19.06

Abgeordnete Mag. Selma Yildirim (SPÖ): Herr Präsident! Hohes Haus! Werte Kolleginnen und Kollegen! Um ehrlich zu sein: Niemand geht freiwillig zum Gericht. Die allermeisten in diesem Land müssen vielleicht einmal, maximal zweimal den Weg ins Gericht suchen und finden (Abg. Loacker: Die ÖVP nicht!) – die ÖVP nicht, sagen Sie, Herr Abgeordneter –, aber eines ist auch ganz klar: Die österreichische Bevölkerung hat ein hohes Vertrauen in ihre Justiz.

Das ist auch gut so, denn wir alle wissen, dass die Justiz gut arbeitet und dass sie nicht nur Rechtssicherheit gibt, sondern auch Rechtsfrieden gewähr­leistet. – Ich begrüße Sie, Frau Ministerin. – Wir haben vergangene Woche recht ausführlich und intensiv über das Justizbudget debattiert. Ganz klar ist, dass wir es nach dem großen Alarm, zu Recht unter dem Titel „Die Justiz stirbt einen stillen Tod“, in den letzten drei Jahren geschafft haben – Sie (in Richtung Bun­des­ministerin Zadić) haben sich da sehr stark gemacht –, dieses Aushungern der Justiz zu stoppen. Auch dieses Jahr gibt es eine Erhöhung von etwa 11,5 Pro­zent. Das ist wichtig, es hält den laufenden Betrieb aufrecht, ganz klar, und dem gebührt auch wirklich Anerkennung.

Wir haben natürlich bemerkt – und das haben wir offen diskutiert, Frau Minis­terin –, dass wir in der Justiz vor sehr, sehr großen Herausforderungen stehen. Da teile ich die Sorge der Standesvertretung, der Staatsanwält:innen, der Richter:innen, dass wir es mit neuen Formen und schnelleren Formen der Kriminalität zu tun haben – Kriminalität im Internet und Cybercrime –, oder was so viele Menschen, vor allem ganz junge Menschen, Frauen oder Angehörige von Minderheiten, betrifft: Hass im Netz.

Bei der Bekämpfung von Hass im Netz und bei der Bekämpfung von Internetkri­mi­nalität, den Betrügereien, müssen wir Gas geben. Da sind zwar Ansätze da, aber das Budget wird dem nicht gerecht, Frau Ministerin! Ich glaube, man muss da schneller reagieren und sehr viel mehr investieren, nicht nur in die Planstellen, die auch wichtig sind. Sie haben uns erklärt: in der Rechtsprechung mehr Plan­stellen für Richter:innen, in etwa 24, oder Staatsanwaltschaften, 24 im Jahr 2023. – Mit Verlaub, wenn ich mir die Forderungen der Standesvertretung anschaue, dann ist das eine Antwort, aber in Ansätzen. Da braucht es wirklich mehr und da kann ich Sie in Ihrem Bemühen auch gerne unterstützen.

Es ist ganz schwierig, weil wir hauptsächlich auch im IT-Bereich zusätzliche Bedienstete brauchen. Wir brauchen sie auch in den Kanzleien. Man darf das nicht gering schätzen, wie wichtig die Arbeit der Protokollführer:innen, der Stenotypist:innen ist, weil es auch von der Protokollerstellung abhängt, wie schnell ein Urteil ausgefertigt wird. Und nicht zu vergessen: Den Großteil der Arbeit, weil es ja zum Glück nicht die schweren Kriminalitätsformen betrifft, leisten die Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger. Das heißt, wir haben nach wie vor eine ganze Reihe an offenen Baustellen, die wir eigentlich schnell schließen sollten.

Wenn wir dann weiterdenken, an den Strafvollzug, der nach rechtskräftiger Verurteilung folgt: Da war ich schon etwas erstaunt, dass es keine einzige neue Planstelle für die Justizwache geben wird. Erst vergangene Woche habe ich einmal mehr die Zeit gefunden, eine Justizanstalt zu besuchen und dort mit den Bediensteten, mit der Anstaltsleitung zu sprechen. Ich sage Ihnen: Es brennt überall.

Es ist ganz wichtig, dass wir nicht diese Verwahrungshaft haben, die ja wirklich überholt ist, sondern Ansätze finden, wie wir denn straffällig gewordene, rechtskräftig verurteilte Menschen wieder in die Gesellschaft eingliedern kön­nen. Es kann nicht sein, dass wir sagen: Sie werden jetzt weggesperrt, irgendwann kommen sie raus, und dann sollen sie schauen, wie sie zurecht­kommen. Es braucht da eine gute Justizpolitik, und daran fehlt es.

Wenn Sie sagen, es sind noch an die 160 Planstellen für die Justizwache offen, weil sich niemand bewirbt, dann müssen wir uns fragen: Warum bewirbt sich niemand? Wie wird denn so ein Job bezahlt? Wie wird die Stelle beworben? Können wir in puncto Image etwas mehr leisten? Da sind wir doch alle in der Verantwortung und gefragt.

In diesem Sinne: Sosehr ich Ihr Bemühen anerkenne und sosehr ich auch begrüße, dass es Erhöhungen gibt, um den laufenden Betrieb aufrecht­zuerhal­ten, die große Reform, wie zum Beispiel Bundesstaatsanwalt, fehlt mir noch. Diese großen Reformen fehlen mir, und daher werden wir in dieser Frage unsere Zustimmung verwehren, unterstützen Sie aber selbstverständlich weiterhin in Ihrem Kampf für eine unabhängigere und starke Justiz. – Ich danke. (Beifall bei der SPÖ.)

19.12

Präsident Ing. Norbert Hofer: Ich darf die Frau Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić sehr herzlich bei uns begrüßen und bitte nun Mag.a Agnes Sirkka Prammer ans Rednerpult. – Bitte, Frau Abgeordnete.