Dringlicher Antrag

der Abgeordneten Mag. Jörg Leichtfried, Kolleginnen und Kollegen betreffend „ÖVP-Korruption beenden statt aussitzen – Sofortmaßnahmen zur Stärkung von Transparenz, Aufklärung und Anstand sowie Neuwahlen als einziger Weg“ (2895/A)(E)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Wir gelangen nun zur dringlichen Behand­lung des Selbständigen Antrages 2895/A(E).

Da dieser inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch die Schriftführung.

Der Dringliche Antrag hat folgenden Wortlaut:

„So sind wir nicht! So ist Österreich einfach nicht!“, lauteten die Worte des Bundes­präsidenten nach IBIZA 2019. Nach fünf Jahren ÖVP-Kanzlerschaft sagt der Bundespräsident „Das, was in den letzten Tagen zum Korruptionsthema wieder öffentlich wurde (…) ist ein massiver Schaden, der an die Substanz unserer De­mokratie geht. Wir brauchen eine Generalsanierung!“

Die Kaskade an ÖVP-Korruptionsereignissen erschüttert das Vertrauen in die Demokratie. Demokratie kann nur funktionieren, meinte Bundespräsident Van der Bellen, wenn Menschen darauf vertrauen können, dass die regierenden Perso­nen integer handeln und dass die politisch Verantwortlichen mit dem ihnen geliehe­nen Vertrauen sorgsam umgehen. Daher kann der Theorie der ÖVP niemals ge­folgt werden, wonach die rote Linie des politischen Handelns erst beim Strafrecht beginne. Die Politik muss für sich höhere Ansprüche definieren, um das Ver­trauen wiederherzustellen.

Insgesamt ist Österreich schon zu lange mit einer Bundesregierung konfrontiert, die die Krisen durch das Land, statt das Land durch die Krisen führt. Vom Corona-Missmanagement bis zur aktuellen Teuerung zeigt sich: ÖVP und Grüne sind nicht in der Lage, diese Krisen zu bewältigen.

Der gesamte Pandemiezeitraum war eine reine Pannen-, Pech- und Pleitenshow der Regierung. Österreich hat pro Kopf in Europa zwar am meisten Geld zur Kri­sen“bewältigung“ ausgegeben, aber nur drei Länder sind schlechter als Österreich durch die Krise gekommen. Drei Jahre nach Pandemiebeginn und zahlrei­che Krisen später, gibt es bis heute immer noch kein Krisensicherheitsgesetz – trotz ebenfalls drei Jahre alter Ankündigungen.

Auch bei der Bekämpfung der Teuerung versagt die Bundesregierung. Ständig hinkt sie hinterher. Bereits seit Ende letzten Jahres wurde von Seiten der SPÖ vor der Rekordteuerung gewarnt und gefordert preissenkende Maßnahmen zu setzen. Kanzler und Vizekanzler haben das stattdessen als „Hysterie“ abgetan bzw. zu Psychopharmaka geraten.

Die Inflation ist mit 11% auf dem höchsten Niveau seit 70 Jahren und dennoch gibt es in Österreich noch keinen Gaspreisdeckel (auch auf europäischer Ebene nicht). Statt Preise nachhaltig zu senken, verschärft die Bundesregierung mit der Einführung der CO2-Steuer die Teuerung weiter. Allein durch die CO2-Steuer wird sich die Inflation 2023 um einen weiteren Prozentpunkt erhöhen.

Von einer Abschöpfung der Übergewinne von Konzernen, die zu den Krisengewinnern zählen fehlt weiterhin jede Spur. Genauso wie von einem Klimaschutzgesetz und dem Energieeffizienzgesetz.

