13.29

Abgeordnete Julia Elisabeth Herr (SPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrtes Hohes Haus! Bevor ich zu meinen Punkten komme, vielleicht noch eine kleine Anmerkung zum Herrn Vizekanzler. Er hat sich jetzt nämlich ziemlich emotional über die fehlende Kritik 1978 betreffend den Austragungsort der damaligen Fußball-WM, Argentinien, geäußert. – Damit haben Sie wahrscheinlich recht. Der Punkt ist: Ich würde mir diese Emotion auch wünschen, wenn es um die kommende Klimakonferenz geht. Die soll in Abu Dhabi stattfinden, und da brauchen wir weder über Umweltschutz noch über Menschenrechte zu sprechen. Auch da würde ich mir wünschen, dass sich Österreich dann vielleicht zu Wort meldet. Das ist bisher noch nicht passiert. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kassegger: Das ist ja fast so schön wie Scharm El-Scheich!)

Wir diskutieren heute aber das Umweltbudget. Zuerst ein paar positive Punkte, denn man muss ehrlich sagen: Es gibt mehr Budget für Klimaschutz, und das freut auch uns, für einige Punkte, zu denen auch wir mehr Budget gefordert haben, beispielsweise für den Ausbau der Fernwärme, oder auch sonst, Budget für Energieeffizienzmaßnahmen – das alles ist wichtig.

Aber: Mehr Budget kann notwendige Gesetze nicht ersetzen. (Beifall bei der SPÖ.) Nur Geld auszugeben, ohne gesetzlichen Rahmen, ohne definierte Ziele – wo will man denn hin mit dem Geld? –, das ist einfach nicht gscheit! Österreich hat seit bald 700 Tagen keine gesetzlichen Klimaziele, wir haben einfach keine nationalen Klimaziele definiert. Ich glaube, wir sind das einzige Land in der EU, das keine nationalen Klimaziele hat.

Deswegen habe ich bei allen Budgetberatungen, bei denen ich war, Minister, Ministerinnen gefragt: Wie viel CO2 wollen Sie eigentlich mit diesem Budget und den darin enthaltenen Maßnahmen für das kommende Jahr einsparen? (Ruf bei den Grünen: Wie viel CO2 sparen Sie ...?) – Leere, niemand kann das beantworten, denn es gibt diesen Plan ganz einfach nicht. Aber es liegt in Ihrer Verantwortung (Abg. Kassegger: Wie viel Co2 emittiert global Europa? In Prozent!), Sie müssen diese Ziele definieren.

Sie sprechen immer groß von der Klimaneutralität 2040. Diese unterstütze ich, die brauchen wir, aber ich weiß nicht, wo Sie sie ablesen – in irgendeiner Glaskugel, definieren Sie diese Klimaneutralität vielleicht in den Sternen? Ein wirklich wissenschaftliches Konzept, einen Plan, wie Österreich das erreichen kann, gibt es nach über zweieinhalb Jahren nicht! Das Beste aus bei­den Welten haben Sie versprochen! Legen Sie endlich ein Klimaschutzgesetz vor! Wir brauchen Klimaziele! (Beifall bei der SPÖ.)

Jetzt komme ich zu einem weiteren Punkt: Als ich gehört habe, dass es jetzt endlich einen Fonds für die Transformation der Industrie gibt, habe ich mich gefreut. Wir fordern das seit Langem, die SPÖ-Anträge dazu liegen auf. Ja, wir müssen die heimische Industrie natürlich transformieren, umweltfreundlich machen, um den Standort zu modernisieren, aber auch, um die vielen Arbeits­plätze zu erhalten – natürlich.

Dann habe ich mir aber angeschaut – da geht es künftig um Milliarden, die in diesem Transformationsfonds stecken –: Wie wird denn das Geld verteilt? (Abg. Yılmaz: Cofag! – Ruf bei der FPÖ: Ungerecht!) Und dann war die Freude schon einmal ein bisschen gedämpft, denn erstens gibt es auch da keine Strategie, es gibt kein Konzept, es ist vollkommen unklar, in welche Richtung diese Transfor­mation überhaupt laufen soll. Sie beschließen halt jetzt einmal ein Budget. Da werden dann einzelne Projekte gefördert – aber ein Plan? Fehlanzeige!

Zweitens habe ich mir dann angeschaut: Wer entscheidet denn, wer das Geld bekommt? Da war es ganz aus mit der Freude, denn anstatt auf bewährte Systeme zu setzen, die für die Umweltförderung funktionieren – die gibt es ja; da sitzen alle Parteien drin, da sitzen die Sozialpartner drin –, wollen Sie schon wieder ein neues Instrument erfinden! Na da schrillen bei uns die Alarmglocken, die Cofag-Alarmglocken nämlich, wenn wir uns daran erinnern, wie Gelder in Österreich schon einmal vergeben wurden. (Beifall bei der SPÖ.)

