16.02

Abgeordneter Josef Muchitsch (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Ich darf jetzt nach August Wöginger Stellung beziehen. (Abg. Leichtfried: Der hat eh genug Zeit verbraucht!) Ich finde es nicht in Ordnung, hier ein Bashing zu veranstalten, nämlich einerseits seitens Kollegen Loacker betreffend Arbeitssuchende, die keine Chance mehr haben, und andererseits das Wienbashing von dir, August Wöginger. (Beifall bei der SPÖ. – Widerspruch bei der ÖVP. – Ruf bei den Grünen: Das sind Fakten!)

Wenn du wirklich einmal alle Zahlen von vergleichbaren Städten beziehungs­weise von all den Gebühren der anderen Landeshauptstädte in Österreich gegenüberstellst, dann erkennst du, dass Wien spitze ist. (Abg. Ottenschläger: Sie machen jeden Tag ein Regierungsbashing!) Deshalb brauchen wir Wien jetzt nicht schlechtzureden. (Beifall bei der SPÖ. – Zwischenrufe bei der ÖVP.)

Nun aber zum Thema Arbeitsmarktreform: Ich beginne mit den Fakten. Die Fakten sind: Mehr als ein Jahr lang haben die Regierung und Sie, Herr Bundes­minister, eine Arbeitsmarktreform angekündigt. Herr Bundesminister, ich muss Ihnen zugestehen, der Start war ein guter. Sie haben viele Institutionen ange­hört. Sie sind durch ganz Österreich gefahren. Sie haben alle Fraktionen eingebunden, um eine Arbeitsmarktreform umzusetzen. Als wir dann die Gespräche in den Fraktionen dank Ihrer Einladung geführt haben, haben wir natürlich gesehen, wie die Fraktionen zu den verschiedenen Themen stehen. Auch da war aber überwiegend große Einigkeit dahin gehend, wo wir etwas tun wollen, da. Sand ins Getriebe ist dann gekommen, als die Oppositionsparteien nicht mehr eingeladen waren und als es ums Eingemachte gegangen ist, denn letztendlich müssen sich Grüne und ÖVP auf eine Reform einigen.

Diese Dringliche Anfrage ist aber eine gute Möglichkeit, um klar aufzuzeigen, wo hier die Standpunkte waren beziehungsweise wie wir als SPÖ zu verschiedenen Themen betreffend Arbeitsmarktreform stehen.

Zur Zuwanderung von Arbeitskräften nach Österreich: Ich weiß nicht, ob es so gut ist, dass man kommuniziert, die Mangelberufsliste 2023 sei die umfang­reichste in der Geschichte Österreichs. Wir haben in Bezug auf die Fachkräfte für den Wirtschaftsaufschwung immer Zuwanderung gebraucht, ja (Zwischenruf des Abg. Hörl), aber ich weiß nicht, ob es jetzt so gescheit ist, in Drittstaaten nach Arbeitskräften zu angeln, die dann bereit sind, in Österreich für weniger Geld zu arbeiten, weil das Lohn- und Sozialdumping erhöhen würde. Ich weiß nicht, ob das so gescheit ist. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Hörl.)

Jetzt ganz ehrlich: Wir feiern nächstes Jahr, 2023, 30 Jahre Dienstnehmer­frei­zü­gigkeit in einem gemeinsamen Europa. Wenn es uns als Österreich bei einer Dienstnehmerfreizügigkeit nicht gelingt, Fachkräfte aus der Europäischen Union nach Österreich zu bekommen, dann hapert es wahrscheinlich an den Arbeits­bedingungen. Da sind wir alle miteinander gefordert. (Beifall bei der SPÖ. – Zwi­schenrufe bei der ÖVP.)

Was wir auch noch mehr ausschöpfen würden, Herr Bundesminister, sind Maßnahmen für ein Mehr an Höherqualifizierung, Maßnahmen für ein Mehr an Ausbildung. Wenn ich daran denke, dass gerade 6 240 Jugendliche in der überbetrieblichen Ausbildung sind und diese 6 240 Jugendlichen in der über­betrieblichen Ausbildung einen Stundenlohn von 1,50 Euro, also 372 Euro pro Monat, bekommen, dann muss ich sagen, das ist zu wenig für diese jungen Leute. (Beifall bei der SPÖ.)

