15.52

Abgeordneter August Wöginger (ÖVP): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Frau Bundesministerin! Es ist eigentlich gut, dass wir diese Dringliche Anfrage diskutieren können, weil das auch die Möglichkeit gibt, wirklich Bilanz zu ziehen. Ich werde später dazu kommen, möchte aber zuerst auch ein paar Daten und Fakten wiedergeben.

Wie schaut denn der Arbeitsmarkt in Österreich nach einer dreijährigen Phase der Krisenbewältigung mit Pandemie, jetzt der hohen Inflation, Teuerung, Kriegssituation in Europa aus? – Es ist ja wahrlich nicht die einfachste Zeit, die wir als Bundesregierung hier zu bewerkstelligen haben (Abg. Leichtfried: Du bist nicht die Bundesregierung, du bist im Nationalrat!), und dennoch hat sich der Arbeitsmarkt in diesen drei Jahren sehr gut entwickelt.

Der Herr Bundesminister hat es ausgeführt: Wir haben um 130 000 Menschen mehr in Beschäftigung seit 2019 und wir haben die niedrigste Arbeitslosenquote seit 2007. Also, Herr Kollege Loacker, so schlecht kann das alles, was wir gemacht haben, nicht gewesen sein, denn sonst hätten wir nicht diese Kennzahlen. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.)

Na ja, schauen wir es uns an! – Die Schweiz ist bedient, Frau Kollegin Meinl-Reisinger – Schweiz! Vor ein paar Tagen in der „Presse“: „Pleitewelle rollt“. „Über 6 100 Schweizer Firmen gingen bis November pleite, Hunderte dürften heuer noch folgen.“ (Abg. Meinl-Reisinger: In Österreich ja auch! ... ist ja nur aufge­scho­ben!) – Das ist das Erste.

Das heißt: Was war schon unser Zugang? – Zu helfen, dass diese Pleitewellen nicht kommen (Beifall bei der ÖVP – neuerlicher Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger), denn das bedeutet Standortsicherheit, das bedeutet Arbeitsplatz­sicherheit, das bedeutet Wohlstand in diesem Lande. (Abg. Meinl-Reisinger: Ja, aber die kommen ja gerade!) Und die Prognosen für das heurige Jahr sagen aus: Wachstum in Österreich: 4,8 Prozent, in der Schweiz laut Prognosen: 2 Prozent. (Abg. Meinl-Reisinger: Ja, aber bei uns ist sie auch eingebrochen wie nur mit Lock­down über Lockdown! – Zwischenruf der Abg. Seidl.)

Jetzt möchte ich einmal wissen: Was ist denn besser, was ist denn gescheiter? (Abg. Meinl-Reisinger: Ja, was war mit den Lockdowns, der Einbruch?) In der Krise zu helfen und zu investieren oder das nicht zu tun?

Und was mich überhaupt wundert, Frau Kollegin Meinl-Reisinger, ist: Warum kritisieren Sie das alles? Sie sagen: Gießkannenprinzip (Abg. Meinl-Reisinger: Ja!), Sie gehen her und sagen: Helikoptergeld – also das muss man eh einmal erklären: sozusagen, dass alle etwas kriegen –, aber in Wien ist das alles wurscht. (Abg. Meinl-Reisinger: Das ist überhaupt nicht wurscht, aber ihr regiert ...!)

In Wien, wo die NEOS mitregieren, ist das alles egal. Es gibt dort einen Vizebür­germeister Wiederkehr – der weiß, glaube ich, gar nicht, dass er überhaupt Vizebürgermeister ist (Heiterkeit bei der ÖVP), weil er ja das i-Tüpferl auf diesem roten Koloss ist –, aber dort gibt es vom Schnitzelgutschein bis zum Energie­bonus – und dann wird von Helikoptergeld geredet. Also stellen Sie sich bitte nicht hier heraus und werfen Sie der Regierung Maßnahmen vor, die Sie zur Quadratur in Wien mitunterstützen! (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenrufe der Abgeordneten Meinl-Reisinger und Matznetter.)

Ja, wir haben uns zusammengesetzt – ich komme dann noch zur Bilanz, weil ich die heute schon noch zelebrieren werde – betreffend das Arbeitslosengeld. (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) Das Arbeitslosengeld ist eine Versiche­rungsleistung, die in Österreich aus meiner Sicht insgesamt gut funktioniert, aber man muss das System weiterentwickeln. Ja, wir wollten hier einen Reformansatz, der übrigens gar nicht im Regierungsprogramm steht, das möchte ich auch einmal dazusagen. Wir in dieser Bundesregierung machen ja auch ständig Dinge, die gar nicht im Regierungsprogramm stehen, denn wenn wir sagen: Wir wollen etwas miteinander machen!, dann machen wir das auch – im Gegensatz zu anderen, früheren Regierungen. (Heiterkeit bei der ÖVP.) Da haben wir nicht einmal das zusammengebracht, was im Regierungsprogramm gestanden ist. (Beifall bei ÖVP und Grünen.) Also daher ist es ja positiv, dass man auch über derartige Dinge nachdenkt.

