15.19

Abgeordneter Michael Seemayer (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Bundesministerin! Meine Damen und Herren! Es ist heute schon ein paarmal erwähnt worden: Wir haben eine ganz starke Abhängigkeit vom Euro­päischen Wirtschaftsraum, vor allem vom deutschen Wirtschaftsraum.

Uns berichten Betriebsrätinnen und Betriebsräte fast täglich, dass vor allem Betriebe mit hohem Energiebedarf Produktionsverlagerungen planen oder teilweise auch schon eingeleitet haben. Grund dafür sind die hohen Energie­kosten in Österreich.

Jetzt kann man natürlich sagen: Ein Energiepreisdeckel bringt nichts, ist keine gute Idee, und wir machen nichts, um die hohen Preise für Energie zu senken!, wenn aber alle anderen Länder Maßnahmen treffen, die Energiepreise zu senken, nämlich auch kurzfristig, dann werden die Aufträge nicht mehr in Öster­reich erteilt und abgearbeitet werden, sondern dort, wo die Energiepreise günstig sind.

Leider findet sich im vorliegenden Budget kein Hinweis dafür, dass Sie darauf reagieren wollen. Den Preis dafür werden die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zahlen, die im besten Fall in Kurzarbeit geschickt werden, im schlechtesten Fall ihre Arbeitsplätze ganz verlieren werden.

Im Zuge der Auswirkungen der Pandemie haben wir erleben müssen, was es heißt, wenn Beschäftigte Arbeitsplätze verlieren und längere Zeit mit rund 55 Prozent des letzten Nettoverdiensts über die Runden kommen müssen. Das ist so gut wie unmöglich. Das drängt ganze Familien in Armut, das ist demüti­gend, das steigert Kinderarmut und führt zu Ausgrenzung. Daher braucht es auch eine Valorisierung des Arbeitslosengeldes. Und da es sich bei der Valori­sierung der Sozialleistungen um ein Sammelgesetz handelt, hätte auch die Valori­sierung des Arbeitslosengeldes gut dazugepasst. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischen­rufe der Abgeordneten Pfurtscheller und Loacker.)

Leider hat man das nicht gemacht. Man findet das auch im Budget so nicht abgebildet. Es fehlen nämlich die Anhebung des Arbeitslosengeldes (Zwischenruf des Abg. Michael Hammer), die Valorisierung des Arbeitslosengeldes und auch die Anhebung des Familienzuschlages, der derzeit bei 97 Cent pro Tag liegt. Das ist bei Weitem nicht ausreichend, um Kinderarmut zu verhindern.

Daher bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Rainer Wimmer, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Maßnahmenpaket gegen die Armutsgefahr von arbeitslosen Menschen und deren Familien“

eingebracht im Zuge der Debatte zu 1663 d.B.

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat unverzüglich eine Regierungsvorlage zur Beschlussfassung zu übermitteln, mit der der Armuts- und Ausgrenzungsgefahr von arbeitslosen Menschen und deren Familien durch ins­besondere folgende Maßnahmen entgegengewirkt wird:

1) Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent des letzten Einkommens

2) Berechnungszeitraum des Arbeitslosengeldes näher an den Zeitpunkt der Geltendmachung rücken

3) Jährliche Valorisierung des Arbeitslosengeldes bzw. der Notstandshilfe

4) Verdreifachung des Familienzuschlages.“

*****

Danke. (Beifall bei der SPÖ.)

15.22

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Rainer Wimmer, Genossinnen und Genossen

eingebracht im Zuge der Debatte zu 1663 d.B. betreffend ein Bundesgesetz, mit dem das Allgemeine Sozialversicherungsgesetz, das Beamten-Kranken- und Unfallver­sicherungsgesetz, das Arbeitslosenversicherungsgesetz 1977, das Studienförde­rungs­gesetz 1992, das Kinderbetreuungsgeldgesetz, das Familienzeitbonusgesetz, das Familienlastenausgleichsgesetz 1967 und das Einkommensteuergesetz 1988 geän­dert werden (Teuerungs-Entlastungspaket III) – (TOP 10)

betreffend Maßnahmenpaket gegen die Armutsgefahr von arbeitslosen Menschen und deren Familien

Die Regierung valorisiert Sozialleistungen, vergisst dabei aber völlig auf jene Leistung, deren wichtigste Funktion die Existenzsicherung ist – das Arbeitslosengeld.

Oft reicht das Arbeitslosengeld oder die Notstandshilfe nicht einmal für das Nötigste. Das zeigt eine Untersuchung von SORA im Auftrag des Momentum Instituts zur wirtschaftlichen Situation von Arbeitslosen in Österreich sehr deutlich: 6 von 10 Befragten verdienten vor der Arbeitslosigkeit weniger als 1.400 Euro netto im Monat. In der Arbeitslosigkeit haben sogar 97 Prozent weniger als 1.400 Euro. Diese Men­schen sind akut armutsgefährdet und können sich viele Dinge nicht mehr leisten: z.B. unerwartete Ausgaben, neue Kleidung kaufen oder die gesamte Wohnung oder das Haus angemessen warmhalten.

