9.58

Abgeordnete Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES (NEOS): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Kanzler! Sehr geehrter Herr Vizekanzler! Sehr geehrter Herr Finanzminister! Werte Mitglieder der Bundesregierung! Werte Kolleginnen und Kollegen! Liebe Zuschauer! Und vor allem liebe Steuer­zah­lerinnen und Steuerzahler! An dieser Stelle einen herzlichen Dank im Namen meiner Fraktion an die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler für die Möglichkeit, hier überhaupt ein Budget zu diskutieren. (Beifall bei den NEOS.)

Ja, es ist sicherlich keine leichte Zeit, in der hier ein Budget erstellt wird. Wir haben wieder Krieg in Europa. Wir haben eine Rekordinflation, die die Menschen wirklich tagtäglich in Form von massiv steigenden Preisen spüren, insbesondere explodierende Energiekosten für Haushalte genauso wie für Betriebe. Und ja, man könnte auch den Eindruck gewinnen, die Zukunft hat schon einmal rosiger ausgeschaut. Umso wichtiger ist es meines Erachtens, dass eine Bundesregierung mit einem Budget eine klare Vision auf den Tisch legt, wie diese Zukunft auszusehen hat.

Da muss ich meiner Vorrednerin von der Sozialdemokratie, Rendi-Wagner, recht geben: Ich sehe diese Vision auch nicht. Ich sehe hier nicht die gemeinsame Ansage dieser angeblich Besten aus zwei Welten mit der Frage: Wie soll denn unser Österreich in der Zukunft ausschauen, ja vielmehr noch, wie soll denn unser Land, wie sollen denn die Menschen in unserem Land gestärkt aus dieser Krise kommen?

Es ist zweifelsohne so, dass man sagen kann, das sind – wirtschaftlich gesehen – noch gute Zahlen, es herrscht auch Vollbeschäftigung, aber es ist keine leichte Zeit und es entscheidet sich jetzt, wo wir in ein Tal gegangen sind, wie tief und wie lang dieses Tal denn sein wird, wie lange wir da durchgehen werden und insbesondere ob wir am Ende dieses Tals auch gestärkt aus dieser Krise herauskommen.

Gestärkt kommt man aus einer Krise nicht heraus, indem man einfach die Unzu­friedenheit der Menschen mit Geld bewirft. Ich habe ein wenig den Eindruck, das passiert durch Ihr Budget, denn es gibt einen Superlativ, und das sind die Ausga­ben: die Ausgaben in Höhe von 115 Milliarden Euro und damit die höchsten Ausgaben aller Zeiten. Das ist der Umfang des Budgets, aber diesen Superlativ können wir leider nicht anwenden, wenn es um die Frage der Zukunftsfähigkeit des Budgets geht.

Ich habe mir das genauer angeschaut. Es geht ja immer um die Frage: Was wird sozusagen für Konsumation aufgewendet, was zur Bewahrung von dem, was war, was ist sogar Finanzierung der Vergangenheit, und wo sieht man wirklich Investitionen in die Zukunft? Politik hat ja auch immer den Anspruch, zumindest wenn es nach uns NEOS geht, Bäume zu pflanzen, von denen man weiß, dass man unter deren Schatten niemals sitzen wird. Das ist insbesondere ein Anspruch im Sinne der Jungen, dass wir doch jetzt die Weichen für eine Zukunft stellen müssen, die eine gute Zukunft für die Jungen ist.

Es gibt eine Zukunftsquote, die man errechnen kann. Es gibt ein deutsches Institut, das ein Modell vorgelegt hat, und wir haben uns dieses angeschaut: Selbst wenn man den weitesten Begriff dieses Modells zugrunde legt, so muss man konstatieren, dass von 5 Euro, die Sie ausgeben, nur 1 Euro in diese Zukunftsinvestitionen fließt. Das ist tatsächlich eine Zukunftsvergessenheit. (Beifall bei den NEOS.)

Herr Klubobmann Wöginger, weil Sie hier in einer schon bemerkenswerten Überheblichkeit (Abg. Zarits: Wer ist überheblich? Ihr seid die Überheblichsten da in dem Haus!) der Opposition vorwerfen, sich nicht mit dem Budget auseinander­gesetzt zu haben, und auch immer wieder meinen, nur Sie wären am Puls der Zeit, bei den Menschen da draußen und nur Sie wüssten, was diese bewegt: Wie erklären Sie, insbesondere die Grünen, denn eigentlich den jungen Menschen, dass Sie – mit grüner Regierungsbeteiligung – die Klimaziele 2040 katastrophal verfehlen werden? (Zwischenruf der Abg. Disoski.)

