12.53

Abgeordneter Mag. Gerald Loacker (NEOS): Frau Präsidentin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Hohes Haus! Ja, Kollegin Scharzenberger, das hat Ihre Fraktion über Minister Blümel damals auch gesagt, nicht? (Heiterkeit und Beifall der Abgeordneten Silvan und Wimmer. – Zwischenruf des Abg. Hanger.)

Nach 36 Jahren in der Bundesregierung hat sich die ÖVP jetzt dazu durchringen können, das Thema kalte Progression in Angriff zu nehmen. (Abg. Hanger: Brauchst ja nur mehr zustimmen jetzt!) Jetzt will ich einmal das Positive hervor­heben: Sie wird zu zwei Dritteln abgeschafft, und das ist viel besser als nichts, das möchte ich honorieren. (Beifall bei den NEOS. – Abg. Hanger: Das ist ja schon ein Kompliment von dir: viel besser als nichts!)

Wir bringen heute einen Abänderungsantrag ein, die kalte Progression zur Gänze und auch rückwirkend mit 1. Jänner dieses Jahres abzuschaffen. (Abg. Hanger: Wird zur Gänze abgeschafft!) Ich darf ihn jetzt in seinen Grundzügen erläutern und möchte noch darauf aufmerksam machen, wie die Regierung diese Abschaffung der kalten Progression angeht.

Es werden nicht alle Beträge im Einkommensteuergesetz valorisiert, sondern nur ganz bestimmte, zum Beispiel der Alleinverdienerabsetzbetrag, weil es der ÖVP ja wichtig ist, dass die Frauen zu Hause bleiben (Abg. Hanger: Gerald! Wenn sie wollen!), und der Pensionistenabsetzbetrag, weil man ja bei den Pensionisten gute Wahlergebnisse haben will. Die Jungen sind eh wurscht – diejenigen, die nämlich arbeiten gehen und Geld verdienen, zum Beispiel Überstunden machen. Der Freibetrag für die Überstunden wird nicht valorisiert, der Betrag für steuerfreie Mitarbeitergewinnbeteiligung wird nicht valorisiert (Abg. Doppelbauer: Leistungsträger!), und bei den Selbstständigen werden die Grenzen für den Gewinnfreibetrag auch nicht angehoben. Also die schauen schon ganz genau hin, wo sie valorisieren und wo sie nicht valorisieren.

In Zeiten des Arbeitskräftemangels müsste man in Wirklichkeit jene belohnen, die viel arbeiten, das heißt, den Freibetrag für Überstundenzuschläge ver­doppeln. Man müsste für die Menschen, die Vollzeit arbeiten, einen Absetz­be­trag einführen – die sind nämlich sehr gesucht –, und man müsste für die Menschen, die länger arbeiten – also für jene, die zum Beispiel mit über 65 Jah­ren noch arbeiten –, die Lohnsteuer halbieren, damit man honoriert, wenn Fachkräfte länger im Erwerbsleben bleiben. (Beifall bei den NEOS.)

Wenn man das machen würde, könnte man auch mit mehr Einkommen besser auskommen.

Ein besonderes Schmankerl ist die Art, wie der Familienlastenausgleichsfondsbeitrag von 3,9 auf 3,7 Prozent reduziert wird. Die Bundesregierung hat sich schon dafür abfeiern lassen, was für eine tolle Lohnnebenkostensenkung das denn nicht sei. Damit, geschätzte Unternehme­rinnen und Unternehmer, ist aber eine Falle verknüpft. Das gilt nämlich nicht automatisch ab 1. Jänner, Sie brauchen nämlich eine lohngestaltende Vorschrift, auf die sich diese Regelung stützt. Das hat es in der Geschichte der Zweiten Republik noch nicht gegeben, dass der KV oder die Betriebsvereinbarung festschreiben muss, dass man die Lohnnebenkostensenkung in Anspruch neh­men kann, die der Gesetzgeber beschließt. Das hat es noch nie gegeben. Kollege Wimmer, das kennst du wahrscheinlich auch nicht, dass man jemals Lohn­nebenkosten durch den Kollektivvertrag geändert hat. (Abg. Rainer Wimmer: Nein!) – Das hat es noch nicht gegeben, das wird jetzt zum ersten Mal festge­schrieben.

Wenn Sie eine Firma haben, die den Kollektivvertrag erst nächsten April oder nächsten Mai ändert, und Sie mit Ihrem Betriebsrat keine Einigung finden oder Sie gar keinen Betriebsrat haben, dann müssen Sie das selbst intern kommuni­zie­ren, und zwar so, dass Sie der Lohnbehörde später nachweisen können, dass Sie das gemacht haben, sonst dürfen Sie den Beitrag am 1. Jänner gar nicht senken. Großartige Reform!

