16.32

Abgeordneter Dr. Reinhold Lopatka (ÖVP): Herr Präsident! Herr Außenminister! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Nach der ausführlichen philo­sophischen Abhandlung von Kollegen Kassegger, wen die FPÖ in welchem Aus­maß mag, und seiner Behauptung, dass wir die Interessen Österreichs nicht bestmöglich vertreten würden, sage ich Ihnen eines: Wir dürfen Österreich nie erpressbar machen; das ist im Interesse Österreichs. (Beifall bei der ÖVP. – Zwischenruf der Abg. Steger.)

Wären wir weiterhin vom russischen Gas so abhängig, wie wir es waren – und das war in der Vergangenheit gut, weil wir uns auf Russland verlassen konn­ten –, wäre das der Fall. Wir haben aber seit Februar eine neue Zeitrech­nung, nur Sie haben das noch nicht verstanden. (Abg. Kassegger: Ich habe das sehr wohl verstanden!)

Wir leben in einer neuen Welt! Der dunkle Schatten von Russland liegt auch auf der europäischen Politik und auf unserer Außenpolitik. (Abg. Schnedlitz: Wir ... erpressbar von den Amerikanern!) – Na, haben die Ukrainer den Krieg be­gonnen? Sie haben noch immer nicht kapiert, dass es da nur einen Schul­digen gibt, der den Krieg begonnen hat! Das ist ein Angriffskrieg von Russland (Abg. Kassegger: ... Wehrschütz!), auch wenn die Freiheitliche Partei das bis heute nicht verstehen will. (Beifall bei ÖVP und Grünen. – Abg. Kassegger: Der Kol­lege Wehrschütz sieht das ein bisschen anders!)

Ja, Sie können gerne so (mit der Hand vor seiner Stirn kreisend) deuten. Wollen Sie sagen, dass die Ukraine diesen Krieg verursacht hat? (Abg. Kassegger: Re­den wir mit Wehrschütz darüber! Reden wir einmal mit dem Kollegen Wehrschütz darü­ber! – Abg. Steger: Das sagt kein Mensch!)

Manchmal ist es beim besten Willen wirklich schwer, Sie verstehen zu können. Jetzt verstehe ich Sie zum Beispiel überhaupt nicht, wie Sie sich nach wie vor so aufregen können, wenn hier jemand die Behauptung aufstellt, dass das ein Angriffskrieg von Russland war. Das war eine Invasion von Russland (Zwischenruf der Abg. Steger), meine Damen und Herren, das ist das Problem.

Und Österreich wäre, wenn wir da nichts im Interesse von Österreich gemacht hätten (Abg. Kassegger: Was wäre dann?), erpressbar geworden (Zwischenruf des Abg. Schnedlitz), und zwar erpressbar von Russland. (Abg. Kassegger: Und das sind wir jetzt nicht?) – Na, selbstverständlich! Wenn man eine 80-prozentige Abhängigkeit bei Gas hat (Abg. Kassegger: Und das haben wir jetzt nicht?), dann ist man erpressbar. Selbst dass wir jetzt noch bei 20 Prozent liegen, ist nicht gut, aber da ist enorm viel im Interesse der Menschen, die in Österreich leben, erreicht worden (Abg. Kassegger: Wo? Erzählen Sie das dem, der das Fünffa­che an Gasrechnung zahlt! Erzählen Sie das dem! Im Interesse der Menschen? Wovon reden Sie?), und darauf ist unsere Außenpolitik im Gesamten ausgerichtet. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren, aber zurück zum Bericht selbst, dieser ist ja jetzt das Thema bei diesem Tagesordnungspunkt. Dieser Bericht zeigt, dass die Europäische Union Gott sei Dank schon früher erkannt hat, dass wir Aufholbe­darf haben, wenn ich das so nennen darf, was unsere Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik betrifft. Da haben wir tatsächlich einiges verabsäumt, weil wir nach 1989 vielleicht der irrigen Annahme waren, dass wir der Verteidi­gungspolitik nicht jenes Augenmerk, das aber notwendig ist, schenken müssen.

