10.01

Abgeordnete Mag. Verena Nussbaum (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundes­minister! Hohes Haus! Werte Zuseherinnen und Zuseher! Wir haben jetzt schon gehört, im Budget für Soziales und Konsumentenschutz gibt es insgesamt eine Erhöhung um 16 Prozent. Bei den Ausgaben für Menschen mit Behinde­run­gen sehen wir jedoch, dass sie stagnieren. Die Situation für Menschen mit Behinderungen wird immer prekärer. Im Begleittext zum Budget steht: Es wird die Sicherstellung der bestehenden Maßnahmen angepeilt. – Das heißt, angepeilt ist nicht einmal eine Absicherung des Istzustandes, geschweige denn gibt es eine große Ausdehnung von Maßnahmen für die berufliche und soziale Teilhabe. Die gibt es überhaupt nicht.

Herr Bundesminister, Sie haben jetzt in Ihrer Rede den Konsens über alle Frak­tionen hinweg angesprochen, den es immer wieder gibt: Ja, den gibt es, und da möchte ich Sie daran erinnern, dass wir bereits im Februar 2020 hier im Parlament einen Antrag einstimmig beschlossen haben, in dem wir die Bun­desregierung – damals noch Ihren Vorgänger – aufgefordert haben, ein Konzept zu erarbeiten, wie die sozialversicherungsrechtliche Absicherung von Menschen mit Behinderungen, die Bestimmungen zur Ausgleichstaxe und rund um die Arbeitsunfähigkeit neu geregelt werden können. Zweieinhalb Jahre später ist davon noch immer nichts umgesetzt. (Beifall bei der SPÖ.)

Auch im Budget für das Jahr 2023 finden wir keine finanziellen Mittel für die Umsetzung dieser Punkte, doch Inklusion wird es nicht zum Nulltarif geben. Wir müssen uns bewusst sein, dass diese Maßnahmen einiges an Geld kosten werden, und dieses Geld gehört in die Hand genommen, denn das muss uns Inklusion wert sein.

Wir als SPÖ wollen, dass die Menschen mit Behinderungen endlich eine umfas­sende sozialversicherungsrechtliche Absicherung erhalten und ihnen damit die Möglichkeit gegeben wird, selbstbestimmt zu leben. Außerdem müssen die Tätigkeiten in den Tagesstrukturen endlich fair entlohnt werden, um diese Menschen aus der Armut zu holen. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir wollen auch, dass ein Inklusionsfonds eingerichtet wird, aus dem Maß­nahmen für Menschen mit Behinderungen in allen Lebensbereichen finanziert werden können. Mit Hilfe dieses Inklusionsfonds, der aus Mitteln des Bundes und der Länder gespeist wird, könnten zukünftige Maßnahmen finanziert werden, die die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Leben weiterbringen.

Ja, wir wissen auch, dass Österreich bei der Umsetzung der UN-Behinderten­rechtskonvention säumig ist, diese verlangt nämlich unter anderem auch die Einbeziehung von Menschen mit Behinderungen in die pensions- und kran­ken­versicherungsrechtliche Absicherung. Sie haben das Recht, ihren Lebens­unter­halt durch Arbeit zu verdienen und ihr Leben selbstständig finanzieren und dadurch auch eigenständig leben zu können. Umso wichtiger wäre es, dass wir auch heute wieder einen Konsens zustande bringen, und darum bringe ich folgenden Antrag ein:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag. Verena Nussbaum, Kolleginnen und Kollegen betreffend „einen Inklusionsfonds und die umfassende sozialversicherungsrechtliche Absicherung für Menschen mit Behinderungen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesund­heit, Pflege und Konsumentenschutz wird aufgefordert, umgehend gemeinsam mit den Ländern die Umstellung der Bezahlung von Menschen mit Behinde­rungen in den Tagesstrukturen von einem Taschengeld auf einen Lohn/Gehalt und der damit einhergehenden umfassenden sozialversicherungsrechtlichen Absicherung für die dort Beschäftigten und die Einrichtung eines Inklusionsfonds zur Finanzierung von Maßnahmen betreffend die Inklusion in allen Lebensbe­reichen umzusetzen.“