Und weil jetzt eine Maßnahme nicht kommt, heißt das ja nicht, dass wir in diesen Bereichen nicht doch auch weiter diskutieren und schauen: Wo können wir Anreize setzen? Wo können wir schauen, dass man auch zusätzliche Menschen in die Arbeitswelt bringt? – Das möchte ich nämlich schon auch dazusagen betreffend die Langzeitarbeitslosen – das sind die, die länger als zwölf Monate als arbeitslos vorgemerkt sind –: Deren Zahl geht auch um 7,6 Prozent zurück. Wir haben generell stark rückläufige Zahlen: In allen Branchen, in allen Altersgruppen haben wir – Gott sei Dank!, muss man sagen – stark rückläufige Zahlen im Bereich der Arbeitslosigkeit.

Ja, unser Verständnis wäre es da, weitere Anreize zu setzen. Ich nenne ein Beispiel, weil es auch wirklich, wie ich glaube, ungerecht ist, was wir hier im System haben, und ich werde mich bemühen, das auch weiterhin mit unseren Freundinnen und Freunden des Koalitionspartners zu diskutieren.

Nehmen wir einmal folgendes Beispiel: Es gibt derzeit in etwa ein durch­schnitt­liches Arbeitslosengeld von rund 1 000 Euro. Das ist das durchschnittliche Arbeitslosengeld einer Einzelperson. Die Geringfügigkeitsgrenze wird nächstes Jahr, das hat Kollege Loacker richtig ausgeführt, über 500 Euro betragen – wir haben das auch einmal bei unserem Arbeitsmarktgipfel gemeinsam diskutiert. Damit kommen wir auf 1 500 Euro, das ist der derzeitige Mindestlohn – die KV-Verhandlungen haben das jetzt in den letzten Monaten kräftig gehoben –, aber das ist steuerbefreit. Die 1 500 Euro sind steuerbefreit.

Das, was wir hier in Ansätzen zu diskutieren versuchen, ist: Wenn jemand arbei­ten geht und einen Mindestlohn von 1 500 Euro verdient, dann ist er in diesem Bereich steuer- und abgabenpflichtig, aber eine Person, die Arbeits­losen­geld bezieht und geringfügig dazuverdienen kann – und das ist derzeit unein­geschränkt möglich, auch bis hin zur Notstandshilfe –, nicht. Ich habe großen Respekt vor Menschen, die in schwierigen Situationen sind – das möchte ich dazusagen –, aber das sollten wir uns vielleicht anschauen. Das sollten wir uns vielleicht anschauen, weil das irgendwie auch eine Frage der Gerechtigkeit ist, ob jemand sagt: Okay, ich gehe arbeiten und verdiene 1 500 Euro brutto, zahle damit aber auch Steuern in das System hinein!, oder jemand (Abg. Haubner: Nimmt heraus!) hat einen Teil des Arbeitslosengeldes und geht mit rund 500 Euro geringfügig arbeiten und hat dann aber diese Abgaben nicht zu leisten. – Das ist der Punkt, den wir eigentlich da auch diskutieren wollen.

Wir wollen da nicht in das System hineinschneiden, denn wir halten es grund­sätzlich für gut aufgebaut. Es soll weiterentwickelt werden und es soll Anreize zum Arbeiten geben – zum Arbeiten! Und bei jenen, die Leistung erbringen, muss man das auch im System abbilden. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.)

Die Rot-Weiß-Rot-Karte ist schon ein gesetzlich wirklich gelungenes Projekt, aber – der Herr Minister hat es ausgeführt – da brauchen wir auch die Behörden dazu. Das AMS und auch jene Behörden, die sich mit Ausländern beschäftigen, auch die Einwanderungsbehörden, haben da eine Verantwortung – auch die MA 35 in Wien, und auch die untersteht Vizebürgermeister Wiederkehr. (Zwi­schenruf der Abg. Meinl-Reisinger.) Also auch in den Bundesländern brauchen wir Unterstützung, weil es da oft im Vollzug hapert. Da hapert es oft daran, wie es dann vor Ort wirklich ausschaut. Da sind auch die Sozialpartner gemeinsam gefordert.

Es ist nicht ganz einfach, sodass das von heute auf morgen geht, aber die gesetzlichen Grundlagen sind geschaffen. Jetzt geht es darum, dass das auch im Vollzug funktioniert. Da brauchen wir die Unterstützung auch der Behörden vor Ort, aber die Maßnahme ist gut, und die Rot-Weiß-Rot-Karte ist legistisch umgesetzt – und das ist auch in Ordnung so. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

Jetzt noch ein paar Worte zu Wien. Ich meine, ich könnte jetzt noch viel über Wien sagen, aber dann spricht man wieder von Wienbashing. – Ich halte Wien für eine wunderbare Stadt, eine Millionenmetropole. Da ist nicht alles so wie bei mir daheim im Innviertel, am Land – das gebe ich schon zu –, aber wenn man bei der Fernwärme in Wien die Gebühren um 92 Prozent erhöht, und in Linz geht es mit 15 Prozent – also da rede ich gar nicht vom Innviertel und von meiner 800-Einwohner-Gemeinde –, dann ist da etwas nicht richtig! Aber das ist die alte Kreisky-Manier: Zuerst aus dem linken Hosensack herausziehen und dann das Geld wieder in den rechten hineinschieben.