Die Studie zeigt, dass 18 Prozent befürchten, dass sie die nächsten sechs Monate die Miete nicht mehr bezahlen können.

Diese Studie stammt aus dem August 2021 (!). Schon damals war die Situation für arbeitslose Menschen und ihre Familien prekär. Dann kamen die Energiekrise und die Teuerungskrise. Die Preise für Strom und Gas verdreifachten sich und Lebensmit­telpreise steigen unaufhörlich. Im September 2022 betrug die Inflationsrate 10,2 Prozent.

Jene, die schon 2021 nicht mehr wussten, wie sie sich das Leben noch leisten können, sind derzeit völlig am Boden und in Armut abgerutscht.

Arbeitslose erhalten in Österreich 55 Prozent ihres letzten Nettoeinkommens. Die Nettoersatzrate von 55 Prozent ist im internationalen Vergleich niedrig und führt bei den Betroffenen zu hohen abrupten Einkommenseinbußen.

Besonders hart trifft dieser Einkommensverlust aber Langzeitbeschäftigungslose, also jene Personen, die beim AMS Österreich länger als 365 Tage in unterschiedlichen Arbeitsmarkt-Status vorgemerkt waren. Derzeit sind rund 80.000 Langzeitbeschäfti­gungslose Personen beim AMS vorgemerkt. Diese Menschen wissen oft nicht mehr, wie sie ihr Leben meistern sollen, es bricht die Existenzgrundlage weg.

Im Jahr 2000 hat die damalige schwarz/blaue Regierung auch noch eine Regelung abgeschafft, mit der das Arbeitslosengeld valorisiert wurde. Da seither die Höhe eines einmal festgesetzten Arbeitslosengeldes auch dann nicht steigt, wenn ein Mensch über längere Zeit arbeitslos ist, verlieren diese Menschen zunehmend an Fähigkeit, ein Leben in Würde zu führen.

Familien mit Kindern trifft Arbeitslosigkeit noch einmal heftiger, denn der derzeitige Familienzuschuss von 97 Cent pro Tag und anspruchsberechtigter Person ist lächer­lich gering.

Um der Armuts- und Ausgrenzungsgefahr von arbeitslosen Menschen entgegen­zu­wirken, bedarf es daher mehrerer Maßnahmen:

• Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent des letzten Einkommens

• Berechnungszeitraum des Arbeitslosengeldes näher an den Zeitpunkt der Geltendmachung rücken

• Jährliche Valorisierung des Arbeitslosengeldes bzw. der Notstandshilfe

• Verdreifachung des Familienzuschlages

Die Anhebung des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent Nettoersatzrate muss zur grundsätzlichen Existenzsicherung erfolgen.

Die Berechnung des Grundbetrages des Arbeitslosengeldes erfolgt auf Grund der Beitragsgrundlagen aus dem zweitvorangegangenen Jahr vor dem Zeitpunkt der Geltendmachung. Dies führt dazu, dass letzte Gehaltserhöhungen nicht mehr berücksichtigt werden. Gerade in Zeiten hoher Gehaltsabschlüsse wirkt sich das extrem negativ auf die Betroffenen aus.

Die jährliche Valorisierung des Arbeitslosengeldes ist eine notwendige Reaktion der Gesellschaft um auch im Bereich der Langzeitbeschäftigungslosigkeit Verarmung zu verhindern.

Die Verdreifachung des seit der Einführung des Euro nicht mehr erhöhten Familien­zuschlages von derzeit 0,97 Euro würde vor allem Arbeitslosenhaushalten mit Kin­dern helfen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachfolgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat unverzüglich eine Regierungsvorlage zur Beschlussfassung zu übermitteln, mit der der Armuts- und Ausgrenzungsgefahr von arbeitslosen Menschen und deren Familien durch insbesondere folgende Maßnahmen entgegengewirkt wird:

1)         Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent des letzten Einkommens

2)         Berechnungszeitraum des Arbeitslosengeldes näher an den Zeitpunkt der Geltendmachung rücken

3)         Jährliche Valorisierung des Arbeitslosengeldes bzw. der Notstandshilfe

4)         Verdreifachung des Familienzuschlages.“

*****

Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, er steht somit auch in Verhandlung.

Zu Wort gelangt nun Michael Seemayer. – Bitte, Herr Abgeordneter. (Rufe bei der SPÖ: Der war gerade!) – Sie können gerne noch einmal reden, Herr Abgeord­neter. (Heiterkeit bei der SPÖ.)

Nächster Redner: Herr Abgeordneter Mag. Michael Hammer. – Bitte schön. (Abg. Leichtfried: Ist das der Hammer, der ständig Ordnungsrufe bekommt?)