Damals hat man nämlich auch gesagt, man vergibt jetzt Gelder für die Unter­nehmen im Zuge von Coronahilfsmaßnahmen – vorbei an der parlamentarischen Kontrolle, die wir jetzt auch beim Transformationsfonds nicht haben werden. (Abg. Zarits: Lercher!) Und was ist dann dabei herausgekommen? – Die ÖVP-Freunde wurden wieder einmal belohnt.

Ein Beispiel nur: Abgeordneter Hörl hat für sein Unternehmen 1,5 Millionen Euro bekommen (Abg. Egger: Der Kollege Lercher ...!), und das, obwohl er im ersten Coronajahr einen Gewinn von 1,7 Millionen Euro machte. (Abg. Zarits: Beschä­mend! Abg. Kühberger: Unerhört! – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Da können Sie noch so schreien, ich glaube, das ärgert auch viele, viele Wirtschafts­treibende, wie diese Gelder verteilt wurden. (Beifall bei der SPÖ.)

Oder René Benko, der 10,2 Millionen Euro Förderung kassiert hat: Danach hat er sich selbst 100 Millionen Euro Dividende ausgeschüttet. Also: Man kann aus der Vergangenheit auch klüger werden, und deshalb bringen wir dazu auch einen Antrag  ein. Der Transformationsfonds ist nämlich viel zu wichtig, er braucht eine transparente Vergabe. Auch eine Überförderung muss ausgeschlos­sen werden und darf sich nicht wiederholen. Ich hoffe, Sie stimmen heute im Sinne des Umweltschutzes diesem Antrag zu.

Somit komme ich auch schon zu meinem dritten und letzten Punkt, den ich auch erwähnen will, der uns als Sozialdemokratie immer wichtig ist. Nämlich: Gibt es Bedingungen, zu denen Unternehmen Gelder aus diesem Transforma­tions­fonds bekommen? Wer ist da überhaupt berechtigt? – Für uns ist klar: Es braucht Bedingungen bei so viel Geld, beispielsweise Bedingungen wie die betriebliche Mitbestimmung, die Frauenförderung im Unternehmen, die Ausbil­dung von Lehrlingen, all diese Dinge, die so wichtig sind. Wer das nicht leistet, soll auch kein Budget bekommen. So einfach muss das sein!

Vielen Dank. (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Kühberger: Das ist eine Frechheit! Eine Frechheit!)

13.34

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Antrag

der Abgeordneten Julia Herr,

Genossinnen und Genossen

betreffend „Transformation der Industrie braucht Vorgaben und Strategie“

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 11 Bericht des Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (1669 d.B.): Bundesgesetz über die Bewilligung des Bundesvoranschlages für das Jahr 2023 (Bundesfinanzgesetz 2023-BFG 2023) samt Anlagen (1787 d.B.) -UG 43

2023 sollen 175 Millionen Euro für die Transformation der Industrie bereitstehen. Ab 2024 steigt dieser Betrag auf 400 Millionen Euro an. Zusätzlich gibt es jährlich 190 Millionen Euro für Energieeffizienzmaßnahmen. Damit können Veränderungen in der heimischen Industrie auf dem Weg in eine klimaneutrale Zukunft unterstützt und in die Wege geleitet werden. Das ist auch dringend nötig, denn die Herausforderungen sind groß und die Ziele hochgesteckt: Der Ausstieg aus fossilen Energieträgern wie Gas, Kohle und Öl bringt einen hohen Strombedarf mit sich, der selbstverständlich aus erneuerbaren Quellen gedeckt werden muss. Produktionsprozesse müssen im Sinne eines geringeren Energie- und Ressourcenverbrauchs umgestaltet werden. Außerdem gilt es die Frage zu stellen: Sind alle Produkte mit einer klimaneutralen Zukunft kompatibel und wenn nein, lässt sich die Produktion auf Produkte umstellen, die den Klimaschutz sogar voranbringen, wie PV-Anlagen und Wärmepumpen?

All diese Entscheidungen dürfen nicht allein auf unternehmerischer Ebene getroffen werden. Es braucht eine übergeordnete Strategie, wohin sich die österreichische Industrie künftig entwickeln soll und wie eine entsprechende Transformation und Dekarbonisierung gelingen kann. Nur so kann sichergestellt werden, dass die finanziellen Mittel auch dorthin fließen, wo sie das optimale Ergebnis für Klimaschutz, Industrie und Arbeitsplätze bringen. An einer solchen Transformationsstrategie führt kein Weg vorbei. Denn fehlt diese, droht zwischen einer Vielzahl zusammenhangloser Einzelprojekte das Ziel der Klimaneutralität 2040 aus den Augen zu geraten. Eine Strategie hilft auch, Förderungen zielgerichteter zu gewähren und so Überförderun­gen oder Mitnahmeeffekte – also die Förderung von Projekten, die aus rein betriebs­wirtschaftlichen Überlegungen auch ohne staatliche Unterstützung umgesetzt worden wären – zu verhindern.

