11.54

Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz Johannes Rauch: Sehr geehrte Frau Präsidentin! Hohes Haus! Es sei mir erlaubt, auf ein paar Punkte einzugehen, die im Zuge der Debatte aufgetaucht sind. Zuerst seien aber zwei Dinge vorangestellt: Natürlich ist die Reform des Mutter-Kind-Passes – künftig Eltern-Kind-Pass –, die wir heute gemeinsam vorgestellt haben, eine wichtige und notwendige Maßnahme, bei der die Digitalisierung, die Ausweitung und natürlich auch die Valorisierung der Leistungen ganz wesent­liche Punkte darstellen.

Ich darf Ihnen sagen, dass wir einen Staatssekretär haben, dem die Digitalisie­rung – auch im Gesundheitssystem, aber darauf komme ich dann noch – immerhin ein wirkliches Anliegen ist und der versucht, die Dinge mit uns gemeinsam weiterzubringen. Dafür bedanke ich mich!

Zweiter Punkt: HPV-Impfung. Die HPV-Impfung ist ein Meilenstein. Ich habe sehr darum gerungen und dafür gekämpft, dass das zustande kommt. Es war wieder einmal nicht einfach, weil die Interessen von neun Bundesländern, der Sozialversicherung und des Bundes unter einen Hut gebracht werden mussten. Warum ist das so wichtig? – Darüber wurde jahrelang gestritten. Die Impfung war nur bis zu einem bestimmten Alter gratis, dann hat sie 600 Euro gekostet und viele Menschen haben sie nicht in Anspruch genommen. Es erkranken in Österreich etwa 23 000 bis 25 000 Frauen jährlich an Gebärmutterhalskrebs. 90 Prozent dieser Erkrankungen können mit dieser Impfung verhindert werden, und deshalb halte ich das für einen Meilenstein. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Sie werden vom Gesundheitsminister zu Recht erwarten, dass er etwas zur Covid-19-Pandemie und dazu, wie es weitergeht, sagt. Wo stehen wir da? – Sie haben ja wahrscheinlich bemerkt, dass es mein Bestreben ist, da durchaus etwas mehr Ruhe und weniger Hektik hineinzubekommen und zu versuchen, best­möglich einen Weg zu gehen und eine Linie zu fahren, die da lautet: leben mit Covid, einen Modus finden, verantwortungsbewusst damit umzugehen, und das in einer Art und Weise, mit der man die in dieser Debatte bisweilen sehr hektischen Ausschläge eben vermeiden kann.

Ich glaube, das ist gelungen. Wir sind auf einem Weg der Gestaltung, wir haben erkannt, dass wir mit diesem Virus leben müssen. Wir sind dabei, eine Reihe von Maßnahmen, die wir gebraucht haben – die Maskenpflicht sei als Beispiel genannt –, nicht mehr zu verschärfen. Wir haben eine breite Palette an Maß­nahmen und Medikamenten zur Verfügung. Die immunologische Lage der Bevölkerung ist eine vollkommen andere. Die Beobachtungssysteme sind gut ausgebaut, sodass ich denke, wir sind auf einem Weg zum, wie es auch die WHO sagt, Leben mit Covid – bei aller Vorsicht, die wir noch brauchen, weil wir nicht genau wissen, was als Nächstes um die Ecke kommt.

Ein anderer Punkt ist auch bereits angesprochen worden: die Versorgung im niedergelassenen Bereich. Der Punkt ist, dass wir nicht zu wenig ausgebildete Medizinerinnen und Mediziner in Österreich haben, sondern eine Situation, in der sehr viele, die ihr Studium abgeschlossen haben, dann ins Ausland – nach Deutschland zum Beispiel oder in die Schweiz – gehen. In der momentanen Situation gehen außerdem sehr viele nicht in den niedergelassenen Bereich, sie bieten keine Kassenleistungen an, sondern sie gehen ins Wahlarztsystem. Das heißt, es ist eine Systemfrage, der wir uns jetzt mit den Vertragsparteien und mit den Beteiligten nähern.

Es ist nun einmal so – das ist nicht zu ändern –, dass bei der Gestaltung der Rahmenbedingungen drei wesentliche Player im Gesundheitssystem vorhanden sind: die Sozialversicherung, die Bundesländer und der Bund. Eine Einigung zustande zu bekommen, ist mitunter mit gewissen Schwierigkeiten verbunden, aber – und das ist die positive Nachricht mit Blickrichtung in die Zukunft – die anstehenden Finanzausgleichsverhandlungen werden ein Schlüssel dafür sein, auch zu grundlegenden Reformen im Gesundheitssystem zu kommen. Die Länder haben bei der letzten Konferenz der Gesundheitsreferent:innen einen sehr klugen Beschluss gefasst, nämlich nicht nur einfach mehr Geld zu verlangen, sondern die Forderung aufzustellen, darüber zu reden, wie wir zu Reformen im System kommen.