Dasselbe Bild zeigt sich beim nahezu inexistenten Vorgehen gegen Korruption sowie deren Prävention. Seit Jahren liegen Vorschläge der Opposition am Tisch, Ös­terreich transparenter zu machen sowie die völlig veraltete Amtsverschwiegen­heit abzuschaffen und durch den Grundsatz der Informationsfreiheit zu ersetzen. All diese Bemühungen scheitern immer an einer Partei – nämlich an der ÖVP. Es verwundert daher nicht, dass auch in unabhängigen internationalen Rankings, wie dem Demokratieindex, dem Rechtsstaatlichkeitsindex und dem Pressefrei­heitsindex, Österreich Jahr für Jahr weiter abrutscht und inzwischen nicht mehr als liberale Demokratie eingestuft wird, sondern zur Wahldemokratie herabge­stuft wurde. Also auf eine Form der Demokratie, in der Bürgerinnen und Bürger von aktiver Politikteilnahme mit Ausnahme von Wahlen ausgeschlossen werden.

Diese Einschätzung täuscht nicht: Massive Angriffe von Mitgliedern der Bundesregie­rung auf die Justiz und ihre Unabhängigkeit haben dem österreichischen Rechts­staat geschadet. Transparenz, die für eine aktive Korruptionsbekämpfung notwendig ist, wird verweigert, die Amtsverschwiegenheit – ein österreichisches Relikt – aufrechterhalten, die Informationsfreiheit den Bürgerinnen und Bürgern sowie den Medien verweigert. Selbst eine Nachschärfung der Korruptionstatbestände ist nicht umgesetzt, sondern im Korruptionssumpf versenkt worden.

Das ganze Ausmaß der ÖVP-Skandale gerät angesichts der ständigen neuen Enthüllungen und Vorwürfe oft aus dem Blick. Zur Erinnerung: Mittlerweile wird neben dem ehemaligen Bundeskanzler Sebastian Kurz auch gegen fünf ehe­malige ÖVP-Finanzminister, drei weitere von der ÖVP nominierte Ex-Minister*innen, den Präsidenten des Nationalrates, mehrere ÖVP-Abgeordnete (darunter der Klubobmann), diverse der ÖVP zuzurechnende hochrangige Beamt*innen und die ÖVP-Gönner Wolf und Benko sowie eine Vielzahl ihrer jeweiligen Mitar­beiter*innen u.a. wegen Bestechlichkeit, Amtsmissbrauch und Untreue ermittelt.

Damit aber noch nicht genug, treffen die Vorwürfe die ÖVP auch in den Ländern: der Vorarlberger Landeshauptmann und zwei ÖVP-Landesräte sowie ein nicht-amtsführender Wiener Stadtrat der ÖVP sind ebenfalls im Fokus der Staatsanwalt­schaft. Und laufend werden es mehr. Da passt es, dass die ÖVP als Ganzes als beschuldigter Verband geführt wird.

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Manche Zeitungskommentatoren sprechen bereits davon, dass die ÖVP von „endemischer Korruption“ (fortwährend gehäuft auftretende Korruption) betroffen sei. Während Bundeskanzler Nehammer noch darauf besteht, dass die ÖVP kein Korruptionsproblem habe, zeigt sich, dass die ÖVP selbst das Korruptionspro­blem Österreichs ist. Wenn Bundeskanzler Nehammer „volle Aufklärung“ fordert, aber damit die Justiz meint, während er es selbst ist, der genau deren Arbeit behindert, dann will Bundeskanzler Nehammer in Wahrheit nur eines: Aussitzen und an der Macht bleiben.

Es scheint, als wäre der ständige Abtausch („Sie kennen das Gschäft, fürs Inserat gibt‘s a Gegengschäft“ - © Sobotka) anstelle der Politik das wahre Geschäftsmodellder ÖVP geworden. Schon lange ist nicht mehr erkennbar, für welche inhaltliche Vor­stellung die ÖVP überhaupt noch steht. Machterhalt scheint ihre einzige Triebfe­der zu sein. Ob der erforderliche Neubeginn für die Republik mit dieser Regierung mög­lich ist, muss daher bezweifelt werden. Neuwahlen wären eindeutig der bessere Weg, um die drängenden Probleme – die es neben der Korruption leider zuhauf gibt – endlich anzupacken.