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Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

10.05

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Mag.a Verena Nussbaum,

Genossinnen und Genossen

betreffend einen Inklusionsfonds und die umfassende sozialversicherungsrechtliche Absicherung für Menschen mit Behinderungen

eingebracht im Zuge der Debatte zu Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (1669 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2023 (Bundesfinanzgesetz 2023 – BFG 2023) samt Anlagen (1787 d.B.) UG 21

Die Situation von Menschen mit Behinderungen wird von Jahr zu Jahr prekärer. Während sich die Bundesregierung im neuen Budgetvorschlag nur das Ziel setzt die bestehenden Maßnahmen nach Möglichkeit zu erhalten, fehlt es in Österreich nicht nur an den notwendigen finanziellen Mitteln für weitere Maßnahmen. Auch eine umfassende sozialversicherungsrechtliche Absicherung ist derzeit nicht gegeben. Die Situation für Menschen mit Behinderungen ist jetzt schon untragbar und wird sich in Zukunft weiter verschlechtern.

Derzeit sind rund 25.000 Menschen in den Tagesstrukturen (Beschäftigungstherapie) beschäftigt. Die Tätigkeiten dort dienen oft nur der Beschäftigung und unterfordern viele jener Menschen, die in den Werkstätten tätig sind. Da die Tätigkeiten in einer Tagesstruktur nach der Judikatur nicht als Arbeitsverhältnisse eingestuft werden, gibt es für die Betroffenen statt einem angemessenen Lohn nur Taschengeld und damit auch keine eigeständigen pensions- und krankenversicherungsrechtlichen Ansprüche. Das führt dazu, dass Menschen mit Behinderungen ihr Leben lang von ihren Eltern abhängig sind und mit einer ständigen Armutsbedrohung leben.

Nach Art. 27 der UN-Behindertenrechtskonvention sollen Menschen mit Behinderun­gen in die gesetzliche Kranken- und Pensionsversicherung einbezogen werden. Sie haben das Recht ihren Lebensunterhalt durch Arbeit zu verdienen und ihr Leben selbstständig finanzieren zu können. Die Betroffenen sollen die Möglichkeit erhalten einen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten und damit ein wichtiger Bestandteil unserer Gesellschaft zu sein.

Im ersten Schritt könnte dieses Ziel durch eine ex-lege Vorschrift im ASVG erreicht werden. Langfristig muss aber die Gleichstellung von den Beschäftigten in den Tagesstrukturen mit ArbeitnehmerInnen erfolgen.

Seitens der Bundesregierung sind im Budget keine finanziellen Mittel vorgesehen, die explizit für die Inklusion von Menschen mit Behinderungen verwendet werden sollen. Doch Inklusion gibt es nicht zum Nulltarif. Mit einem Inklusionsfonds, der aus Mitteln des Bundes und der Länder gespeist wird, könnten zukünftige Maßnahmen, welche die gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen am wirtschaftlichen, kulturellen und politischen Leben weiterbringen, finanziert werden.

Die unterzeichneten Abgeordneten stellen deshalb folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz wird aufgefordert, umgehend gemeinsam mit den Ländern die Umstellung der Bezahlung von Menschen mit Behinderungen in den Tagesstrukturen von einem Taschengeld auf einen Lohn/Gehalt und der damit ein­her­gehenden umfassenden sozialversicherungsrechtlichen Absicherung für die dort Beschäftigten und die Einrichtung eines Inklusionsfonds zur Finanzierung von Maßnahmen betreffend die Inklusion in allen Lebensbereichen umzusetzen.“

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Danke schön.

Der Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Weidinger. – Bitte.