13.01

Bundesministerin für Justiz Dr. Alma Zadić, LL.M.: Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Hohes Haus! Ich freue mich wirklich sehr, dass wir heute diese Regierungsvorlage im Hohen Haus behandeln, denn nach 50 Jahren Stillstand holen wir den Maßnahmenvollzug ins 21. Jahrhundert, wir machen ihn gerechter, wir machen ihn menschenrechtskonformer und vor allem auch treffsicherer. Es ist ein mutiger Schritt dieser Bundesregierung. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Der Maßnahmenvollzug ist in seinem Kernbestand seit nunmehr fast 50 Jahren unverändert geblieben, und das ist dramatisch, wenn wir uns die Entwicklun­gen insbesondere in diesem Bereich anschauen: Die rechtlichen Vorgaben haben sich geändert, ja, wir wurden sogar vom Europäischen Gerichtshof für Men­schenrechte wegen unseres Maßnahmenvollzugs verurteilt. Genau deswegen braucht es jetzt diese Reform, und ich freue mich wirklich sehr, dass wir sie heute im Hohen Haus behandeln. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Ich weiß, die Reform ist komplex, und ich möchte kurz erläutern, worum es geht. Im ersten Teil, also dem Teil, der heute zu beschließen sein wird, geht es um das Maßnahmenvollzugsanpassungsgesetz – ein sperriger Titel –, also um die Vo­raussetzungen, unter denen jemand eingewiesen wird. Das heißt, wir regeln die Voraussetzungen anders und erhöhen auch die Voraussetzungshürde, die dafür verantwortlich ist, dass jemand im Maßnahmenvollzug landet.

Im zweiten Teil der Reform, über den auch viele heute im Hohen Haus gesprochen haben, geht es tatsächlich um die Behandlung und die Betreuung der Menschen, die im Maßnahmenvollzug sind und die während dieser strafrechtlichen Unterbringung auch die notwendige Behandlung und Betreuung brauchen. Dieser zweite Teil baut auf dem ersten Teil, der heute hoffentlich beschlossen wird, auf. Das heißt, auf diesem Fundament wird dieser zweite Teil aufgebaut, der gerade in Ausarbeitung ist, und ich freue wirklich sehr, wenn wir auch diesen zweiten Teil zur Umsetzung bringen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Was ändert sich bei den Einweisungsvoraussetzungen? Ich habe es schon gesagt: Die Einweisungsvoraussetzungen werden treffsicherer und damit auch gerechter. Was bedeutet das? – Das bedeutet, dass Personen, die eine Gefahr für die Öffentlichkeit darstellen, selbstverständlich weiterhin im Maß­nahmenvollzug sein sollen. Gleichzeitig aber sollen jene Personen, deren Fremdgefährdung besser nach dem Unterbringungsgesetz behandelt werden kann, eben nicht mehr vom Maßnahmenvollzug umfasst sein, weil es ein­fach nicht mehr gerecht ist, dass Menschen, die vielleicht minderschwere Delikte begehen und deren Prognose ist, dass sie vielleicht irgendwann einmal je­mandem etwas androhen werden, potenziell ihr Leben lang hinter Gitter kom­men. Das ist einfach nicht gerecht. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Außerdem – und das ist auch ein Meilenstein dieser Reform – führen wir eigene Regelungen für Jugendliche ein. Das Strafrecht unterscheidet seit Jahrzehn­ten zwischen Jugendlichen und Erwachsenen, aber in diesem Gesetz, im Maß­nahmenvollzugsgesetz, gab es diese Unterscheidung nicht. Jugendliche wurden wie Erwachsene behandelt und vielleicht wegen einer Rauferei, weil sie psychisch krank sind, potenziell lebenslang eingesperrt. Genau das än­dert sich jetzt, denn wir haben Sonderregelungen für Jugendliche geschaffen. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Wenn jemand von Ihnen einen Blick in das Gesetz gewagt hat, hat er gesehen, dass es sprachlich eigentlich ganz und gar nicht in die heutige Zeit passt. Dort findet man Wörter wie „geistige oder seelische Abartigkeit höheren Gra­des“ oder „Unterbringung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbre­cher“. Und damit machen wir auch Schluss, denn es heißt jetzt „schwerwiegende und nachhaltige psychische Störung“ und „forensisch-therapeutisches Zen­trum“, das heißt, wir gehen auch vom Begriff Anstalt ab. – Vielen Dank dafür. (Beifall bei Grünen und ÖVP.)

