13.23

Abgeordnete Gabriele Heinisch-Hosek (SPÖ): Da ist es sehr schwierig, ruhig zu bleiben. Herr Präsident! Herr Bundesminister! Herr Staatssekretär! Sprungbrett hat einmal noch nicht Sprungbrett geheißen, und es wurde auch von den circa 90 000 langzeitbeschäftigungslosen Menschen jedes Jahr die Hälfte wieder in den Arbeitsmarkt rückgeführt. Also das ist ein Schmäh, den Sie jetzt erzählt haben.

Es ist gut, dass die Langzeitarbeitslosigkeit zurückgegangen ist. Wir haben aber immer noch 80 000 Personen, die langzeitarbeitslos sind.

Vielleicht aber ein paar Tatsachen, die heute nicht erwähnt wurden, die ausge­spart worden sind: Herr Bundesminister, wir alle wissen – Sie wissen es noch besser –, wofür man Rücklagen verwendet. Rücklagen sind eine strategische Reserve für außergewöhnliche Fälle, die eintreten können. Sie verwenden 279 Millionen Euro an Rücklagen für die Planung, als Planausgaben. Also diese Verwendung der Mittel ist eine Tatsache, die heute leider noch nicht erwähnt wurde.

Das andere: Sie haben auch vor, Herr Bundesminister – obwohl Sie es schön­geredet haben: die Arbeitslosigkeit sei etwas zurückgegangen –, 250 Planstellen beim AMS in den nächsten ein, zwei Jahren zu streichen. Das bedeutet, dass wir von Qualifikation und Qualität ganz weit entfernt sind. Wir haben mehr offene Stellen als Arbeitssuchende, das wissen wir alle. Es ist nur so, dass in die Qualifikation, die Bildung, die Ausbildung dieser Menschen nicht oder zu wenig investiert wird.

Was noch nicht im Budget abgebildet ist, ist prinzipiell einmal die Anhebung des Arbeitslosengeldes – wir werden das auch immer wieder trommeln – auf 70 Prozent, weil wir glauben, dass es wichtig ist, dass Menschen nicht in die Armut abrutschen sollen.

Nicht abgebildet im Budget ist die Valorisierung des Arbeitslosengeldes – sehr wohl aber sind es die anderen Sozialleistungen und Versicherungsleistungen, das ist gut und wichtig (Zwischenruf des Abg. Loacker) –, und es gibt auch keine Anhe­bung des Familienzuschlags. Mit 97 Cent pro Tag und Kind kann man eigent­lich auch nicht gut auskommen, sehr geehrte Damen und Herren.

Über den letzten Alarm, der geschlagen wurde, ist vor ganz Kurzem etwas auf ORF ON erschienen. Das AMS Niederösterreich – Sie werden es vielleicht schon gelesen oder gehört haben – schlägt Alarm. Es geht um die Frauen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, die besonders in Niederösterreich ein höheres Risiko haben, arbeitslos zu werden, dann natürlich geringeres Arbeitslosengeld bekommen, aber nicht nur, weil sie Teilzeit arbeiten, sondern weil sie zum Teil überhaupt keine Chance haben, Vollzeitjobs anzunehmen. Sie bekommen im Schnitt – lassen Sie sich das auf der Zunge zergehen! – circa 210 Euro weniger Arbeitslosengeld im Monat als Männer. Das sollte also Alarm genug sein, um da nachzubessern.

Ich glaube, dass gerade bei langzeitarbeitslosen Menschen die Beratung sehr wichtig ist. Unser Ziel – es existiert schon lange – lautet: Ein Berater, eine Beraterin für 100 Arbeitnehmerinnen, Arbeitnehmer, die beraten werden, und eine Verdoppelung der Beratungszeit! Es ist doch auch eine Tatsache, dass die Ansprüche, die Arbeitsplätze, die Art der Arbeitsplätze, die Art der Beratung sich dramatisch verändert haben, aber nicht mehr Zeit zur Verfügung steht.

Ich weiß nicht, wann Sie das letzte Mal eine AMS-Stelle besucht haben, Herr Bundesminister. Ich glaube schon, dass dort außerordentlich gute Arbeit geleistet wird, aber die Leute arbeiten zum Teil unter großem Stress. Daher bringe ich einen Entschließungsantrag ein, der diese Missstände beseitigen soll:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Alois Stöger, diplômé, Kolleginnen und Kollegen betreffend ein „Maßnahmenpaket gegen die Armutsgefährdung von arbeitslosen Menschen und deren Familien“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat unverzüglich eine Regierungsvorlage zur Beschlussfassung zu übermitteln, mit der der Armuts- und Ausgrenzungsgefahr von arbeitslosen Menschen und deren Familien durch insbesondere folgende Maßnahmen entgegengewirkt wird:

1) Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent des letzten Einkommens

2) Berechnungszeitraum des Arbeitslosengeldes näher an den Zeitpunkt der Geltendmachung rücken“ – die letzten zwei Jahre werden herangezogen; das geht sich bei vielen nicht gut aus –

„3) Jährliche Valorisierung des Arbeitslosengeldes bzw. der Notstandshilfe

4) Verdreifachung des Familienzuschlages.“

*****

Wie gesagt: 97 Cent pro Tag und Kind: Damit kann niemand auskommen. (Beifall bei der SPÖ.)