Dann heißt es – auch das war heute um 7 Uhr bei Radio Venezuela zu hören (Heiterkeit des Bundesministers Brunner) –, die Abschaffung der kalten Progres­sion würde die Einnahmen des Bundes mindern. Die mindert sie natürlich nicht, sondern sie steigen nur nicht so stark. Sogar die Organisation, deren Gene­ralsekretär Karlheinz Kopf ist, die Wirtschaftskammer, hat berechnet, dass die Abgabenquote von 2022 auf 2023 steigen wird. Der Staat nimmt also immer noch mehr Geld ein. Diese Republik hat nach wie vor kein Einnahmenproblem, sie hat ein Ausgabenproblem, und die Gießkannenpolitik der Regierung macht das nur schlimmer, wenn man die Fünfhunderter auch an die verteilt, die sie gar nicht brauchen, zum Beispiel an mich.

Wenn man sich dann anschaut, wo das Geld, das Budget hingeht: Das Pen­sions­loch reißt es auf. 2,7 Milliarden Euro mehr allein für die Pensionen im nächsten Jahr und ein um 10 Milliarden Euro größeres Pensionsloch in vier Jahren – 10 Milliarden Euro. Da wird nichts gemacht, keine Bewegung, im Gegenteil: Es werden sogar noch Anreize gesetzt, früher in Pension zu gehen – dazu komme ich dann beim nächsten Tagesordnungspunkt.

Die Zinsen für die Staatsschulden verdoppeln sich von heuer auf nächstes Jahr, und dann heißt es: Wir investieren! – Bitte, was für Investitionen? Das ist doch keine Investition, wenn man für seine Schulden Zinsen zahlen muss. Wir büßen für die Schuldenpolitik dieser Regierung und der Vorgängerregierungen. Zahlen müssen das die Jungen, weil das Geld für Universitäten, für Schulen und für wirkliche Zukunftsinvestitionen fehlt. (Beifall bei den NEOS.)

Der Offenbarungseid für alle, die es nachlesen wollen, findet sich in der Budget­rede auf Seite 31: Wenn ein Finanzminister als Vergleich für die eigene Qualität die Finanzsituation von Italien heranziehen muss, dann sieht man, in was für einer katastrophalen Lage sich das österreichische Budget heute befindet. (Beifall bei den NEOS. – Heiterkeit und Zwischenruf der Abg. Doppelbauer. – Zwischenruf des Abg. Lercher.)

12.59

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Abänderungsantrag

der Abgeordneten Mag. Gerald Loacker, Michael Bernhard, Kolleginnen und Kollegen

zum Bericht des Finanzausschusses über die Regierungsvorlage (1662 d.B.): Bun­desgesetz, mit dem das Einkommensteuergesetz 1988, das Familienlastenaus­gleichs­gesetz 1967 und das Umsatzsteuergesetz 1994 geändert werden (Teuerungs-Entlastungspaket Teil II) (1702 d.B.) - TOP 2

Der Nationalrat wolle in zweiter Lesung beschließen:

Die eingangs bezeichnete Regierungsvorlage wird wie folgt geändert:

I.   Artikel 1 Z 1 entfällt.

II.  Artikel 1 Z 3 entfällt.

III.  Artikel 1 Z 5 b lautet: "Nach Abs. 1 wird folgender Abs. 1a eingefügt:

„(1a) Die für die Anwendung der Steuersätze für Einkommensteile bis eine Million Euro festgesetzten Grenzbeträge sowie die für die Anwendung des Abs. 4, des Abs. 5 Z 1 bis 3, des Abs. 6 und des Abs. 8 festgesetzten Beträge unterliegen einer Infla­tionsanpassung nach Maßgabe des § 33a. Gleiches gilt für die in § 1 Abs. 4, § 34 Abs. 4 zweiter Teilstrich, § 35 Abs. 1 dritter Teilstrich, § 42 Abs. 1 Z 3, § 99 Abs. 2 Z 2 und § 102 Abs. 3 festgesetzten Beträge sowie die Einkunftsgrenzen des § 4 Abs. 4 Z 8 lit. b.“

IV. Artikel 1  Z 6 lautet:  "Nach § 33 wird folgender § 33a samt Überschrift eingefügt:

„Inflationsanpassung

§ 33a. (1) Die steuerliche Mehrbelastung durch die kalte Progression (Abs. 2) ist nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen abzugelten.

