19.18

Abgeordneter Mag. Christian Ragger (FPÖ): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Geschätzte Damen und Herren des Hauses! Ich möchte zum Tagesordnungs­punkt 26 sprechen, über dieses berühmte Scheckkartenformat, weil es einfach unfassbar ist, was wir da im Haus eigentlich beschließen. Wir nehmen fragmen­tarisch ein Stückwerk heraus – und ich muss es noch einmal zitieren –: Wir stellen von Leinenpapier jetzt eben mit einem Digitalisierungsturbo auf ein Scheckkartenformat um.

Also wenn das jetzt, in einer Zeit wie dieser, in der es die höchste Inflation gibt, in der wir in den nächsten Jahren wahrscheinlich die höchste Zinsbelastung haben werden, unser wichtigster Umsetzungspunkt ist, dann sage ich nur mehr: Gute Nacht!

Herr Egger traut sich dann noch, sich herauszustellen, und zu sagen: Wir machen jetzt noch einen Abänderungsantrag!, und er erwähnt die Kristallsternchen für die Schönheitspflege und dass man jetzt die Haarentfernung mittels Laser machen kann. – Na bitte gar schön, also das haut jetzt dem Fass den Boden aus!

Wir haben jetzt 150 Jahre Gewerbeordnung, und ihr, die ÖVP, macht ein frag­mentarisches Stückwerk. (Zwischenruf des Abg. Haubner.) – Wozu denn? Damit ihr die Gehälter von euren Wirtschaftskammerfunktionären rechtfertigt? Das ist der einzige Grund dahinter. (Beifall des Abg. Loacker.) 150 Jahre Stückwerk: Wie an einem Bonsaibaum schneiden wir an irgendetwas herum, damit wir quasi die Wirtschaftskammer aufrechterhalten können. (Abg. Loacker: 1 Milliarde Euro im Jahr für die Bleistiftspitzer!)

Wir verbrennen Geld in Hülle und Fülle, anstatt herzugehen – und das hat der Herr Minister selber im Ausschuss gesagt – und eine Gewerbeordnung Neu zu machen. Gehen Sie einmal hinaus und machen Sie heute eine Gewerbegeneh­migung auf einer grünen Wiese! Das ist fast unmöglich in Österreich. Es dauert fast Jahre bis zur Genehmigung. Man braucht einen Sachverständigen dazu. Der Sachverständige ist dann meistens nicht amtlich verfügbar, dann muss man sich einen privaten Sachverständigen organisieren. Das kann sich heute kein Unter­nehmer mehr leisten. Das, was Sie mit der Gewerbeordnung natürlich gerne machen, ist weiterhin ihre protektionistischen Bereiche – Stichwort Zahn­stern­chen und Laserschönheitstherapien – zu wahren. Wenn das der Grund ist, dass wir in diesem Haus sitzen, dann sitzen wir offensichtlich im falschen Haus.

Daher bringe ich einen Entschließungsantrag ein, und zwar:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten MMMag. Dr. Axel Kassegger, Kolleginnen und Kollegen betreffend „dringende Neukodifizierung der Gewerbeordnung“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungs­vorlage zuzuleiten, mit der eine Neukodifizierung der Gewerbeordnung mit dem Ziel der Schaffung eines zeitgemäßen, übersichtlichen und anwenderfreund­lichen Regelwerks, einer Vereinfachung des gewerblichen Berufszugangs sowie des Abbaus bürokratischer Hemmnisse sichergestellt wird.“

*****

Danke für die Aufmerksamkeit. Ich hoffe, man nimmt das ernst. (Beifall bei der FPÖ. – Ruf bei der ÖVP: Das war eine schlechte Rede!)

19.20

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten MMMag. Dr. Axel Kassegger, Erwin Angerer, Mag. Christian Ragger

und weiterer Abgeordneter 

betreffend dringende Neukodifizierung der Gewerbeordnung

eingebracht im Zuge der Debatte zu Tagesordnungspunkt 26: Bericht des Ausschusses für Wirtschaft, Industrie und Energie über die Regierungsvorlage (1674 d.B.): Bundesgesetz mit dem die Gewerbeordnung 1994 geändert wird (1730 d.B.) in der 178. Sitzung des Nationalrates am 12. Oktober 2022

„(…) Damit blieb die Gewerbeordnung mit ihren zahlreichen Sonder– und Ausnah­meregelungen sowie Spezialbestimmungen zu einzelnen Gewerben ein komplexes und unübersichtliches Regulierungsregime für die Anmeldung sowie die Ausübung von Gewerben.“

Allein dieser Auszug aus dem im Oktober des Vorjahres vom Rechnungshof veröf­fentlichten Bericht betreffend den Zugang zur gewerblichen Berufsausübung (Reihe BUND 2019/37) macht deutlich, dass die Gewerbeordnung einer dringenden Reform und Neukodifizierung bedarf.