Was ist damit gemeint? – Wir haben im österreichischen Gesundheitssystem, das sich während der Coronapandemie bewährt hat – das muss man ja auch sagen, wir haben diese Krise auch deshalb gut bewältigt, weil die gesundheits­politische Landschaft Österreichs, von den Spitälern bis zum niedergelassenen Bereich und bis zu den nahe verwandten Berufen, gut aufgestellt ist –, aufgrund der Komplexität, aufgrund der Finanzströme eine Systematik in der Finanzie­rung, die dazu führt, dass die Bereiche Prävention, Heilbehandlung und Nachsorge in der Finanzierung strikt getrennt sind; auch die Bereiche der Finanzierung des ambulanten und stationären Bereichs; und deshalb kommt es zu Reibungsverlusten.

Darüber zu reden, wie wir das künftig besser im Sinne einer flächendeckenden, qualitativ guten Versorgung gestalten können – für alle, nicht im Rahmen einer Zweiklassenmedizin, Dreiklassenmedizin, nicht nach dem Motto: Diejenigen, die die eine Kreditkarte haben, können es sich leisten!, sondern: Alle, die eine E-Card haben, können sich den Zugang zu gleicher, guter und rascher Versorgung leisten! –, das ist der Punkt, um den es gehen wird und auch jetzt schon geht, wenn wir Reformen angehen.

Ein wichtiger Punkt ist angesprochen worden: die Primärversorgung. Ich weiß, dass wir bei den Primärversorgungseinrichtungen Nachholbedarf haben, wir sind noch lange nicht bei der Zahl der Primärversorgungseinrichtungen, die angestrebt worden ist. Das wissen wir. Wir haben entlang des heurigen Jahres eine deutlich verstärkte Dynamik bei den Antragstellungen und ich bin zuver­sichtlich, dass wir in die Gänge kommen.

Es muss überhaupt möglich sein, unterschiedliche Modelle miteinander zu kombinieren. Es geht nicht darum, entweder nur Primärversorgungszentren oder niedergelassene Kassenvertragsärzte oder Wahlärztinnen, Wahlärzte zu haben, sondern darum, unterschiedliche Formern auch miteinander gestalterisch kombinieren zu können. Weshalb ist das wichtig? – Weil sich die Anforderungen an den Beruf der Ärztin, des Arztes vor allem im niedergelassenen Bereich verändern.

Medizin ist überwiegend weiblich, und junge Frauen, die in diesen Beruf gehen, haben andere Lebensvorstellungen als dies früher der Fall war. Sie wollen nicht mehr 120, 130 Patient:innen pro Tag im Schnellverfahren abwickeln. Sie wollen gute Arbeitsbedingungen haben, sie wollen sich nicht mehr um die Administra­tion eines Gebäudes, das Zahlen von Miete oder das Suchen von Sprech­stundenunterstützungen kümmern müssen, sie wollen Modelle der Kooperation, der Zusammenarbeit haben. Ich orte die Offenheit aller Vertragspartner, auch der Ärztekammer, sich diesen Modellen zu öffnen. Diese werden wir nämlich dringend brauchen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ein Satz zur Digitalisierung – das könnte der Staatssekretär eigentlich besser ausführen als ich, aber es ist ihm ein Anliegen und mir auch –: Wir haben in Österreich Nachholbedarf, wenn es darum geht, bestimmte Dienstleistungen im Gesundheitsbereich digitaler zu machen. Das heißt nicht, dass man sozusagen einfach nur ein Handy zu haben braucht, um Dinge machen zu können, sondern das heißt, dass es einen rascheren, direkteren und einfacheren Zugang zu medizinischer Versorgung geben soll.

Andere Länder machen uns das vor, wir kümmern uns im Austausch mit diesen Ländern darum, solche Modelle auch zustande zu bekommen. Es ist zum Beispiel ein Unding – ich beklage das –, dass wir immer noch die Situation haben, dass im österreichischen Gesundheitssystem mitunter vorläufige Entlassungsbefunde per Fax an den jeweils niedergelassenen Arzt geschickt werden. Das ist dermaßen antiquiert, dass einem die Spucke wegbleibt.

Ich weiß, man muss die Datenschutz-Grundverordnung beachten, Gesundheits­daten sind heikle Daten – das ist mir alles klar. Es muss aber einfach möglich sein, dass Gesundheitsdaten, dass Befunde zu jeder Zeit und an jedem Ort, an dem man eine medizinische Dienstleistung in Anspruch nimmt, egal wohin man geht, verfügbar sind. Das sollte einfach Standard sein. Da sind wir beide (in Richtung Staatssekretär Tursky) gemeinsam, auch im Austausch mit der Sozialversicherung, bemüht, Modelle zustande zu bekommen, mit denen das gewährleistet werden kann.

Wir haben mit Elga ein gutes System. Das kann und muss in dieser Frage weiterentwickelt werden – das muss auch in den europäischen Gesundheits­datenraum eingebettet werden, das stellt eine ganz eigene Herausforderung dar –, aber ich denke, dass wir da auf einem insgesamt guten Weg sind. – Danke schön. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

12.03

Präsidentin Doris Bures: Nächste Rednerin: Frau Abgeordnete Bedrana Ribo. – Bitte.