In der Zwischenzeit nutzt die ÖVP jedoch weiter ihre Macht aus, um die Ermittlungen zu behindern. Einen vorläufigen Höhepunkt erreichte die Verdunkelungspolitik der ÖVP, als sich das Bundeskanzleramt im Herbst verweigerte, eine Sicherstellungsan­ordnung der WKStA zu befolgen. Diese verlangte vom Bundeskanzleramt die Herausgabe umfangreicher Daten von Mitarbeiter*innen der Abteilung für Öffent­lichkeitsarbeit sowie des Kabinetts.

Hintergrund war, dass Beschuldigte wie etwa Gerald Fleischmann offenbar vor einer Hausdurchsuchung gewarnt wurden und daher alle ihre E-Mails und Dateien zuvor erfolgreich gelöscht hatten. Fleischmann hat sogar sein neuwertiges Handy tauschen lassen, was das Kanzleramt später als Routinevorgang darstellen wollte. Für die Korruptionsermittler besonders empörend: Bundeskanzler Nehammer kommt Beschuldigtenstatus zu, da er Obmann der als ganze Partei beschul­digten ÖVP ist. Er muss sich somit nicht selbst belasten. Anstatt jedoch seinen Bei­trag zu leisten, setzt er enorme Summen an Steuergeld ein, um zu verhindern, dass die WKStA an die von ihnen gesuchten Akten kommt.

Die ÖVP hat also immer noch nichts gelernt: In der Zwischenzeit versuchen ihre Ver­treter*innen im ÖVP-Korruptions-Untersuchungsausschuss sogar, Thomas Schmid unter Wahrheitspflicht zu entlocken, wo er sie noch belasten könnte, bevor er dies bei der Staatsanwaltschaft tut. Sie wollen die Ermittlungen der WKStA offen­bar aktiv behindern.

Echte und glaubwürdige Lösungen für die Zukunft vermisst man derweil gleicher­maßen schmerzvoll: Zwar wurde der ÖVP die Reform des Parteiengesetzes abgerungen. Dies jedoch erst nach massivem Protest und dem zwischenzeitlichen Versuch, Mechanismen zur ÖVP-Parteienfinanzierung still und heimlich zu legalisieren. Weitere Konsequenzen sucht man vergeblich: Die Verschärfung des Korruptionsstrafrechts, und ein Informationsfreiheitsgesetz, sowie die Einset­zung eines unabhängigen Bundesstaatsanwalts lassen auf sich warten. Postenbeset­zungen werden weiterhin unabhängig von Qualifikation politisch gesteuert. Alles so, als wäre nichts gewesen. Die mangelnde Einsichtsfähigkeit der ÖVP zeigt sich am jüngsten Beispiel der längst überfälligen Besetzung der Generaldirek­tion der Bundeswettbewerbsbehörde. Ein männlicher Vertrauter von EX-ÖVP-Bun­deskanzler Schüssel soll der vielseits gelobten und unbestritten fachlich ge­eigneten weiblichen Interimschefin der Wettbewerbsbehörde vorgezogen werden.

Mit dem Geständnis von Thomas Schmid wurde nun klar, dass die Vorwürfe niemals nur ein Konstrukt eines „linken Netzwerks in der Justiz“ oder ähnlich lautender Verleumdungen waren, die die ÖVP aufgestellt und verbreitet hat. Mit nunmehr zwei geständigen Mittätern und dem unbedingten Anerkenntnis, dass die Vorwürfe der WKStA gegen die ÖVP den Tatsachen entsprechen, flüchtet sich die ÖVP in eine Parallelwelt, die losgelöst von den Tatsachen zu existieren scheint.

