14.40

Abgeordneter Mag. Gerhard Kaniak (FPÖ): Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Wenn man den Rednern der Regierungsparteien hier zuhört, dann könnte man fast den Eindruck gewinnen, dass nun mit den Beschlüssen, die heute gefasst werden sollen, das jahrzehntelange Problem in der Pflege behoben wird. Ja, die Situation in der Pflege, sowohl im stationären Bereich als auch in der Pflege zu Hause oder in den Altenheimen, war angespannt, aber sie war vor Corona bei Weitem nicht so dramatisch, wie sie das im Moment ist.

Ganz maßgeblich daran beteiligt, Herr Bundesminister, dass die Situation für Pflegekräfte mittlerweile untragbar geworden ist und dass sehr, sehr viele diesem Beruf den Rücken gekehrt, sich anders orientiert haben und dort nicht mehr tätig sind, waren Ihre zwei Vorgänger und diese Bundesregierung. Denn was ist alles passiert? Denken Sie zurück: Nach dem anfänglichen Schock und dem ersten Applaus, den die Pflegekräfte bekommen haben, ist genau gar nicht passiert! Die Pflegekräfte sind weiter schikaniert worden: mit Testzwang, mit Masken, mit Ganzkörperverhüllung, mit Impfzwang – die Impfung war noch bis zum letzten Herbst in den Pflegeschulen ein Aufnahmekriterium und Auflage bei Neuanstellungen von Pflegekräften und von Ärzten bei den Spitalsträgern. Das heißt, es ist kein neues Personal nachgekommen, ja Sie haben sogar auf die nächsten Jahre hinaus eine zusätzliche Pflegelücke mitproduziert!

Dass da die Perspektive für Menschen, die in diesem Beruf tätig sind und die ihre gesamte Energie opfern, um pflegebedürftigen Menschen zu helfen, fehlt, dass diese Energie irgendwann einmal endet, ist kein Wunder; wenn man nicht mehr sieht, wie man diese Arbeit bewältigen kann, und wenn man keine Unter­stützung bekommt, sondern ganz im Gegenteil immer mehr Menschen aus diesem Bereich verschwinden, abgesondert werden – übermäßig lange – oder in Parallelstrukturen abgeworben werden, die Sie selber aufgebaut haben: die Test- und die Impfstraßen, wohin zum Beispiel Diplompflegekräfte aus den Spitälern und aus den Altenheimen gegangen sind, weil die Bezahlung dort so attraktiv war – viel attraktiver, als das an ihren ursprünglichen Dienstorten der Fall war!

Die wenigen, die übrig geblieben sind, haben sich mit einem Arbeitspensum und Arbeitsumständen konfrontiert gesehen, die untragbar waren und es vielerorts heute noch sind. Was ist nun die Konsequenz? – Wir haben nicht nur in den Spitälern geschlossene Abteilungen, weil zu wenige Pflegekräfte da sind, es sind in den Alten- und Pflegeheimen ganze Stockwerke gesperrt; es gibt neue Heime, die fertig gebaut sind und gar nicht eröffnen können. Das kann ich Ihnen alles direkt aus meinem Umfeld erzählen, wo ich selber auch Alten- und Pflegeheime betreue. Und da helfen diese Maßnahmen, die Sie hier heute beschließen wollen, leider Gottes sehr, sehr wenig!

Teilweise sind sie sogar kontraproduktiv (Zwischenruf der Abg. Scheucher-Pichler), denn wenn Sie jetzt ad hoc die sechste Urlaubswoche und die zusätzlichen Freistunden für die Nachtstunden einführen, dann treffen diese Maßnahmen bereits jetzt auf Dienstpläne, die gar nicht mehr zu befüllen sind, weil das nötige Personal für die Betreuung der Menschen gar nicht mehr da ist.

Nötig gewesen wäre, dass Sie vor zwei Jahren auf uns gehört hätten, als wir gefordert haben, dass wir im Finanzierungsbereich den Ländern unter die Arme greifen; dass offensiv neue Mitarbeiter angeworben werden; dass offensiv Überstunden ausbezahlt werden, damit die Belastungssituation der Einzelnen nicht zu groß wird; dass offensiv in der Ausbildung mehr und nicht weniger Leute aufgenommen und keine künstlichen Hürden für die Ausbildung im Pfle­geberuf geschaffen werden.

Ein Thema haben Sie heute gar nicht angesprochen, weder die Herren und Damen von der ÖVP noch die von den Grünen: Was ist denn mit der Kompe­tenz­ausweitung für die Pflegekräfte? Das ist doch die Anerkennung und die Aufwertung des Pflegeberufes, die wir hier brauchen! (Beifall bei der FPÖ und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Davon habe ich noch nichts gesehen. Das hätte nicht einmal etwas gekostet, und das hätten Sie auch sofort machen können. Stattdessen haben wir hier Zeit­geschenke und ein Spiel auf Zeit, befristete Gehaltserhöhungen, die dann auch noch sozialversicherungs- und steuerpflichtig sind. Sehr geehrter Herr Bun­des­minister, ich befürchte, mit diesen Maßnahmen alleine werden wir die notwen­dige Trendwende nicht einleiten können. Es mag ein richtiger erster Schritt sein, aber ich persönlich erwarte mir noch viele, viele weitere. (Beifall bei der FPÖ.)

14.44

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Nurten Yılmaz. Rapid wird sich heute auch freuen. – Bitte schön, Frau Abgeordnete. (Rhythmisches, schneller und lauter werdendes Klatschen, anfangs bei der SPÖ, dann bei allen Fraktionen, für die sich zum Redner:innenpult begebende Abg. Yılmaz.)