Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Herr Präsident! Guten Morgen, Frau Bundesministerin! Meine Frage an Sie wäre: Wann dürfen die Menschen in Österreich endlich, so wie das in vielen anderen europäischen Ländern schon der Fall ist, mit einem Informationsfreiheitsgesetz rechnen? Ich glaube, es wäre schön langsam hoch an der Zeit; wenn ich es richtig im Kopf habe, diskutieren wir das jetzt schon fast ein Jahrzehnt. Wann ist es jetzt so weit?

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Die schriftlich eingebrachte Anfrage, 220/M, hat folgenden Wortlaut:

„Wann dürfen die österreichischen Bürgerinnen und Bürger endlich mit einer Regierungsvorlage zur Umsetzung der Informationsfreiheit rechnen, einer Informationsfreiheit, wie es in anderen europäischen Ländern seit Jahren Standard ist?“

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Herr Abgeordneter, wenn Sie den Beginn der Diskussion ansprechen, dann muss ich sagen, das war vor meiner Zeit in der Politik. Ich kann aber sagen, seit ich unter anderem auch für diesen Bereich zuständig bin, habe ich mich ganz klar dazu bekannt, dass dieser Paradigmenwechsel vorzunehmen ist. Die Gesellschaft im 21. Jahrhundert hat ein anderes Informa­tionsbedürfnis als frühere, und ich war auch immer ganz klar dafür, dass das Amtsgeheimnis abgeschafft werden soll. Wir wollen aber Regelungen entwerfen und entwickeln, die von denen, die sie umsetzen müssen, tatsächlich auch angenommen werden.

Es ist kein einfacher Prozess, das darf ich auch sagen. Transparenz ist aber zweifelsohne ein Gebot der Stunde, und deswegen sind wir auch in diesem Gesetzwerdungsprozess transparent. Wir haben dieses Gesetz, das ist richtig, schon vor mehr als einem Jahr in Begutachtung gehabt. Wir haben über 200 Stellungnahmen im Begutachtungsprozess bekommen. Wir haben in der Zwischenzeit viele Gespräche geführt.

Ich durfte aufgrund des Auskunftspflichtgesetzes auch eine Anfrage von einem Bürger beantworten. Da haben wir dann aufgelistet, dass alleine ich nach der Begutachtung 30 Gespräche mit diversen Stakeholdern geführt habe, mein Kabinett hat darüber hinaus auch viele Gespräche geführt. Ich habe mit dem Vizekanzler gemeinsam mittlerweile die Vertreter der Länder, den Gemeinde- und den Städtebund getroffen. Wir haben Gespräche mit der Industriellen­ver­einigung, mit der Wirtschaftskammer Österreich und mit den Landtags­präsiden­ten geführt. Es gibt vor Weihnachten auch noch ein Gespräch mit diversen Stakeholdern aus dem Bereich der NGOs.

Das Ziel ist es, tatsächlich alle noch einmal abzuholen, zu fragen, wo die Bruchlinien sind, wo die Sorgen sind, damit wir im Endeffekt ein gutes Gesetz haben, das auch tatsächlich gut angewendet wird. Da sind wir dran.

Das heißt, Ihre Frage darf ich so beantworten: Die Legislaturperiode dauert noch ein bisschen, aber ich bin davon überzeugt, dass wir es innerhalb dieser Zeit schaffen.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zusatzfrage? – Bitte.

Abgeordneter Mag. Jörg Leichtfried (SPÖ): Was mich da schon interessieren würde: Es hat ja eigentlich schon im Jahr 2014 eine Einigung zwischen Bund, Ländern, Gemeinden, NGOs und so weiter und so fort gegeben. Das ist im Zuge des parteiinternen Putsches des Herrn Kurz dann wieder irgendwie ver­schwunden. Wäre das aber nicht eine gute Basis gewesen, auf der weitergear­beitet werden kann? Da hat man ja schon etwas gehabt, für das alle waren.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Wenn Sie auf das Jahr 2014 anspielen, dann muss ich noch einmal sagen, dass das eine Zeit ist, in der ich noch nicht in der Politik war. Ich kann nur auf das referenzieren, was ich selbst aus meiner Tätigkeit in dieser Position weiß. Wir haben ein Gesetz in Begutachtung geschickt, das auch eine entsprechend lange Zeit in Begutachtung war. Wir haben viele Stellungnahmen bekommen und ich glaube, aus dem Inhalt der Stellungnahmen wird klar, dass der Vorschlag nicht so schlecht ist. Die einen sagen, es ist zu viel, die anderen sagen, es ist zu wenig. Ich denke, wir werden es schaffen, einen guten Mittelweg zu finden und auch all die Erfahrungen, die es schon vorher gab – ich schaue natürlich auch auf die Zeit, die vor meiner politischen Tätigkeit liegt –, einzubinden und ein gutes Gesetz auf den Weg zu bringen. (Abg. Leichtfried: Danke!)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Eine weitere Zusatzfrage stellt Frau Abgeordnete Deckenbacher. – Bitte.