Das ist falsch! Das ist falsch und ist - - (Abg. Meinl-Reisinger: Ja, aber das macht ihr die ganze Zeit!) – Wir haben eine Gebührenbremse, Frau Kollegin Meinl-Reisinger! (Beifall bei der ÖVP.) Wir heben diese Gebühren nicht in dieser Art und Weise an. (Abg. Meinl-Reisinger: Die Steuerquote höher! ... Milliarden!)

Wissen Sie Folgendes? Seit Sie in Wien mitregieren, gibt es für die Bürgerinnen und Bürger – Wasser, Müll, Parken, Fernwärme, Strom, Gas – eine Gesamt­belastung von 2 Milliarden Euro; pro Haushalt sind das 3 000 Euro! Und Sie reden hier von senken und entlasten? – Also fangen Sie einmal dort an, wo Sie regieren, und das wäre in Wien. Da gehörte das eigentlich einmal umgesetzt. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenruf des Abg. Kollross.)

Jetzt noch zur Bilanz: Das muss ich hier einfügen, weil da der Satz drinnen steht, dass es in Österreich durch diese Bundesregierung Stillstand gibt. (Abg. Matznetter: ... in Oberösterreich anschauen, Herr Kollege!) Wir haben schwierige Zeiten und wir machen auch nicht alles richtig, keine Frage, so selbstkritisch muss man in dieser Zeit der Pandemie, der Teuerung, der Inflation und in einer Kriegssituation sein. Da machen natürlich auch die Regierenden Fehler (Zwischenruf des Abg. Matznetter), das ist kein Thema. Wir machen aber eine redliche Politik.

Was tun wir noch? (Zwischenruf der Abg. Erasim.) – Wir sind intensiv dabei, viele Projekte abzuarbeiten. Alleine in diesen 30 Tagen haben wir über 50 Be­schlüsse – 50 Beschlüsse! –, von der Dienstrechts-Novelle über die Pflegereform Teil zwei bis hin zur Zuverdienstgrenze beim einkommensabhängigen Kinderbetreu­ungs­geld und der Grundvergütung für Grundwehr- und Zivildiener. (Abg. Leichtfried: Für was habt ihr denn eine Redezeit, hörst?!) 300 Gesetze haben wir alleine im heurigen Jahr auf den Weg gebracht. Ich nenne nur ein paar Highlights, die auch bei der Begründung dieser Dringlichen Anfrage angesprochen wurden:

Die kalte Progression ist abgeschafft. Jetzt sagen die NEOS immer: teilweise. Nächstes Jahr ist sie ganz abgeschafft. Für nächstes Jahr ist sie ganz abgeschafft (Abg. Scherak: Du kriegst sie nur nicht ganz zurück, das stimmt!), weil wir den gesamten Inflationswert auf die Stufen verteilen und die untersten beiden Stufen den doppelten Satz bekommen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Meinl-Reisinger und Doppelbauer.) Die kalte Progression ist zur Gänze abgeschafft (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger), und es ist legitim, meine Damen und Herren, dass man jährlich einen Bericht legt. (Zwischenruf der Abg. Doppelbauer.) Zwei Drittel gehen direkt auf die Steuerstufen, und man behält sich auch vor, ob man im Sozialbereich, im Familienbereich auch andere Schwerpunkte setzen will, wie auch den Familienbonus, den wir jetzt auch um 500 Euro pro Kind erhöht haben. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen.)

Wir haben die kalte Progression gemeinsam abgeschafft, und das ist die größte Bruttoreallohnerhöhung der letzten Jahre. Da können Sie auch Prof. Felbermayr fragen, der das mit seiner Expertise bestätigt.

Natürlich haben wir die Menschen und die Wirtschaft mit unseren Maßnahmen entlastet, nämlich sowohl durch die ökosoziale Steuerreform (Abg. Meinl-Reisinger: Das ist ein Verzicht auf eine weitere Belastung!) als auch – in Bezug auf die Wirtschaft – durch die Senkung der KöSt um 2 Prozentpunkte und auch die 0,4 Prozentpunkte - -

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Ich darf Sie um das Schlusswort bitten. (Abg. Erasim: Danke, danke!)

Abgeordneter August Wöginger (fortsetzend): Jawohl, Herr Präsident. Da könnten wir noch tagelang reden. (Zwischenrufe der Abgeordneten Einwallner und Matznetter.)

Die Senkung der Lohnnebenkosten möchte ich hier aber nicht kleingeredet lassen: Wir arbeiten für die Menschen, wir arbeiten für das Land. Diese Regierung arbeitet Tag und Nacht für die Menschen, damit wir auch in eine gute Zukunft gehen können. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Grünen. – Zwischenrufe bei der SPÖ.)

16.02

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Nächster Redner ist Abgeordneter Muchitsch. – Bitte.