Das arithmetische Mittel ist auf das Zehntel eines Prozentpunktes zu runden.

(4) Für jedes Kalenderjahr erfolgt eine Anpassung der Beträge gemäß § 33 Abs. 1a im Ausmaß der positiven Inflationsrate (Abs. 3). Die so ermittelten Beträge sind auf volle Euro aufzurunden. Der Bundesminister für Finanzen hat die für das Folgejahr angepassten Beträge jeweils bis zum 31. August des laufenden Kalenderjahres im Wege einer Verordnung kundzumachen.

(5) Zur Abgeltung der noch nicht gemäß Abs. 4 berücksichtigten Inflationswirkungen hat die Bundesregierung bis 15. September jeden Jahres, nach Konsultation der Bundesarbeiterkammer, des Österreichischen Gewerkschaftsbundes und der Wirt­schaftskammer, einen Ministerratsbeschluss zu fassen, der im Umfang des noch nicht erfassten Volumens der kalten Progression Entlastungsmaßnahmen nach sozial­politischen und Armut vermeidenden Gesichtspunkten zum Gegenstand hat. Grund­lage dafür bildet ein bis 31. Juli vorzulegender Progressionsbericht (Abs. 6), der auch dem Nationalrat vorzulegen ist. Die zuständigen Bundesminister haben Gesetzesvor­schläge für die Entlastungsmaßnahmen auszuarbeiten, die eine Wirksamkeit mit 1. Jänner des folgenden Kalenderjahres vorsehen.

(6) Für den Progressionsbericht gilt:

     1. Für das jeweilige Folgejahr sind darzustellen:

     a) Die Höhe der Inflationsrate gemäß Abs. 3,

     b) das prognostizierte Einkommensteueraufkommen auf Grundlage noch nicht inflationsangepassten Beträgen,

     c) das prognostizierte Einkommensteueraufkommen bei einer Inflationsanpassung unter Zugrundelegung einer positiven Inflationsrate gemäß Abs. 3 sowie

     d) das prognostizierte Einkommensteueraufkommen unter Berücksichtigung der Inflationsanpassung gemäß Abs. 4.

Für das prognostizierte Einkommensteueraufkommen ist die für das Folgejahr maßgebende Rechtslage heranzuziehen.

     2. Der Ermittlung des prognostizierten Einkommensteueraufkommens gemäß Z 1 lit. b bis d ist eine wissenschaftlich fundierte geschätzte und simulierte Verteilung von Einkommen und relevanter sozioökonomischer Charakteristika zu Grunde zu legen. Dabei sind die Auswirkungen der kalten Progression auf die unterschiedlichen Einkommensgruppen, Geschlechter und Berufsgruppen durch eine umfassende Verteilungsanalyse darzustellen.

     3. Der Bundesminister für Finanzen hat zwei wirtschaftswissenschaftliche Forschungsinstitute mit der Erstellung des Progressionsberichtes zu betrauen und in einer Verordnung nähere Regelungen für die Erstellung des Berichtes sowie eine durchzuführende Evaluierung vorzusehen.““

4. In Z 11 lautet die neue Ziffer 413 in § 124b:

„413. § 33 Abs. 1a und § 33a in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2022 sind erstmalig anzuwenden, wenn:

- die Einkommensteuer veranlagt wird, bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 2023,

- die Einkommensteuer (Lohnsteuer) durch Abzug eingehoben wird, für Lohnzahlungs­zeiträume, die nach dem 31. Dezember 2022 enden,

wobei der erste Progressionsbericht bis 31. Oktober 2022 und der Ministerrats­beschluss der Bundesregierung bis 15. November 2022 (§ 33a Abs. 5) zu erfolgen hat.“ 

Begründung

Das im Wege der Regierungsvorlage aufgesetzte System der Abgeltung der kalten Progression im Einkommensteuerrecht hat vor allem sozial- und verteilungspolitische Schwächen. Die vorgeschlagene Abgeltung der kalten Progression verläuft praktisch über den gesamten Tarif (bis zu Einkommen von 1 Mio. €), bevorzugt daher Höher- und Spitzenverdiener massiv. Weiters wird in der Automatik zuerst nur 2/3 des Volumens der Abgeltung der kalten Progression über den Tarif verteilt, nur durch die politische Entscheidung zur Verteilung des verbleibenden Drittels, erhalten die kleinen und mittleren Einkommen für das kommende Jahr eine vollständige Abgeltung.

Durch den Abänderungsantrag werden folgende Änderungen vorgenommen

a)         die kalte Progression der ersten beiden Tarifstufen wird automatisch zur Gänze abgegolten werden. Hohe Einkommen und Spitzenverdiener profitieren durch das stufentarifmäßige Einkommensbesteuerungssystem auch von einer Senkung der ersten beiden Tarifstufen. Für die soziale Symmetrie und den einkommensgerechten und verteilungspolitischen Ausgleich, sind regelmäßig zusätzliche Maßnahmen für die unteren Einkommensbereiche notwendig. Zudem entfällt die Befristung für den Spitzensteuersatz, dieser verbleibt bei 55% und wird nicht auf 50% abgesenkt (ab 2026).

b)         Der Progressionsbericht, der Grundlage für die Verteilung des letzten Drittels des Volumens der aufgelaufenen kalten Progression ist, wird inhaltlich um eine detaillierte Verteilungsanalyse ergänzt. Die Wirkung der kalten Progression soll bezüglich der Einkommenssituation von Frauen und Männern sowie hinsichtlich der unterschiedlichen Berufsgruppen (Arbeiter und Angestellte, Selbständige, Pensionist*innen) dargestellt und ein Element der Entscheidungsgrundlage werden.

c)         Die Verteilung des letzten Drittels des Steuersenkungsvolumens soll explizit nach sozialpolitischen, insbesondere Armut vermeidenden, Gesichtspunkten erfolgen. Dazu können auch Maßnahmen außerhalb des Einkommensteuergesetzes gesetzt werden.

Im Rahmen einer eigenen Gesetzesvorlage braucht es zudem eine Valorisierung weiterer, teilweise jahrzehntelang nicht angepasster, Beträge im Steuerrecht, z.B. im Bereich der Werbungskosten, Pendlerpauschalien, Inlandsdiäten und Kilometergelder, Veranlagungsfreibeträge, außergewöhnliche Belastungen, Sonderzahlungen, Besteue­rung der Zuschläge und Sonderzahlungen etc.

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Präsidentin Doris Bures: Der Abänderungsantrag wurde in den Grundzügen erläutert und steht somit mit in Verhandlung.

Frau Abgeordnete Voglauer, ich erteile Ihnen das Wort. – Bitte.