Wenn wir schon sagen, wir wollen die Jungen alle gleichstellen, Herr Bundes­minister, dann müssen wir da etwas tun. Die Österreichische Gewerk­schaftsjugend hat diese Kampagne gestartet: das Ende der Löhne zweiter Klasse und von Lehrlingen zweiter Klasse. Wir brauchen mehr Fairness für die Auszubildenden der überbetrieblichen Lehrausbildung. (Beifall bei der SPÖ.)

Zum Thema Integration: Je schneller es uns gelingt, jene Menschen in Österreich am Arbeitsmarkt zu integrieren, die sich jetzt schon in Österreich aufhalten, anstatt das auszuweiten und noch einmal mehr Werbung für neue Arbeitskräfte aus Drittländern zu machen, desto besser ist es. Bitte hören Sie nicht auf, in Bezug auf Langzeitarbeitslosigkeit weitere Maßnahmen zu setzen! Da ist etwas gelungen. Ich werde meine Wette mit Ende des Jahres vielleicht verlieren, wenn das so läuft, aber dazu stehe ich. Diese Flasche Wein trinken wir gerne gemein­sam. (Heiterkeit des Bundesministers Kocher.) Wir dürfen aber nicht aufhören, weil natürlich auch diese Zahl von 68 000 noch immer viel zu hoch ist.

Wir brauchen auch mehr Kinderbetreuungsangebote im ländlichen Raum. Vor allem, das ist ganz wichtig, brauchen wir als Wirtschaftsstandort Österreich auch wirklich Maßnahmen, die die Inflationen senken. Die SPÖ hat gestern Vor­schläge eingebracht, die die Inflation um 3 Prozentpunkte senken würde. Da Präsident der Industriellenvereinigung Knill heute Nachmittag aussendet, die Industrie stehe vor einer Rezession, sage ich: Wir brauchen dieses deutsche Modell einer Energiebremse, das heißt Gas- und Strompreisbremse! (Beifall bei Abgeordneten der SPÖ.) Wenn wir das tun, dann sichern wir auch den Wirt­schaftsstandort Österreich. Da, Herr Bundesminister, brauchen wir auch den Zugang, zu fragen: Wie machen wir uns international wettbewerbsfähig?

Letzter Punkt: Arbeitslosenzeiten. Arbeitslosenzeiten, Herr Abgeordneter Loacker, sind keine schönen Zeiten. Jeder, der einmal arbeitslos war und drei Monate zu Hause war, vier Monate zu Hause war, nichts dazuverdienen konnte, weiß, wie das ist. Wenn hier schon gesagt wird: Die Arbeitslosen können eh etwas dazuverdienen, daher ist das viel zu hoch!, sage ich Ihnen: 10 Prozent der Arbeitssuchenden haben jetzt gerade eine Regelung für einen Zuverdienst. Das sind doch nicht alle. Ältere Menschen sind sogar gezwungen, irgendetwas dazuzuverdienen.

Bitte unterscheiden wir zwischen den Arbeitssuchenden! 40 Prozent aller Frauen schaffen es nicht, vom Job in ihre Alterspension zu kommen. Da stimmt etwas nicht am Arbeitsmarkt. Ältere Arbeitssuchende schaffen es nicht mehr, in einen Job zu kommen. Dort ist der Hund begraben und dort braucht es Maß­nahmen.

Ich war wirklich guter Hoffnung, dass es uns gelingt, das Arbeitslosengeld auf 70 Prozent des Nettoeinkommens zu erhöhen. Ich war wirklich guter Hoffnung, dass das gelingt, natürlich mit der Entscheidung, wo die Grenze ist, wenn es dann degressiv abfällt. Es darf nur nie unter die Armutsgrenze fallen (Zwischenruf des Abg. Hörl), denn das wäre eines Landes wie Österreich nicht würdig. Aus diesem Grund geben wir nicht auf.

