16.20

Abgeordneter Mag. Markus Koza (Grüne): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Zusehe­rinnen und Zuseher! Der österreichische Arbeitsmarkt erweist sich ja entgegen allen Unkenrufen auch in dieser Krise als außerordentlich robust, und er hat sich auch nach der Coronakrise deutlich rascher und besser erholt, als von der Wirtschaftsforschung prognostiziert worden ist.

Ich erinnere mich noch, es hat geheißen, frühestens im Jahr 2025, 2026 werden wir die Arbeitslosenzahlen erreichen, die wir vor der Coronakrise gehabt haben. – Schmeck’s, es ist dezidiert nicht so. Wir haben, Stand November 2022, die niedrigste Novemberarbeitslosigkeit seit der Jahrtausendwende. Es gibt insgesamt 330 000 Arbeitslose, also Arbeitslose und Menschen in Schulungen.

Es gibt in den letzten Monaten Rekordzahlen. Wir dürfen uns darüber freuen, dass die Arbeitslosenzahlen drastisch zurückgehen. Die Gründe dafür sind vielfältig, teilweise wurden sie ja bereits erwähnt: Einerseits gibt es den demo­grafischen Wandel – natürlich, es gehen mehr Menschen in Pension und wenige Junge treten in den Arbeitsmarkt ein – und andererseits die wirtschaft­liche Erholung nach Corona, aber wir haben auch eine entsprechende Arbeitsmarkt­politik gemacht. Wir haben genau dann, als es notwendig war, also zum richtigen Zeitpunkt, die richtigen Maßnahmen gesetzt. Wir haben Hunderte Millionen Euro in Bildung, in Qualifizierung, in die Eingliederung von Menschen, die beson­ders stark von Arbeitslosigkeit betroffen sind, und in den Arbeitsmarkt investiert. Und ja, das hat sich ausgezahlt, und darüber freuen wir uns auch. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! So erfreulich die Situation am Arbeits­markt auch ist, wir haben natürlich trotzdem noch enorme Heraus­for­de­rungen zu bewältigen. Es gibt auf der einen Seite den Fachkräftemangel oder einen Arbeitskräftemangel insgesamt – das macht sich bemerkbar. Auf der anderen Seite stehen wir vor einem großen Transformationsprozess unserer Wirtschaft, der Industrie, der Gesellschaft insgesamt in Richtung CO2-Neu­tralität. Das heißt, es werden sich viele Berufsbilder ändern müssen, es werden neue Berufe entstehen, es werden alte Berufe verschwinden. Diesen Prozess, diesen Übergang in der Arbeitswelt, in der Wirtschaft müssen wir so sozial gerecht wie möglich gestalten – eine große Herausforderung!

Zuletzt – immer ein ganz wesentlicher Punkt für uns Grüne –: Es geht auch darum, in unserem guten Arbeitslosenversicherungssystem die Arbeitslosenve­rsicherungsleistungen, wie das Arbeitslosengeld, die Notstandshilfe, so zu gestalten, dass sie besser gegen Armut absichern. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das waren immer die Leitlinien, an denen wir uns orientiert haben, wenn es um Arbeitsmarktpolitik gegangen ist, und orientieren. Das war immer bekannt, das ist nichts Neues Eine Arbeits­marktreform müsste unserer Meinung nach unter diesen Zeichen stehen.

Wir haben sehr lange verhandelt, sehr intensiv verhandelt und haben uns erfreu­licherweise auch in vielen Punkten gefunden, in anderen Punkten bedauer­licherweise leider nicht. Daher ist es auch nicht zu dieser großen Reform gekom­men. Wir werden aber weiter an einzelnen Stellschrauben drehen, im Sinne der Betroffenen, im Sinne der Notwendigkeit des ökologischen Umbaus und auch im Sinne der Unternehmen, die die Fachkräfte dringend brauchen. (Beifall bei den Grünen.)