Stellen Sie sich hin und sagen Sie das ehrlich: Wir werden die Klimaziele verfehlen, und zwar mit grüner Regierungsbeteiligung! – Das ist Zukunfts­vergessenheit. (Beifall bei den NEOS.)

Wie erklären Sie denn den Menschen in Österreich, die sich angesichts der Klimakrise Sorgen machen, dass in Österreich weiterhin tagtäglich 13 Fuß­ball­felder zubetoniert werden? (Abg. Disoski: ... Stadtautobahn! – Abg. Zarits: In Wien! ... in Wien!) 13 Fußballfelder werden weiterhin zubetoniert, und diese Bundesregierung hat nichts auf den Tisch gelegt, um das zu ändern.

Wie erklären Sie denn den Menschen, dass Sie hier beim Ausbau der Erneuer­baren ein bisschen aufs Tempo drücken wollen? Es ginge aber darum, wirklich Leadership zu zeigen, so wie das jetzt auch die Europäische Kommission getan hat – und ich bin sehr froh, Herr Klubobmann Kickl, dass es da auch einen europäischen Weg gibt, gerade um beim Klimaschutz voranzukommen, denn diese Bundesregierung wäre viel zu zaghaft – mit ihrem Vorschlag, im Wege einer Notverordnung wirklich den Turbo für Erneuerbare und damit auch für Frei­heitsenergie zu zünden.

Ich freue mich, dass es funktioniert hat, dass die Universitäten Protest eingelegt haben. Ich freue mich tatsächlich, dass da nachgebessert wird. Auf der anderen Seite aber stelle ich mir die Frage: Was ist mit Kindergärten? Haben die keine Lobby? Haben die nicht laut genug geschrien? Wo ist denn da die Zukunfts­inves­tition in den massiven Ausbau von Kinderbetreuung?

Dabei geht es nicht um irgendwelche abstrakten Zahlen, sondern da geht es um Frauen in Oberösterreich, die nicht arbeiten gehen können, weil sie um 12.30 Uhr – ohne Mittagessen – immer noch ihre Kinder abholen müssen, weil es in der Gemeinde kein Angebot gibt. Es sind übrigens vorwiegend ÖVP-Bürgermeister, von denen dann solche Aussagen kommen wie – das hat mir eine Dame letzten Donnerstag erzählt –: Bei uns in der Gemeinde brauchen wir keine Nachmittagsbetreuung, denn wir haben funktionierende Familien! – Das ist Zukunftsvergessenheit, meine sehr geehrten Damen und Herren. (Beifall bei NEOS und SPÖ. – Abg. Wöginger: Welche Gemeinde ist das?)

Und, Herr Klubobmann Wöginger, wenn Sie sich hier herausstellen und sagen, die Gemeinden sind sozusagen der wichtigste Motor für die Betriebe (Abg. Wöginger: Ein wichtiger!) – nein, das haben Sie nicht gesagt –: Wie erklären Sie eigentlich den Betrieben, die durch Bürokratie geknüppelt und geknechtet sind, durch Ihre Gesetze, durch immer mehr Bürokratie und immer mehr Gesetze, die sich von früh bis abends nur noch mit irgendwelchen teilweise Fantasiegesetzen, die Sie sich ausgedacht haben, und gleichzeitig mit Abgaben, wie zum Beispiel auch Lohnnebenkosten, beschäftigen müssen und einfach ihrem Job, nämlich gemeinsam mit den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern wirklich zu wirt­schaf­ten, gar nicht mehr nachkommen können, dass Sie sagen, das Wichtigste sind die Gemeinden?

Ich habe das Gefühl, die ÖVP ist ein riesengroßer niederösterreichischer ÖAAB geworden. Ansonsten gibt es da drinnen keine Vertretung der Wirtschaft mehr. (Beifall bei den NEOS.)

Ich zitiere ein weiteres Mal die SPÖ-Vorsitzende (Abg. Haubner: Eine große Nähe!), weil ich es auch so spannend finde, dass sie das gesagt hat (Abg. Haubner: Eine große Nähe, oder? Wiener Modell: SPÖ, NEOS!): Geld auszugeben alleine ist zu wenig. – Das ist ein bemerkenswerter Satz für die Sozialdemokratie, aber ein sehr richtiger Satz.

Mir ist schon klar, dass Sie in den Umfragen schlecht dastehen. Mir ist schon klar, dass das Vertrauen in die Politik auf einen Nullpunkt gesunken ist. Mir ist auch klar, dass Debatten, die wir noch führen werden, über goldene Flügel und Prunkräumlichkeiten im neuen Parlament nicht einer Lösung zuträglich sind, wenn es um die Frage geht, wie man dieses Vertrauen wieder schafft.