Ich möchte im Zuge dieser Debatte seitens der SPÖ einen Antrag einbringen:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Josef Muchitsch, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Arbeitsmarktreform jetzt umsetzen“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft wird aufgefordert, unverzüglich dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zur Beschlussfassung zu übermitteln, mit der folgenden Maßnahme umgesetzt werden:

- Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent des letzten Einkommens

- Berechnungszeitraum des Arbeitslosengeldes näher an den Zeitpunkt der Geltendmachung rücken

- Jährliche Valorisierung des Arbeitslosengeldes bzw. der Notstandshilfe

- Verdreifachung des Familienzuschlages.“

*****

Es geht um die Erhöhung von 1 Euro auf 3 Euro pro Tag Familienzuschlag. (Abg. Hörl: ... degressiv!)

Das wäre unser Antrag, und ich ersuche um Zustimmung.

Herr Bundesminister, ich ersuche Sie auch im Namen der Betroffenen, in Bezug auf eine Arbeitsmarktreform, die den Betroffenen entsprechend hilft und nicht schadet, weiterzutun. (Beifall bei der SPÖ.)

16.10

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Muchitsch,

Genossinnen und Genossen

betreffend Arbeitsmarktreform jetzt umsetzen

eingebracht im Zuge der Debatte zur Dringlichen Anfrage der Abgeordneten Mag. Beate Meinl-Reisinger, MES, Kolleginnen und Kollegen betreffend der Stillstand in der Regierung, darf nicht zum Stillstand der Wirtschaft werden: Arbeitsmarktreform jetzt!

„Keine Reform der Arbeitslosenversicherung - Verhandlungen gescheitert“, so titelte eine APA-Aussendung (APA0134 3 WI 0273 II) am Freitag, 2. November und es wurde damit endlich ausgesprochen, was schon länger Zeit erkennbar war: auch in diesem wichtigen Reformvorhaben ist die Regierung am Ende.

Mehr als ein Jahr lang haben die Regierung und ÖVP-Arbeitsminister Kocher eine Arbeitsmarktreform angekündigt. Jetzt zeigt sich, dass das wie so oft bei Türkis-Grün nur eine weitere leere Ankündigung war. Deutlicher können sich die Handlungs­unfähigkeit und das Versagen von Türkis-Grün gar nicht zeigen. Die Regierung ist gescheitert, sie bringt nichts mehr weiter.

Das Versagen der Bundesregierung in der Arbeitsmarktpolitik schließt sich nahtlos an eine lange Reihe des Versagens an. Komplettversagen in der Asyl- und Migrations­politik, das Versagen im Kampf gegen die Teuerung und die Energiekrise und das Regierungs-Versagen bei der Energiewende.

Dabei wäre gerade eine Arbeitsmarktreform so wichtig für die weitere Entwicklung unseres Landes. Fachkräftemangel in den diversesten Berufen, angefangen bei den fehlenden Pflegekräften, müssen endlich angegangen werden, Projekte im Kampf gegen Langzeitbeschäftigungslosigkeit fehlen zur Gänze und natürlich die finanzielle Absicherung im Fall der Arbeitslosigkeit ist unzureichend. Gerade in Zeiten der immensen Teuerung werden Arbeitslose von der türkis-grünen Regierung im Stich gelassen.

Die Anhebung des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent des letzten Einkommens, die jährliche Valorisierung von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe und die Ver­dreifachung des Familienzuschlages sind dringst erforderliche Maßnahmen um das Abrutschen in Armut im Falle von Arbeitslosigkeit für die Betroffenen und ihre Familien zu verhindern.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Der Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft wird aufgefordert, unverzüglich dem Nationalrat eine Regierungsvorlage zur Beschlussfassung zu übermitteln, mit der folgenden Maßnahme umgesetzt werden:

•          Erhöhung des Arbeitslosengeldes auf 70 Prozent des letzten Einkommens

•          Berechnungszeitraum des Arbeitslosengeldes näher an den Zeitpunkt der Geltendmachung rücken

•          Jährliche Valorisierung des Arbeitslosengeldes bzw. der Notstandshilfe

•          Verdreifachung des Familienzuschlages.“

*****

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ord­nungs­gemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht somit mit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Wurm. – Bitte.