Abgeordnete Mag. Romana Deckenbacher (ÖVP): Schönen guten Morgen, Frau Bundesminister! Die SPÖ fordert, wie wir es ja gerade gehört haben, auf Bundesebene immer wieder die Abschaffung der Amtsverschwiegenheit. (Abg. Meinl-Reisinger: Das steht sogar im Koalitionsvertrag!) Auf Landesebene – ich denke da zum Beispiel an Wien – hat sie offenbar eine ganz andere Einstellung. Ich möchte in diesem Zusammenhang an den Skandal rund um Wien Energie erinnern. Da hat es offenbar keine rechtzeitige Information über den Geldbedarf gegeben, und er liegt doch in Milliardenhöhe. Auch das Ausüben der Not­kompetenz des Bürgermeisters hat es offenbar nicht rechtzeitig gegeben. Wie steht das Land Wien zum geplanten Informationsfreiheitsgesetz? (Abg. Meinl-Reisinger: Es steht sogar im Koalitionsvertrag, dass das kommt!)

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Es gab wie gesagt rund 200 Stellungnahmen, auch eine sehr umfassende Stellungnahme vom Land Wien. Ich habe sie auch mitgebracht; das sind 46 Seiten. Die Stadt Wien begrüßt einleitend „ausdrücklich das Vorhaben, die Verwaltung für Bürgerinnen und Bürger transparenter zu machen“. Es folgt dann aber die Kritik, es wird formuliert, dass der Gesetzentwurf, der in Begut­ach­tung war, nicht ausgewogen sei und zu wenig präzisiert wäre.

Ich kann Ihnen nur sagen, wir haben mittlerweile gemeinsam mit dem Vize­kanzler auch ein sehr gutes Gespräch mit Bürgermeister Ludwig als Vorsit­zendem der Landeshauptleutekonferenz gehabt.

Ein bisschen muss ich immer schmunzeln, denn jeder begrüßt dieses Geset­zes­vorhaben, aber wenn es dann um die eigenen Interessen geht und darum, sich daran zu halten, kommt immer ganz schnell: Bitte nicht bei mir, sondern bei den anderen!, also frei nach dem Florianiprinzip: Heiliger Florian, schütze mein Haus und zünde ein anderes an! – Wir werden aber einen Weg finden.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Weitere Zusatzfrage: Abgeordneter Margreiter. – Bitte.

Abgeordneter Dr. Johannes Margreiter (NEOS): Guten Morgen, Frau Bundesministerin! Im Zuge der Reform der Parteienfinanzierung haben wir im Juli dieses Jahres eine Änderung des B-VG herbeigeführt. Wir haben Artikel 20 den Absatz 5 hinzugefügt, wonach alle „mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betrauten Organe [...] Studien, Gutachten und Umfragen, die sie in Auftrag gegeben haben, samt deren Kosten in einer für jedermann zugänglichen Art [...] zu veröffentlichen“ haben, „solange und soweit deren Geheimhaltung nicht [...] geboten ist“.

Die Frage an Sie: Der 1.1.2023 – da tritt diese Bestimmung in Kraft – kommt näher. Ist es im Bereich des Bundes vorgesehen, eine einheitliche Plattform anzubieten, auf der diese Informationen angeboten werden, beziehungsweise was ist im Bereich Ihres Ministeriums vorgesehen?

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Bitte, Frau Bundesministerin.

Bundesministerin für EU und Verfassung im Bundeskanzleramt Mag. Karoline Edtstadler: Tatsächlich ist die Änderung, die Sie ansprechen, wenn man so will, inhaltlich eigentlich ein Vorgriff auf das Informationsfreiheitsgesetz. Im Informationsfreiheitsgesetz haben wir vorgesehen, dass wir eine Plattform einrichten, wo Informationen auch proaktiv eingemeldet werden sollen. Die gibt es jetzt noch nicht, weil es das Informationsfreiheitsgesetz noch nicht in Beschlussform gibt. Diesen Absatz 5 gibt es aber, und insofern wird vom Bund, aber auch von den Ländern, weil das natürlich auch für die Länder gilt, zu überlegen sein, wie dann dieser Veröffentlichungspflicht nachgekommen wird.

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Die nächste Frage stellt Frau Abgeordnete Steger. – Bitte.