Was Sie machen, ist – so wie ich es eingangs gesagt habe –: Sie bewerfen diese Unzufriedenheit mit Geld und borgen sich Milliarden vom Steuerzahler, von der Steuerzahlerin und vor allem von der nächsten Generation, liefern denen aber nichts. Was ist denn mit dem Aufstiegsversprechen? Österreich ist groß gewor­den mit einem Aufstiegsversprechen: Erwirb eine Bildung, eine gute Bildung, mach eine gute Ausbildung, geh arbeiten, und du kannst dir etwas aufbauen, du kannst dir mit deiner eigenen Arbeitskraft etwas erarbeiten! – Was sagen dazu die jungen Leute, wenn Sie diese fragen? Glauben die noch daran? – Sie glauben nicht mehr daran.

Zunehmend sagen die Menschen, nicht nur die jungen: Ich kann mir durch meine eigene Arbeitskraft nichts mehr aufbauen. – Und ja, ich freue mich über die teilweise Abschaffung der kalten Progression – ganz wäre es uns lieber gewe­sen –, aber das ist noch keine Steuerentlastung, sondern das ist ein Verzicht auf eine Steuererhöhung. (Beifall bei Abgeordneten der NEOS. – Abg. Zarits: Mein Gott na! – Abg. Haubner schlägt die Hände zusammen.)

Das heißt, wir befinden uns in einer Situation, in der man sagt: Wir gehen jetzt wieder in ein Budget der Superlative, borgen uns Milliarden vom Steuerzahler, entlasten aber weder Steuerzahlerinnen und Steuerzahler noch Betriebe! – Damit wird ein für alle Mal klargestellt, dass diese Bundesregierung, Grün wie ÖVP, nicht für dieses Aufstiegsversprechen stehen, sondern nur für eines: für weitere Belastungen und vor allem für einen Abstiegsbeschleuniger. (Abg. Zarits: Das ist unvorstellbar!) – Das ist Zukunftsvergessenheit par excellence! (Abg. Wöginger: Die Körperschaftsteuer wird gesenkt, Frau Kollegin! – Abg. Steinacker: ... schon schauen, was die steuerlichen Maßnahmen sind!)

Was müsste getan werden, um wirklich zu entlasten? – Es bräuchte den mutigen Schritt, tatsächlich die Steuer- und Abgabequote zu senken. Es geht nicht bloß um die kalte Progression, sondern um steuerliche Entlastungen. (Abg. Steinacker: Geh bitte: Eine Senkung der Steuerstufen, was ist das?)

Was müsste getan werden, um auch mehr Einkommen für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu schaffen, sodass diese besser auskommen und sich wieder etwas aufbauen können? – Na selbstverständlich, es braucht eine Entlastung der Lohnnebenkosten samt einer Entlastung auch von der Bürokratie.

Was müsste wirklich getan werden, um die Klimaziele 2040 zu erreichen? – Es wäre notwendig, bei erneuerbaren Energien, bei Freiheitsenergien wirklich den Turbo zu zünden.

Sie wissen natürlich auch, was für die Jungen getan werden müsste: gene­rationengerechte Politik, die sich nicht scheut, sehr wohl auch echte Strukturreformen anzugehen, ob das eine Föderalismus-, eine Förderalis­musreform, aber vor allem auch eine Pensionsreform ist.

Vor ein paar Wochen habe ich hier gesagt, ich habe den Eindruck, Sie haben eh abgeschlossen. Die ÖVP denkt sich: Na ja, nach uns die Sintflut! Wir werden nicht mehr im Finanzministerium vertreten sein – Gott sei Dank, sage ich übri­gens, werden Sie nicht mehr im Finanzministerium vertreten sein, denn da gibt es dann wieder eine Fastlane für manche, möglicherweise auch Spender der ÖVP (Abg. Steinacker: Also Unterstellung über Unterstellung!), und das wollen wir nicht, das ist nicht das Land, das wir uns vorstellen –, wir werden dann dort nicht mehr vertreten sein, also bewerfen wir jetzt die Unzufriedenheit mit Geld; und mit den Problemen und den Reformen soll sich dann die nächste Regierung erwürgen, wir wollen damit nichts mehr zu tun haben. – Danke sehr. (Beifall bei den NEOS.)

10.08

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf noch darauf hinweisen, dass im Foyer derzeit die SDG-Ziele 16 ausgestellt werden. (Abg. Kassegger: Was ist 16?) Alle Abgeordneten sind eingeladen, sich auch mit der Gruppe auseinander­zu­setzen. – Dies zur Information. (Abg. Kickl: Darf da jeder ausstellen?)

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Haubner. – Bitte.