Weil Kollege Loacker zuerst so flapsig gemeint hat: Na ja, die Grünen, was woll­ten die schon, die wollten halt das Arbeitslosengeld erhöhen, mehr Geld reinstecken, und warum sollte denn das so sein, warum wollen die Grünen denn das machen?, Folgendes: Kollege Loacker, es gibt ganz einfache Gründe dafür, dass wir das machen wollen: weil es leider Leistungen aus der Arbeitslosen­ver­sicherung gibt, die nicht armutsfest sind. Wenn nach sechs Monaten Arbeits­losigkeit ein Drittel dieser Menschen, die arbeitslos sind, armutsgefährdet ist und nach einem Jahr 57 Prozent armutsgefährdet sind, ja, dann müssen wir etwas tun, dann besteht unserer Meinung nach Handlungsbedarf. (Beifall bei den Grünen. – Abg. Meinl-Reisinger: Ja, aber arbeiten gehen!)

Das ist auch immer das große Problem, wenn wir über die Zuverdienstmög­lich­keiten, die Zuverdienstgrenzen und was auch immer diskutieren: Erstens wissen wir nicht einmal, wie hoch das Einkommen von den Menschen ist, die daneben geringfügig beschäftigt sind. Arbeiten sie für fast 500 Euro oder verdienen sie nur 150 Euro?

Bitte, lassen wir die Kirche im Dorf: Es sind 10 Prozent der arbeitssuchenden Menschen daneben geringfügig beschäftigt. Wenn das das große, zentrale Arbeitsmarktproblem in Österreich ist, dann können wir uns in Wirklichkeit glücklich schätzen.

Wir dürfen eines auch nicht vergessen: Für sehr viele Arbeitslose, gerade für Menschen, die länger in Arbeitslosigkeit sind, ist das ein Standbein ins Erwerbs­leben. Das sind oft Menschen, die gesundheitlich beeinträchtigt sind, die schon lange vom Job weg sind, die armutsgefährdet sind, und für die ist das eine Chance, aus dieser Armutsgefährdung rauszukommen. (Zwischenruf der Abg. Meinl-Reisinger.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir stehen sicher nicht dafür zur Verfügung, Menschen, die bereits armutsgefährdet sind, noch ärmer zu machen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Weil immer wieder auch die sogenannte Wartefrist zu Beginn der Arbeitslosig­keit erwähnt wird – Kollege Loacker hat dazu auch eine Anfrage gestellt und es wird auch immer wieder darüber diskutiert –: Ja, was ist denn da das Problem? Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Arbeitslosengeld, die Arbeits­losen­versicherung wurde genau dafür erfunden, dass Menschen, die in Arbeits­losigkeit geraten, einen Einkommensschutz bekommen (Abg. Scherak: Und dass sie möglichst rasch wieder arbeiten ...!), und je kürzer Menschen in Arbeitslosigkeit sind, desto besser ist es.

Warum man ausgerechnet Menschen, die unverschuldet gekündigt werden und dann in Arbeitslosigkeit geraten, in den ersten zwei Wochen kein Arbeits­losengeld ausbezahlen sollte, das muss mir einmal jemand erklären. Dass dann insbesondere diejenigen, die eigentlich nur relativ kurz arbeitslos sind, nämlich 30 bis 40 Prozent der Leute – die sind sechs bis maximal acht Wochen arbeitslos –, auch noch Verluste im Bereich des Arbeitslosengeldes hinnehmen sollen, damit man vorne eine Wartefrist hat – ich sage lieber Sperre dazu –, sehe ich dezidiert nicht ein! Das ist nicht die Anreizwirkung von einem Arbeits­losengeld, wie ich sie mir erwarte. (Beifall bei den Grünen.)

Ja, wir brauchen in einigen Punkten dringend Reformen, aber manchmal ist es besser, es bleibt so, wie es aktuell ist, wenn man sich nicht einigt, und man dreht dort an einzelnen Schrauben, wo es sinnvoll ist, wo es nachhaltig ist und wo es wirklich auch unmittelbar für die Menschen, die betroffen sind, etwas bringt. – Danke sehr. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Muchitsch.)

16.26

Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Zu Wort gemeldet ist Abgeordnete Krisper. – Bitte sehr.