11.17

Abgeordnete Pia Philippa Strache (ohne Klubzugehörigkeit): Sehr geehrte Frau Präsidentin! Liebe Zuseherinnen und Zuseher! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Sehr geehrte Damen auf der Regierungsbank! Das Budget ist für die meisten eine relativ trockene Materie (Abg. Loacker: Schon lange nicht mehr gesehen!), dabei geht es um nichts Geringeres als den Gestaltungsspielraum für das kommende Jahr oder auch den Gestaltungsspielraum, der die Basis dafür legt, sichere und solide Rahmenbedingungen für die nächsten Jahre zu schaffen.

Sehr geehrte Frau Ministerin, ich kann Ihnen ein Kompliment für den Frauen­fonds LEA machen – dieser ist zeitgemäß –, und ja, es ist Ihnen auch gelungen, dieses Budget deutlich aufzustocken und das zurückzuholen, was in den letzten Jahren Budget für Budget leider abgebaut wurde. Nun liegt es aber an Ihnen, diese Zahlen mit Herz und mit Empathie zu füllen.

Das fehlt mir, denn ich sehe auch, dass dieses Budget nicht zeitgemäß verteilt ist, dass es Frauen in den zahlreichen Lebensbereichen, in denen sie von der Krise oder den zahlreichen Krisen, wie wir sie derzeit erleben, immer häufiger belastet sind als Männer, nicht optimal begleitet, damit sie eben nicht in eine Situation kommen, in der sie mit ihren Sorgen alleingelassen werden oder als Bittstellerinnen auftreten müssen. Frauenpolitik ist eben keine ideologische Frage, sondern sie zeigt auf, welche Werte man in sich trägt, welchen Respekt man nicht nur oberflächlich an den Tag legt oder aus purer Effekthascherei lebt.

Empathie und Mitgefühl werden aber nicht ausreichen, außer man schafft es, einen finanziell sicheren Rahmen für die zahlreichen krisenbelasteten Frauen und Familien zu schaffen, Projekte ins Leben zu rufen, die Frauen in einem gewalttätigen oder an ihrer Belastungsgrenze liegenden Alltag nicht alleinlassen. Da ist es mir nicht genug, geschätzte Frau Ministerin, wenn Sie im Aus­schuss als Antwort sagen, dass dieser Bereich nicht in Ihrer Kompetenz liegt. Verstehen Sie mich nicht falsch: Ja, de facto ist es so, aber ist das zeitge­mäß? Ist es zeitgemäß, im Ausschuss zu sagen: Sicherheit für Frauen, dafür bin ich nicht zuständig? (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.) Ist es zeitgemäß, Frauen da im Stich zu lassen?

Auch wenn es stimmt, auch wenn die finanziellen Grundmittel nicht in Ihrem Kompetenzbereich liegen, können Sie doch eine breite Öffentlichkeit schaffen, ein Sicherheitsnetz für von Gewalt, Stress und anderen negativen Aspekten betroffene Frauen, um sie zu schützen und optimal zu unterstützen.

Die Idee der Emanzipation – das ist heute schon gesagt worden – ist, dass Frauen ihr Leben selbstbestimmt leben können. Die Politik muss aber heute – 100 Jahre später! – immer noch dafür kämpfen, dass das so ist. Die Situation für Frauen ist im besten Fall eine, die immer gleich bleibt, im schlechtesten Fall aber eine, die einfach nur noch schlechter wird – und diese Situation ist jetzt. Den schlechtes­ten Fall für Frauen und Familien gibt es jetzt, denn Frauen sehen sich nicht nur finanziell unter einem großen Druck oder in einer großen Abhängigkeit, sondern sie sehen sich auch psychisch derart unter Druck gesetzt, dass Depressionen mehr und mehr zunehmen.

