15.27

Abgeordneter Dr. Nikolaus Scherak, MA (NEOS): Herr Präsident! Frau Bundes­ministerin! Frau Kollegin Prammer hat es richtig angesprochen: Eine Legis­laturperiode dauert fünf Jahre und sollte dazu genutzt werden, dass man fünf Jahre lang intensiv arbeitet. Ich stimme Ihnen zu.

Man kann ein bisschen differenzierter argumentieren als Kollege Schnedlitz vorhin. Ich finde, man kann auch ein wenig weniger populistisch argumentieren, als Kollege Leichtfried das macht. Was man in dieser Budgetdebatte aber schon sieht und gesehen hat, ist, dass es der bessere Weg wäre, in Neuwahlen zu gehen.

Zwar bin ich grundsätzlich überzeugt davon, dass man fünf Jahre nutzen sollte. Das war ja auch die Idee bei der Verlängerung von vier Jahren auf fünf Jahre: dass man nachhaltige Reformen angeht. Genau da sehe ich aber das Problem bei dieser Bundesregierung.

Womit Sie konfrontiert sind, ist – und daran sind nicht in erster Linie Sie schuld, sondern das sind externe Faktoren: das ist ein Krieg in Europa, das ist davor Corona gewesen –, dass Sie Symptome bekämpfen müssen. Sie sind ein bisschen wie der Arzt, der immer wieder versucht, ein weiteres Pflaster irgendwo draufzukleben.

Das merkt man jedes Mal, wenn man entweder in den Parlamentsdebatten oder auch in den Medien verfolgt, welches neue Paket Sie wieder schnüren. Es gibt immer irgendein neues Paket. Jetzt ist das Paket für die Gemeinden da, es war das Paket da, um die Energiepreise zu unterstützen, und, und, und.

Also es wird ganz, ganz viel Geld ausgeschüttet, und das in der Regel – und das ist ja aus unserer Sicht das größte Problem – mit der Gießkanne. Wenn man das macht, muss man sich halt überlegen, woher man das Geld dafür hat. Selbst wenn man der Meinung ist, dass es gescheit ist, mit der Gießkanne ein Paket nach dem anderen zu finanzieren, muss man das Geld irgendwo finden. Das überlegen Sie nicht, und das haben wir in der Budgetdebatte auch schon gehört. Sie überlegen keine Sekunde, wie Sie eine Gegenfinanzierung zustande bringen. Das bedeutet, dass alles, was Sie tun, auf Kosten der nächsten Generationen gehen wird. (Beifall bei den NEOS. – Zwischenruf der Abg. Prammer.)

Jetzt ist das bei der ÖVP so sicher wie das Amen im Gebet. Die ÖVP sitzt seit 36 Jahren in der Regierung und hat es noch jedes Jahr geschafft, neue Schulden zu machen. Man kann auch sagen: Okay, das ist der Normalzustand, das ist einfach so! – Das Problem ist aber: Die Situation ist eine andere. Die Situation ist aufgrund der Krisen, die wir haben, eine andere, und das bedeutet, dass Sie noch mehr Geld ausgeben und man sich umso mehr Gedanken machen müsste, wie man in diesem Land strukturell etwas verändert, um irgendwann einmal diesen Schuldenberg wieder abzubauen.

Strukturell tun Sie sehr wenig. Zugegeben, Sie haben die kalte Progression zu zwei Dritteln abgeschafft – nicht komplett, das haben wir ja schon öfter diskutiert –, aber das ist etwas, was viele, viele Regierungen nicht zustande gebracht haben. Überlegen Sie sich aber darüber hinaus, ob man die Krise nicht auch als Chance wahrnehmen könnte, um längst notwendige Reformen anzu­gehen? Es ist ja nicht nur, dass ich sie als Chance begreifen will, sondern wir müssen sie auch irgendwann einmal als Chance begreifen. – Das tun Sie ganz einfach nicht! Sie gehen grundlegende Strukturreformen nicht an. Sie denken weder darüber nach, wie man den Föderalismus neu aufstellen kann, noch, wie man den Förderalismus neu aufstellen kann, und so weiter und so fort. Das ist das Problem, und das ist der Grund, wieso Neuwahlen besser sind, als dass Sie weiter in diesem Zusammenhang nichts tun. (Beifall bei den NEOS und bei Abge­ordneten der SPÖ.)