Jetzt möchte ich auf einen Teil der Reform zu sprechen kommen, der für viel Aufregung sorgt und auch hier im Hohen Haus jetzt zigfach angesprochen wurde: Es geht um die Regelung des Maßnahmenvollzugs für Terroristinnen und Terroristen. Das ist ein Sonderfall der bereits bestehenden Maßnahmen­vollzugsform für gefährliche Rückfallstäter nach dem bestehenden § 23 StGB. Damit können wegen eines Terrordelikts bereits verurteilte Personen un­ter strengen und klar geregelten Voraussetzungen, ähnlich wie eben bereits ge­fährliche Rückfallstäter, untergebracht werden. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal betonen: Es handelt sich nicht um eine präventive Maßnahme und schon gar nicht um eine präventive Haft, sondern es handelt sich tatsächlich um eine Person, die bereits verurteilt wurde und die noch einmal verurteilt wird.

Welche Voraussetzungen braucht es denn dafür? – Die Anlasstat muss ein Terrordelikt sein. Es muss sich um eine Verurteilung zu zumindest 18 Monaten Freiheitsstrafe handeln. Es ist auch erforderlich, dass es eine schwere Vortat gab, für die jemand bereits zwölf Monate lang in Haft war, und drittens muss zu befürchten sein, dass eine solche Person weitere terroristische Straftaten begeht.

Jetzt gab es eine große Diskussion darüber: Ja was heißt denn das, dass die Person weitere terroristische Straftaten begeht? – Das Gericht schaut sich in die­sem Fall alle Begleitumstände an. Das ist jetzt nicht etwas, was wir speziell für dieses Gesetz erfunden haben, sondern das ist etwas, was bereits bestehen­de Rechtslage ist. Das Gericht ist da gefordert, sich besondere Begleitum­stände anzuschauen, nämlich ob beispielsweise dem Täter nachgewiesen wer­den kann, dass er ein Anführer einer Terroristenorganisation ist und dieser Terroristenorganisation vielleicht ewige Treue und Gehorsam geschworen hat. Oder: Der Täter hat ein Bekennerschreiben und Videos veröffentlicht, in denen er sich tatsächlich zu diesen gewalttätigen Zielen und zu dieser Ideologie bekennt. Genau deswegen ist es notwendig, dass diese Menschen auch weiterhin im Maßnahmenvollzug sind, in dem es für sie auch weiterhin Dera­dikalisierungsmaßnahmen gibt und sie weiter betreut werden. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Es wurde auch mehrfach unterstellt, dass diese Regelung nicht EMRK-konform ist. Ich kann Ihnen versichern: Die Regelung ist EMRK-konform und auf Artikel 5 EMRK auch stützbar. Und warum ist das der Fall? – Weil sie einerseits zeitlich begrenzt ist und andererseits der Ausspruch der Unterbringung nach § 23 StGB zeitgleich mit dem Urteil über die Anlasstat erfolgt. Daher ist diese Regelung unseres Erachtens und nach all den Studien, die wir in die­sem Zusammenhang bekommen und gelesen haben, auch EMRK-konform. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der ÖVP. – Abg. Sche­rak: ... EMRK-konforme Sicherungshaft ...! – Abg. Meinl-Reisinger: Wir hoffen, dass sie EMRK-konform ist!)

Meine Damen und Herren Abgeordneten! Mit der nun vorliegenden Regie­rungsvorlage beenden wir diesen 50-jährigen Stillstand und machen diesen Maß­nahmenvollzug gerechter. Diese Regierungsvorlage ist nur ein erster Schritt, sie ist das Fundament, auf dem ein gerechter und menschenrechtskonformer Maßnahmenvollzug aufbaut, und ein weiterer Schritt in Richtung einer sichereren Gesellschaft.

Ich freue mich wirklich sehr und hoffe, dass dieses Vorhaben Ihre Zustimmung findet.

Ich möchte an dieser Stelle all jenen danken, die sich im Rahmen der Ausarbeitung des Maßnahmenvollzugsanpassungsgesetzes so eingebracht haben – und das ist nicht von heute auf morgen gegangen, da hat es zig­fache Arbeitsgruppen gegeben. Allen Expertinnen und Experten möchte ich an dieser Stelle noch einmal herzlich danken. – Danke schön. (Beifall bei Grü­nen und ÖVP.)

13.10

Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Mag. Johanna Jachs. – Bitte schön, Frau Abgeordnete.