(2) Als kalte Progression ist das inflationsbedingte Mehraufkommen an Einkom­mensteuer zu verstehen, das sich für das jeweilige Folgejahr als Differenz aus dem Steueraufkommen auf Grundlage von noch nicht nach § 33 Abs. 1a inflations­angepassten Beträgen und dem Steueraufkommen bei einer Inflationsanpassung nach Maßgabe des § 33 Abs. 1a unter Zugrundelegung einer gemäß Abs. 3 ermittelten positiven Inflationsrate ergibt.

(3) Für die Ermittlung der Inflationsrate ist das arithmetische Mittel der für die Monate September des vorangegangenen Jahres bis Juli des laufenden Jahres sowie des vorläufigen Wertes für August des laufenden Jahres der von der Bundesanstalt Statistik Österreich veröffentlichten Jahresinflationsraten des Verbraucherpreis­indexes heranzuziehen. Das arithmetische Mittel ist auf das Zehntel eines Prozent­punktes zu runden.

(4) Für jedes Kalenderjahr erfolgt eine Anpassung der Beträge gemäß § 33 Abs. 1a im Ausmaß der positiven Inflationsrate (Abs. 3). Die so ermittelten Beträge sind auf volle Euro aufzurunden. Der Bundesminister für Finanzen hat die für das Folgejahr angepassten Beträge jeweils bis zum 31. Oktober des laufenden Kalenderjahres im Wege einer Verordnung kundzumachen.

(5) Abweichend von den Absätzen 3 und 4 soll die Inflationsanpassung für das Kalenderjahr 2022 insofern erfolgen, als hier die das arithmetische Mittel der für die Monate September des Jahres 2020 bis August des Jahres 2021 der von der Bundesanstalt Statistik Österreich veröffentlichten Jahresinflationsraten des Verbraucherpreisindexes heranzuziehen ist. Das arithmetische Mittel ist auf das Zehntel eines Prozentpunktes zu runden."

V. Artikel 1 Z 7 entfällt.

VI.  Artikel 1 Z 8 entfällt.

VIII.  Artikel 1 Z 9 entfällt.

IX.  Artikel 1 Z 10 entfällt.

X. Artikel 1 Z 11 lautet: "In § 124b werden folgende Z 412 bis 414 angefügt:

"412. § 33 Abs. 1a und § 33a  Abs 1 bis 4 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2022 sind erstmalig anzuwenden, wenn

•          die Einkommensteuer veranlagt wird, bei der Veranlagung für das Kalender­jahr 2023,

•          die Einkommensteuer (Lohnsteuer) durch Abzug eingehoben wird, für Lohnzahlungszeiträume, die nach dem 31. Dezember 2022 enden.

413. § 33 Abs. 1a und §33a Abs 1, 2 und 5 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2022 sind erstmalig anzuwenden, wenn

•          die Einkommensteuer veranlagt wird, bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 2022,

•          die Einkommensteuer (Lohnsteuer) durch Abzug eingehoben wird, für Lohnzahlungszeiträume, die nach dem 31. Dezember 2021 enden.

Wurde für Lohnzahlungszeiträume, die nach dem 31. Dezember enden, die nach §33a  Abs 5 festgelegte Inflationsanpassung noch nicht berücksichtigt, hat der Arbeitgeber für seine Arbeitnehmer eine Aufrollung gemäß § 77 Abs. 3 so bald wie möglich, jedoch spätestens bis 31. Dezember 2022 durchzuführen, sofern die technischen und organisatorischen Möglichkeiten dazu vorliegen.

414. § 17 Abs. 5a Z 1 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2022 ist erstmalig bei der Veranlagung für das Kalenderjahr 2023 anzuwenden."

XI.   In Artikel 2 Z 1 wird der Ausdruck "Kalenderjahr 2025" durch den Ausdruck "Kalenderjahr 2023" ersetzt.

XII.  Artikel 2 Z 2 entfällt.  

XIII. Artikel 3 Z 3 lautet:

 "3. Dem § 55 wird folgender Abs. 59 angefügt:

„(59) § 41 Abs. 5 in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. xx/2022 tritt mit dem der Kundmachung des genannten Bundesgesetzes folgenden Tag in Kraft und ist erstmals in Bezug auf das Kalenderjahr 2023 anzuwenden.“"

Begründung

Nach dem bisher dem Einkommensteuergesetz 1988 (EStG 1988) zu Grunde liegenden Nominalwertprinzip ist für die Einkommensbesteuerung nur der zahlenmäßige, nicht aber der tatsächliche Geldwert maßgebend. Bei Preis­steige­rungen entspricht ein nomineller Einkommenszuwachs jedoch nicht dem realen Einkommenszuwachs. Im Rahmen des progressiven Einkommensteuertarifs kommt es in diesen Fällen im zeitlichen Verlauf zum Effekt der so genannten „kalten Pro­gression“, weil die Eckwerte des progressiven Steuertarifes nicht an die Preissteige­rungsrate angepasst sind. Mit der Änderung soll der Einkommensteuertarif an die Inflationsrate (Teuerungsrate) angepasst und so dem Effekt der „kalten Progression“ begegnet werden. Dabei sollen in § 33 Abs. 1 die anzupassenden Beträge definiert und in § 33a die Wirkweise der Inflationsanpassung umschrieben werden. Damit soll der Effekt der "Kalten Progression" in vollem Umfang ausgeglichen werden - und zwar rückwirkend für das Kalenderjahr 2022.

