13.38

Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Bundesministerin! Hohes Haus und vor allem werte Zuseherinnen und Zuseher! Vor vielen Jahren hatte ich als junger Strafverteidiger einen Mann zu verteidigen, der sich massiv an der fünfjährigen Tochter seiner Lebens­gefährtin vergangen hatte. Damals war meine eigene Tochter auch fünf Jahre alt und ich habe mir nicht vorstellen können, wie solche Übergriffe möglich sind – aber sie sind möglich. Ich befürworte bedingungslos eine konsequente und massive Form der Strafverfolgung im Falle des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger. (Beifall bei den NEOS sowie bei Abgeordneten von ÖVP und Grünen.)

Ich vertrete auch die Ansicht, dass präventive Maßnahmen zur Verhinderung des sexuellen Missbrauchs von Kindern notwendig und gerechtfertigt sind. Einen Aspekt gestatten Sie mir aber dennoch mit der gebotenen Sensibilität zu thema­tisieren: Welche Form der Prävention ist gerechtfertigt und verhindert wirk­lich Schlimmeres, und was ist überschießend?

Der amerikanische Autor Philip Kindred Dick verfasste 1956 eine Kurzge­schichte, eine Erzählung, die später durch die Verfilmung mit Tom Cruise sehr bekannt geworden ist: „Minority Report“. Für alle, denen die Geschichte nicht bekannt ist: Polizeikräfte der Zukunft sind in der Lage, Verbrechen durch die seherischen Kräfte spezieller Menschen präzise vorherzusagen. Das heißt, Ablauf, Auswirkung und Täterschaft der noch gar nicht begangenen Ver­brechen lassen sich mit Bestimmtheit vorhersagen. Das ermöglicht es den Ordnungskräften, die Täter zu verhaften, bevor das eigentliche Verbrechen passiert – bis hierher eine hollywoodtaugliche Erzählung.

Die Frage, die die Geschichte aber eigentlich thematisiert, ist: Können wir präventiv Menschen als potenzielle Täter behandeln? Das ist natürlich eine leidige Grundfrage zwischen Menschenrechten auf der einen Seite und Gesellschaftsschutz auf der anderen Seite, aber trotzdem: Können wir?

Die Frage scheidet die Geister, und Sie sehen mich hier genau an der Kippe zwischen Ja und Nein. Ein generelles Ja kann es aber eben nur dann ge­ben, wenn das Verbrechen mit Bestimmtheit stattfindet, nicht, wenn es nur vermutet werden darf. Das heißt, den Erwerb einer Puppe einer verbrecherischen Absicht gleichzusetzen, das ist zumindest fragwürdig.

Wie steht es mit der einschlägigen Literatur? Natürlich muss das mit der Anlei­tung zum Kindesmissbrauch aus dem Darknet ein Ende haben. Expertin­nen und Experten der deutschen Bundesrechtsanwaltskammer weisen nach, dass durch solche Anleitungen die Hemmschwelle abgesenkt, Wünsche geweckt oder verstärkt werden und sich die Gefahr des tatsächlichen sexuellen Missbrauchs an Kindern steigert. Ein derartiges Handbuch kann somit den Wunsch eines potenziellen Täters nach einer realen Umsetzung verstärken und auf diese Weise Kinder und Jugendliche gefährden.

In diesem Zusammenhang ist auch zu erwähnen, dass die Polizei natürlich genügend Expertise und Ausstattung im Bereich der Cyberkriminalität zu bekommen haben wird, um solchen Straftätern das Handwerk legen zu können. Deutschland hat im Jahr 2021 zwei neue Strafbestimmungen dahin gehend verabschiedet: Einerseits wurde das Herstellen und das Inver­kehrbringen, der Erwerb und der Besitz von Sexpuppen mit kindlichem Erscheinungsbild, andererseits auch die Verbreitung und der Besitz von An­leitungen zu sexuellem Missbrauch von Kindern unter Strafe gestellt.

Österreich darf da nicht nachlässig sein und muss möglichst rasch legistische Klarheit schaffen, damit die Käufe derartiger Literatur unterbleiben und damit unsere Kinder geschützt sind. Wir stimmen daher dem Antrag zu, laden aber dringend dazu ein, meinen Überlegungen im Zuge des legistischen Prozesses Platz einzuräumen. Sie sind nicht bestimmt vom Glauben an das Gute im Menschen, sondern vom Glauben an alternative, individuelle Entwicklungsszenarien, die jedem Menschen zugebilligt werden sollten.

Zu guter Letzt will ich auch die Kritik des Deutschen Kinderschutzbundes in seiner damaligen Stellungnahme mit Ihnen teilen: „Jugendliche“ gehen im Internet „teilweise recht sorglos“ mit dem Herunterladen und Speichern von bestimmten Daten um. Darüber hinaus teilen sie „gelegentlich sehr unbe­darft Daten unterschiedlichster Themen und Inhalte.“ – Wir müssen daher sicherstellen, dass bei der legistischen Umsetzung dafür Sorge getragen wird, dass Jugendliche nicht zu leicht als Täter im Sinne der künftigen Strafbestimmungen behelligt werden können.

Der Film endet übrigens damit, dass dieses System der präventiven Verbrechensverfolgung zum Wohle der Gesellschaft aufgegeben wurde. – Vielen Dank. (Beifall bei den NEOS sowie der Abg. Steinacker.)

13.44

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Frau Abgeordnete Bayr. – Bitte.