Da sind wir auch schon beim nächsten zeitgemäßen Thema, auf das ich im Budget keine Antwort bekommen habe. War im Alltag gerade erst die Coronasituation eine enorme Belastung für viele Frauen und Familien, sind es jetzt die Teuerungen. Da gibt es auch eine deutliche Zunahme bei den Depressionen. Depression ist ein Thema, das in die Öffentlichkeit gehört, für das eine breite Öffentlichkeit geschaffen werden muss, ein Thema, für das Sie, geschätzte Frau Ministerin, eine breite Öffentlichkeit schaffen können und müs­sen, damit Betroffene nicht mit ihrer Angst, mit ihrem Gefühl der Leere und der Wertlosigkeit alleine zurückgelassen werden und Mütter – diese unfass­bar traurigen Beispiele gibt es tatsächlich – keinen anderen Ausweg mehr sehen, als sich und ihren Kindern das Leben zu nehmen, weil sie mit der Situa­tion nicht mehr zurechtkommen.

Es liegt wirklich an Ihnen, einen wichtigen Baustein in Richtung mehr Sicherheit und Stabilität zu schaffen. Das, was wir in Österreich in diesem Bereich politisch zu bieten haben, ist einfach mangelhaft. Dass Betroffene – und dazu zähle ich nicht nur den Menschen, der mit der Depression zu kämpfen hat, sondern die gesamte Familie – derart im Stich gelassen werden und keine adäquate und vor allem rasche Hilfe bekommen, ist ein Versagen des Gesundheitsressorts und auch von Ihnen, liebe Frau Ministerin, weil dieses Thema eben nicht die notwen­dige Aufmerksamkeit bekommt.

Ihr Ministerkollege Faßmann hat einmal gesagt: Die Psychologie muss an die Schule kommen!, und so sage ich Ihnen: Die Psychologie muss auch zu den Frauen und betroffenen Familien kommen! – Es kann nicht sein, dass eine betrof­fene Jugendliche, die bereits versucht hat, sich das Leben zu nehmen, neun Monate warten muss, bis sie überhaupt stationär aufgenommen wird oder regel­mäßig Therapie bekommt. Ein Land sicher durch eine Krise zu steuern heißt eben auch, bei der Ausgestaltung eines Budgets flexibel genug zu sein und effizi­ent Maßnahmen ergreifen zu können.

Nehmen wir weitere tragische Beispiele: Es gab sie, die zahlreichen Femizide hier in Österreich. Gewaltschutzeinrichtungen in ganz Österreich berichten davon, schon längst an ihre Kapazitätsgrenze gelangt zu sein. Ängste, Depressionen, Schlaf­probleme, Stress: All diese Dinge treffen Frauen überproportional häufiger als Männer. Es handelt sich dabei nicht um ein geschlechterspezifisches Problem, sondern um ein soziales. Diese unsichere Lage von Frauen darf nicht ignoriert werden. (Präsidentin Bures gibt das Glockenzeichen.) Suizidversuche, Verzweiflungs­taten sowie die zahlreichen Frauenmorde dürfen nicht ignoriert werden.

Sehr geehrte Frau Ministerin, lassen Sie Frauen, Kinder, gesamte Familien nicht alleine! Ich weiß, dass Sie eine empathische Person sind. Ich weiß, dass Ihnen die Anliegen wichtig sind. Sie sind selbst Mutter, und ich weiß auch, dass Sie in Ihrer Kompetenz und Ihrem höchstpersönlichen Lebensbereich alles dafür tun würden (Präsidentin Bures gibt neuerlich das Glockenzeichen), wenn eine betroffene Mut­ter, die Hilfe sucht, vor Ihnen stünde, um ihr zu helfen. Es ist aber Ihre Ver­antwortung und es muss Ihr geringster Anspruch sein ...

Präsidentin Doris Bures: Frau Abgeordnete, Sie müssen nun den Schlusssatz formulieren, bitte.

Abgeordnete Pia Philippa Strache (fortsetzend): Ihr geringster Anspruch in Ihrer Funktion als Ministerin muss der sein, jeder einzelnen Frau in diesem Land, die betroffen ist, helfen zu wollen. – Danke. (Beifall bei Abgeordneten von ÖVP, SPÖ und Grünen.)

11.24

Präsidentin Doris Bures: Mir liegen nun zu den Themenbereichen Frauen, Gleichstellung, Familie und Jugend keine Wortmeldungen mehr vor. Daher werde ich die Beratungen zu diesen Themenbereichen nun auch beenden.