Gemäß MRV vom 15. Juni 2022 soll die Beitragssenkung der FLAF-Beiträge ein Signal für lohngestaltende Maßnahmen sein. Aus ökonomischer Sicht trägt die materielle Abgabenlast nicht automatisch jener, der vom Gesetz als rechtlicher Träger der Abgabenlast – im Fall der Lohnebenkosten der Arbeitgeber – definiert wird. Da wir an der aktuellen wirtschaftlichen Situation sehen, dass Arbeitgeber hier jeglichen Spielraum benötigen, darf die Abgabenreduktion nicht nur ein Mittel sein, dass im Falle schnellstmöglicher Änderungen von Betriebsvereinbarungen oder Kollek­tivverträgen, gültig sein kann, sondern muss tatsächlich schnellstmöglich umgesetzt werden. Da dies mit der Gesetzesvorlage in nicht ausreichend gewährleistet wird, muss die Reduktion so rasch wie möglich und vollumfänglich erfolgen.

Ad III.

In § 33 soll die Inflationsanpassung umgesetzt werden. Durch Abs. 1a soll in Verbindung mit § 33a mit Wirksamkeit für die Jahre ab 2022 die Methodik der Inflationsanpassung festgelegt werden.

Der erste Satz In Abs. 1a umschreibt, welche Elemente innerhalb des § 33 selbst von der  Inflationsanpassung erfasst sind. Im zweiten Satz des Abs. 1a sollen Bestim­mungen außerhalb des § 33 erfasst werden, die auf Beträge Bezug nehmen, die von der Inflationsanpassung in § 33 betroffen sind, und daher ebenfalls nach Maßgabe des § 33a angepasst werden sollen.

Ad IV.

In § 33a sollen Umfang und Methodik der Inflationsanpassung umschrieben werden.

Die Inflationsanpassung soll durch eine automatische Tarifanpassung auf Grundlage des § 33a Abs. 4 umgesetzt werden. Für die Ermittlung der zur Inflationsanpassung herangezogenene Inflationsrate soll der Zeitraum von September des vorangegan­genen Kalenderjahres bis Juli des laufenden Kalenderjahres sowie des vorläufigen Wertes für August des laufenden Kalenderjahres herangezogen werden. Die ermit­tel­ten Beträge sind auf volle Euro aufzurunden und vom Bundesminister für Finanzen jährlich bis 31. Oktober mit Verordnung kundzumachen.

Im Sinne einer früh greifenden Entlastung sollen für 2022 die Beträge gem.§ 33 Abs. 1a um die gemittelte Inflationsrate im Zeitraums September 2020 bis August 2021 angepasst werden (Abs 5).

Ad X.

Die Inflationsanpassung soll ab dem Kalenderjahr 2022 wirksam werden. Für Lohnzahlungszeiträume im Kalender 2022, für die die nach §33a festgelegte Inflationsanpassung noch nicht berücksichtigt wurde, hat der Arbeitgeber für seine Arbeitnehmer eine Aufrollung gemäß § 77 Abs. 3 bis spätestens bis 31. Dezember 2022 durchzuführen.

Ad XI.

Um eine ehestmögliche Umsetzung mit dem Jahr 2023 zu garantieren, wird die Jahreszahl in Artikel 2 Z1 auf 2023 geändert.

Ad XII.

Um eine flächendeckende Umsetzung und rechtliche Absicherung zu garantieren, werden die Sonderbestimmungen über Zusatzvereinbarungen, mit deren Hilfe eine Reduktion erfolgen kann, gestrichen - sodass diese jedenfalls und für alle Arbeitgeber erfolgt.

Ad XIII.

Aufgrund der Änderungen wird die Inkrafttretensbestimmung angepasst.

*****

Präsidentin Doris Bures: Der Abänderungsantrag wurde in seinen Grundzügen erläutert und wurde bereits verteilt.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Christoph Zarits. – Bitte. (Ruf bei der SPÖ: Er hätte auch die Wissenschaft nehmen können! Er hätte auch sagen können, er ist besser als die Wissenschaft!)