Ich frage mich dabei immer, was denn noch kommen soll. Wir hatten die Dis­kussion schon beim Korruptionsstrafrecht. Ich habe die ÖVP damals gefragt, was denn für ein Skandal noch notwendig ist, damit man jetzt endlich sagt: Na ja, also jetzt machen wir wirklich einmal etwas! – Genau das Gleiche ist hier: Wir haben die größten Krisen knapp hintereinander – wir haben zuerst Corona, eine unfassbare Herausforderung für den Staat, für das Gemeinwesen; jetzt haben wir zum ersten Mal seit 1945 wieder Krieg auf dem europäischen Kontinent. Das heißt, es werden unfassbare Geldsummen gebraucht, und Sie denken weiterhin nicht darüber nach. Wir haben am Vormittag in der Generaldebatte schon gehört: Der Zuschuss zu den Pensionen ist dieses Jahr bei 22 Milliarden Euro und wird in vier Jahren bei 32,8 Milliarden Euro sein. Es gibt keine Antwort von Ihren beiden Parteien, wie Sie darauf reagieren wollen.

Aufgrund der Änderung bei den Zinsen steigt die Zinslast von 4 auf 8 Milliarden Euro, und es gibt nicht einmal eine Diskussion darüber, wie man dem ent­sprechend entgegentreten kann. Das ist zukunftsvergessen, das ist nachhaltig zukunftsvergessen, und selbst bei den Themen, bei denen man in die Zukunft investieren könnte, bringen Sie auch keine nachhaltigen Antworten. Wir haben schon über Bildung geredet, wir haben über Elementarpädagogik geredet, wir haben darüber geredet, wieso nichts weitergeht.

Herr Präsident, ich wundere mich übrigens, dass meine Uhr hier nicht läuft, es könnte passieren, dass ich länger als 5 Minuten rede, weil sie immer noch 5 Minuten anzeigt. – Jetzt nicht mehr, vielen Dank. Ich werde mich selbstver­ständlich an die Redezeit halten.

Bei der Kinderbetreuung geht nichts weiter. Wir sind immer noch in der Situation, dass man in ganz, ganz vielen Gemeinden in Österreich um 12 Uhr die Kinder aus dem Kindergarten abholen muss. Das führt dazu, dass Frauen weiterhin nicht arbeiten gehen können, und das ist ein nachhaltiges Problem.

Wenn wir über die Investitionen in den Universitäten diskutieren: Jetzt wissen wir, es wurde geschafft, den Unis 150 Millionen Euro zusätzlich zu geben. Das ändert aber nichts an der strukturellen Frage, wie man die Hochschulfinanzie­rung endlich ordentlich aufstellen kann, nämlich an der Frage, wie man Unis nachhaltig durchfinanzieren kann. Man kann einmal 150 Millionen Euro geben – das wird nichts bringen. Diese Debatte führen Sie nicht, genauso wenig bei Reformen im Wirtschaftsbereich, wie man endlich eine sinnvolle Bürokratie­bremse macht. All diese Fragen stellen Sie sich nicht. Deswegen, oder vielleicht sogar genau deswegen, bin ich – vor dem Hintergrund, dass wir eigentlich gesagt haben, lassen wir eine fünfjährige Legislaturperiode, um nachhaltige Reformen anzugehen – auch der Meinung, dass es Neuwahlen braucht, denn diese Regierung kann es schlichtweg nicht. (Beifall bei den NEOS.)

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