Bei der Vergabe der Förderungen sollte eine bewährte Institution, beispielsweise die Kommission zur Umweltförderung im Inland, gewählt und auf eine breite Einbindung sowohl von Umwelt- und KlimaschutzexpertInnen als auch von ArbeitnehmerIn­nenvertreterInnen geachtet werden. Im Zuge der Corona-Hilfsgelder für Unterneh­men zeigte sich, dass neue Strukturen fehleranfällig sind. Doch gerade bei Klima­schutzmaßnahmen sollte jeder Cent bestmöglich eingesetzt werden.

Neben der Notwendigkeit Ziele, Strategie und Vergabe klar zu definieren, braucht es auch gesetzliche Vorgaben, welche Unternehmen gefördert werden dürfen und welche Pflichten mit einer Förderung einhergehen. Neben betrieblicher Mitbestim­mung, Lehrlingsausbildung und der Förderung von Frauen in der Technik sollten Unternehmen bereits einen betrieblichen Dekarbonisierungsfahrplan vorweisen können. Liegt dieser nicht vor, muss er vor der Vergabe der Förderung erstellt werden. So kann sichergestellt werden, dass nicht nur einzelne Schritte zur Prozess- oder Kostenoptimierung in der Produktion gefördert werden, sondern die Förderung in den Kontext der Dekarbonisierung des gesamten Betriebs eingebettet ist.

Anknüpfend an die übergeordnete Transformationsstrategie muss eindeutig sein, dass die Förderung nicht allein dem einzelnen Unternehmen dient, sondern dem Klimaschutz und der gesamten Gesellschaft in Österreich an sich. Unternehmen müssen sich daher an den Kosten selbst beteiligen, die Einbindung der ArbeiterInnen in den Prozess der Dekarbonisierung garantieren und Arbeitsplätze sicherstellen. Zu letzterem gehört auch das Entwickeln und Anbieten von innerbetrieblichen Umschulungs- und Weiterbildungsangeboten. Schlussendlich sind Resultate aus der Förderung so anzuwenden, dass sie den Klimaschutz in ganz Österreich voranbringen. Forschungsergebnisse sind daher zu veröffentlichen, denn die Idee des Transforma­tionsfonds kann nicht das Ankurbeln des Konkurrenzkampfs zwischen Unternehmen sein, sondern das gemeinsame Entwickeln und Umsetzen der bestmöglichen Lösung im Sinne des Klimaschutzes. Fallen Gewinne an, die auf die Förderung zurückzuführen sind, sollten diese entsprechend der Förderhöhe anteilsmäßig an den Staat gehen, um so im nächsten Schritt eine noch schnellere Transformation der Industrie zu finanzieren.

Die Transformation der Industrie ist eine Herausforderung enormen Ausmaßes. Die Finanzierung des Transformationsfonds ist dafür ein wichtiger Schritt. Jetzt braucht es die notwendigen strategischen und gesetzlichen Vorgaben, damit die Transfor­mation auf Kurs gebracht wird. Denn Geld allein garantiert noch keinen guten Klimaschutz. Es geht darum die Mittel bestmöglich und effizient einzusetzen. Nur dann können Klima, Unternehmen und die gesamte Gesellschaft profitieren.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Antrag

Der Nationalrat möge beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere die Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie, wird aufgefordert,

-          eine Transformationsstrategie auszuarbeiten, damit Investitionen in die Transformation der Industrie zielgerichtet gefördert und Überförderungen sowie Mitnahmeeffekte minimiert werden,

-          dem Nationalrat einen Gesetzesentwurf vorzulegen, der sicherstellt, dass

o          die Vergabe der Förderungen über bestehende, bewährte Instrumente wie beispielsweise die Kommission der Umweltförderung im Inland läuft.

o          die Förderung an konkrete Ziele zur Dekarbonisierung gebunden wird. Dazu zählen:

·         Steigerung der Energieeffizienz sowie Senkung des Ressourcenverbrauches im Produktionsprozess

·         Umstieg auf erneuerbare Energie

·         Umstieg auf nachhaltige, klimaschonende Produkte

·         Umstieg auf für den Klimaschutz notwendige Produkte (u.a. PV-Anlagen, Wärmepumpen etc)

o          ausschließlich Unternehmen gefördert werden, die folgende Kriterien erfüllen:

·         Betriebliche Mitbestimmung (Betriebsrat),

·         Ausbildung von Lehrlingen,

·         Unterstützung von Programmen zur Stärkung von Frauen in der Technik in- und/oder außerhalb des Unternehmens,

·         und ein betrieblicher Dekarbonisierungsfahrplan.

o          die Förderung an folgende Parameter geknüpft ist:

·         Beteiligung der Unternehmen an den Kosten der Dekarbonisierung,

·         Einbindung der ArbeitnehmerInnen,

·         Sicherung von Arbeitsplätzen,

·         Umgehende Veröffentlichung von im Zuge der Förderung entstehenden Forschungsergebnissen,

·         und finanzielle Beteiligung des Staates an Gewinnen, die Ergebnissen der Förderung entspringen.“

*****

Präsident Ing. Norbert Hofer: Der Antrag ist gemäß § 53 Abs. 4 GOG ordnungsgemäß eingebracht und steht somit auch mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Frau Mag. Dr.in Maria Theresia Niss. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.