13.27

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Alois Stöger, diplômé,

Genossinnen und Genossen

betreffend Maßnahmenpaket gegen die Armutsgefährdung von arbeitslosen Menschen und deren Familien

eingebracht im Zuge der Debatte zu Bericht des Budgetausschusses über die Regie­rungsvorlage (1669 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoran­schlages für das Jahr 2023 (Bundesfinanzgesetz 2023 – BFG 2023) samt Anlagen (1787 d.B.) UG 20

Die Regierung rühmt sich mit Aussagen die Bevölkerung massiv gegen die Teuerung zu unterstützen. Nur eine Gruppe wird immer gerne vergessen, das sind arbeitslose Menschen. Sozialleistungen wurden erst kürzlich valorisiert, vergessen wird dabei aber völlig auf jene Leistung, deren wichtigste Funktion die Existenzsicherung ist – das Arbeitslosengeld.

Wer arbeitslos wird, hat nach wie vor 100 Prozent der Rechnungen zu zahlen, hat aber nur mehr die Hälfte des Einkommens. Oft reicht das Arbeitslosengeld oder die Notstandshilfe nicht einmal für das Nötigste.

Arbeitslose erhalten in Österreich 55 Prozent ihres letzten Nettoeinkommens. Die im europäischen Vergleich äußerst geringe Nettoersatzrate liegt jedenfalls unter der Nettoersatzrate von den Niederlanden, Dänemark, Deutschland, Belgien, Schweden und Finnland. Dies sind Staaten, deren wirtschaftliche Ausgangslage jedenfalls mit der von Österreich vergleichbar ist.

Die Wirkung des geringen Arbeitslosengeldes wird in verschiedensten Studien unter­sucht. Einhelliger Befund ist, dass Arbeitslosigkeit das Armutsrisiko deutlich erhöht und binnen kurzer Zeit nicht nur das Leben der arbeitslosen Person, sondern auch das der Familienangehörigen, vor allem der Kinder, massiv negativ beeinflusst und sehr bald Basisbedürfnisse nur mehr sehr eingeschränkt erfüllt werden können. Dazu zählen zum Beispiel Heizkosten oder Schulausgaben.

Gerade in der derzeitigen Krise, in der sich die Preise für Strom und Gas verdreifach­ten und Lebensmittelpreise unaufhörlich steigen, wird es für arbeitslose Menschen immer schwieriger mit dem niedrigen Einkommen auszukommen.

Besonders hart trifft dieser Einkommensverlust aber Langzeitbeschäftigungslose, also jene Personen, die beim AMS Österreich länger als 365 Tage in unterschiedlichen Arbeitsmarkt-Status vorgemerkt waren. Derzeit sind rund 80.000 Langzeitbeschäf­tigungslose Personen beim AMS vorgemerkt. Diese Menschen wissen oft nicht mehr, wie sie ihr Leben meistern sollen, es bricht die Existenzgrundlage weg.

Im Jahr 2000 hat die damalige schwarz/blaue Regierung auch noch eine Regelung abgeschafft, mit der das Arbeitslosengeld valorisiert wurde. Da seither die Höhe eines einmal festgesetzten Arbeitslosengeldes auch dann nicht steigt, wenn ein Mensch über längere Zeit arbeitslos ist, verlieren diese Menschen zunehmend an Fähigkeit, ein Leben in Würde zu führen.

Familien mit Kindern trifft Arbeitslosigkeit noch einmal heftiger, denn der derzeitige Familienzuschuss von 97 Cent pro Tag und anspruchsberechtigter Person ist lächerlich gering.

Um der Armuts- und Ausgrenzungsgefahr von arbeitslosen Menschen entgegen­zuwirken, bedarf es daher mehrerer Maßnahmen:

•          Die Anhebung des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent Nettoersatzrate muss zur grundsätzlichen Existenzsicherung erfolgen.

•          Die Berechnung des Grundbetrages des Arbeitslosengeldes muss näher an den Zeitpunkt der Geltendmachung rücken. Derzeit erfolgt diese auf Grund der Beitrags­grundlagen aus dem zweitvorangegangenen Jahr vor dem Zeitpunkt der Geltend­machung. Dies führt dazu, dass letzte Gehaltserhöhungen nicht mehr berücksichtigt werden. Gerade in Zeiten hoher Gehaltsabschlüsse wirkt sich das extrem negativ auf die Betroffenen aus.

•          Die jährliche Valorisierung des Arbeitslosengeldes ist eine notwendige Reaktion der Gesellschaft um auch im Bereich der Langzeitbeschäftigungslosigkeit Verarmung zu verhindern.

•          Die Verdreifachung des seit der Einführung des Euro nicht mehr erhöhten Familienzuschlages von derzeit 0,97 Euro würde vor allem Arbeitslosenhaushalten mit Kindern helfen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher nachfolgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesregierung wird aufgefordert, dem Nationalrat unverzüglich eine Regierungsvorlage zur Beschlussfassung zu übermitteln, mit der der Armuts- und Ausgrenzungsgefahr von arbeitslosen Menschen und deren Familien durch insbesondere folgende Maßnahmen entgegengewirkt wird:

1)         Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent des letzten Einkommens

2)         Berechnungszeitraum des Arbeitslosengeldes näher an den Zeitpunkt der Geltendmachung rücken

3)         Jährliche Valorisierung des Arbeitslosengeldes bzw. der Notstandshilfe

4)         Verdreifachung des Familienzuschlages.“

*****

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Süleyman Zorba. – Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Ich darf ergänzen, dass der Antrag ordnungsgemäß eingebracht worden ist und somit auch mit in Verhandlung steht.

Bitte, Herr Abgeordneter.