Der Rechnungshof kommt in seinem Bericht unter anderem zum Ergebnis, dass auch die Gewerberechtsreform 2017 nur teilweise Erleichterungen gebracht habe, und die Gewerbeordnung weiterhin Flexibilität und Entbürokratisierung vermissen lasse. Weiters kritisiert der Rechnungshof, dass der Zugang zu gewerblichen Berufen nach wie vor zu unübersichtlich und bürokratisch sei.

„Die Struktur der Gewerbeordnung wies erhebliche Schwächen auf, die – im Sinne der Anwenderfreundlichkeit und des Bürgernutzens – dringend zu bereinigen wären. Dies wirkte sich negativ auf die Transparenz und Verständlichkeit des gesamten Regel­werks für die Bürgerinnen und Bürger aus, minderte deutlich dessen Handhabbarkeit für die Gewerbeanmelderinnen und –anmelder, förderte Auslegungsprobleme und war geeignet, die Vollziehung durch die zuständigen Gewerbe-behörden zu erschwe­ren,“ so das wenig erfreuliche Fazit des Rechnungshofs, der dann noch ergänzt, dass „obwohl die seit 150 Jahren bestehende Gewerbeordnung durchschnittlich fast jährlich novelliert werde, in der Vergangenheit die geplanten oder angekündigten Maßnahmen zu einer Liberalisierung und Vereinfachung des Berufszugangs häufig nicht umgesetzt worden seien“.

Auf Basis seiner Feststellungen hob der Rechnungshof abschließend folgende Schluss­empfehlungen an das Bundesministerium für Digitalisierung und Wirtschaftsstandort hervor:

 „Im Sinne der Vorgaben der Europäischen Kommission wären die Regulierungs­mechanismen – insbesondere hinsichtlich ihrer bürokratischen Hemmnisse – zu analysieren sowie deren ökonomische Auswirkungen mit dem Ziel zu bewerten, den gewerblichen Berufszugang weiter zu vereinfachen.

Die in vergleichbaren Staaten bestehenden Gewerberechtsmodelle wären zu analy­sieren und gegebenenfalls wäre eine dahingehende Adaptierung des österreichischen Gewerberechts einzuleiten.

Es wäre konsequent auf eine Neukodifizierung der Gewerbeordnung hinzuwirken mit dem Ziel, ein zeitgemäßes, übersichtliches und anwenderfreundliches Regelwerk zu schaffen.

Die hohe Anzahl der reglementierten Gewerbe wäre einer Analyse und Beurteilung zu unterziehen.

Unter Berücksichtigung von Kosten–Nutzen–Aspekten wären im Rahmen der Bun­deskosten– und Leistungsrechnung die Kosten für die Vollziehung der Gewerbeord­nung auf Bundesebene im Hinblick auf die Effizienz des Mitteleinsatzes transparent auszuweisen und unter Wirtschaftlichkeitskriterien zu beurteilen.

Die Länder wären dazu anzuhalten, ihre Kosten für die Vollziehung der Gewerbeord­nung nach vom Ministerium vorgegebenen, einheitlichen Grundsätzen zu erfassen und dem Ministerium bekanntzugeben. Damit sollte eine transparente Darstellung der Gesamtkosten für die Vollziehung der Gewerbeordnung als Basis für Steue­rungsmaßnahmen durch das Ministerium geschaffen werden.“

Nicht zuletzt vor dem Hintergrund dieser seit Jahren bekannten Fakten wurde im ÖVP/FPÖ-Regierungsprogramm im Jahr 2017 unter anderem eine Neukodifizierung der Gewerbeordnung und eine Evaluierung des Gewerberechts auch in Hinblick auf den Zugang zu gewerblichen Tätigkeiten vereinbart.

Um eine Gewerbeordnungsreform, die über die diesem Antrag zugrundeliegende Änderung der Gewerbeordnung, mit der lediglich „Scheckkarten“ Leinenpapier-Aus­weise ersetzen sollen, hinausgeht, herbeizuführen, stellen die unterfertigten Abge­ordneten daher nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zuzuleiten, mit der eine Neukodifizierung der Gewerbeordnung mit dem Ziel der Schaffung eines zeitgemäßen, übersichtlichen und anwenderfreundlichen Regelwerks, einer Vereinfachung des gewerblichen Berufszugangs sowie des Abbaus bürokrati­scher Hemmnisse sichergestellt wird.“

*****

Präsidentin Doris Bures: Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß einge­bracht und steht mit in Verhandlung.

Frau Abgeordnete Götze, Sie gelangen zu Wort. – Bitte.