Das gesamte Ausmaß der ÖVP-Korruption lässt sich gleichzeitig weiterhin nur erah­nen. Die ÖVP hat den Missbrauch des Staatsapparates zu eigenen parteipoli­tischen Zwecken in einem Ausmaß perfektioniert, das selbst viel gewohnte Kommen­tatoren sprachlos zurücklässt. Die Methoden, die Thomas Schmid gleich zu Be­ginn seines Geständnisses beschreibt, werden nicht auf das Finanzministerium be­schränkt geblieben sein:

Der Griff in die Steuerkasse scheint der ÖVP so selbstverständlich wie der Sonnenuntergang: Neben dem oberösterreichischen Seniorenbund griffen v.a. die Tiroler Jungbauern tief in die Fördertöpfe. Auf Einsicht wartet man da wie dort vergeblich. Die ÖVP bleibt offenbar der Ansicht, ihr gehöre der Staat.

Der Bundespräsident ermahnte die Regierung zuletzt: „Wir brauchen eine Generalsanierung, eine Sanierung der Substanz.“ Die Regierung glaubt aber immer noch, mit ein paar Farbtupfern auszukommen. Sie sollte die Sanierung daher besser anderen überlassen. Denn: So darf Politik einfach nicht sein. Da die Bundesre­gierung in den letzten Jahren vom Corona Missmanagement bis zum erfolglosen Kampf gegen die Teuerung ausreichend gezeigt hat, dass sie den aktuellen Herausfor­derungen nicht gewachsen ist, sind selbst in volatilen Zeiten Neuwahlen der ein­zige richtige Weg.

Um umgehend erste Maßnahmen für mehr Transparenz, Aufklärung und Anstand zu setzen, stellen die unterfertigten Abgeordneten nachstehenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundeskanzler, wird aufgefordert, folgende Sofortmaßnahmen zu setzen:

-          Der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) unverzüglich alle von ihr begehrten Akten und Unterlagen herauszugeben, um so die Aufklärung der Vorwürfe gegen die ÖVP umfassend zu unterstützen. Dazu gehöre auch, sich an der Konsultationsvereinbarung mit der WKStA - analog zu allen anderen im Parlament vertretenen Fraktionen – bezugneh­mend auf die Befragungen im Untersuchungsausschuss zu beteiligen, um Ermittlungen der WKStA nicht zu gefährden.

-          Die Vernichtung von Akten und die Löschung von Daten im BKA zu stoppen, um mögliche Verdunkelungshandlungen zu verhindern.

-          Sich dafür einzusetzen, dass dem Nationalrat ehestmöglich Regierungsvorla­gen zugeleitet werden,

•          um Mandatskauf und Kandidat*innenbestechung strafbar zu stellen,

•          um Korruptionsstrafbestimmungen für Spitzenpolitiker*innen zu verschärfen und damit die Verjährungsfristen für Korruptionsdelikte zu verlängern,

•          um endlich die Amtsverschwiegenheit abzuschaffen und die Informa­tionsfreiheit einzuführen,

•          um Postenbesetzungen im öffentlichen Bereich transparent und objektiv zu gestalten und

•          um rasch die Einrichtung eines weisungsfreien und unabhängigen Bundes­staatsanwaltes zu ermöglichen.“

In formeller Hinsicht wird verlangt, diesen Antrag im Sinne des § 74a Abs. 1 iVm § 93 Abs. 2 GOG-NR zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu behandeln und dem Erstantragsteller Gelegenheit zur mündlichen Begründung zu geben.

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich erteile Herrn Abgeordneten Klubobmann Leichtfried als Antragsteller zur Begründung des Dringlichen Antrages das Wort. (Abg. Amesbauer: Herr Präsident, zur Geschäftsordnung! Herr Präsident!)

Gemäß § 74a Abs. 5 der Geschäftsordnung darf die Redezeit 20 Minuten nicht überschreiten. Herr Klubobmann - - (Ruf bei der FPÖ: Zur Geschäftsordnung!) – Zur Geschäftsordnung, bitte.