Dieser Bericht zeigt auf, dass die Europäische Union 2021 schon mit den richtigen Schritten begonnen hat, einerseits was die budgetäre Ausstattung be­trifft – ja, das ist mit Kosten verbunden –, mit dieser Europäischen Frie­densfazilität, die geschaffen worden ist, andererseits aber auch mit dieser Struk­turierten Zusammenarbeit. Da darf ich auch eines sagen: Österreich – selbst­verständlich militärisch neutral, aber politisch immer ganz klar im freien Westen beheimatet – beteiligt sich da sehr aktiv. Es ist wichtig, dass wir da mit da­bei sind, dass wir da mitmachen, wenn es auch für unsere Menschen um den Schutz im atomaren Bereich geht, wenn es um biologische, wenn es um chemische Waffen geht. Ich finde es sehr, sehr gut, dass Österreich da so en­gagiert ist.

Warum? – Die EU ist von Krisenherden umgeben. Ja, ich habe von diesem dunklen Schatten des Ukrainekrieges, der zweifelsohne anderes zu­deckt, gesprochen, aber wir werden heute noch über Armenien und Aser­baidschan diskutieren, wo es noch nicht lange her ist, dass Tausende Menschen in kriegerischen Auseinandersetzungen gestorben sind. Die Türkei nützt die­se Situation auch, um verstärkt Angriffe – insbesondere gegen die Kur­den in Syrien – zu starten, ja, die Türkei droht als Nato-Mitglied immer wieder auch dem Nato-Staat Griechenland, und das müssen wir sehen. In Nord­afrika, in Libyen kommt es immer wieder zu tödlichen Auseinandersetzungen zwischen rivalisierenden Milizen.

Wir haben vorhin schon die Situation im Iran diskutiert. Die Situation dort ist furchtbar, und das Furchtbarste, das einem Menschen passieren kann, ist, dass er an einer Demonstration teilnimmt und dafür mit dem Tod bestraft wird. Da müssen wir aufschreien. Es ist daher positiv, dass alle Fraktionen diesen Entschließungsantrag unterstützen, den ich im Namen der Abgeordneten Reimon, Leichtfried, Kassegger, Brandstätter, Dziedzic und mir einbringen darf.

Entschließungsantrag

der Abgeordneten Dr. Reinhold Lopatka, Michel Reimon, MBA, Mag. Jörg Leichtfried, MMMag. Dr. Axel Kassegger, Dr. Helmut Brandstätter, Kolleginnen und Kollegen betreffend „Eintreten gegen die Todesstrafe im Zusammenhang mit den Protesten im Iran“

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten wird ersucht, bilateral und gemeinsam im Verbund mit den EU Partnern gegenüber dem Iran weiterhin für einen gewalt­freien Umgang mit den Demonstrantinnen und Demonstranten einzutre­ten, sowie sich dafür einzusetzen, dass Hinrichtungen im Zusammenhang mit den Protesten im Iran gestoppt und bestehende Todesurteile für nichtig erklärt werden. Des Weiteren wird der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten ersucht, sich weiterhin für die Abschaf­fung der Todesstrafe im Iran und weltweit einzusetzen.“

*****

Meine Damen und Herren, das ist ein Aufschrei von uns. Mehr können wir hier nicht machen. Ich hoffe, dass durch Europa und weltweit der Druck auf das Regime im Iran entsprechend erhöht wird.

Zurück zum Außen- und Europapolitischen Bericht: Er wird seit 1975 hier vor­gelegt und ist immer ein umfassender Nachweis für die vielfältigen Leis­tungen des Ressorts. Dafür ist der Ressortführung zu danken, aber auch allen unseren Vertretungen weltweit. Österreich ist gut vertreten. Die Interes­sen Österreichs werden durch das Außenministerium ganz, ganz stark vertre­ten. – Danke. (Beifall bei ÖVP und Grünen.)

16.39

Der Antrag hat folgenden Gesamtwortlaut:

Entschließungsantrag

der Abgeordnetem Dr. Reinhold Lopatka, Michel Reimon, MBA, Mag. Jörg Leichtfried, MMMag. Dr. Axel Kassegger, Dr. Helmut Brandstätter, Dr. Ewa Ernst-Dziedzic, Kolleginnen und Kollegen

betreffend Eintreten gegen die Todesstrafe im Zusammenhang mit den Protesten im Iran

eingebracht im Zuge der Debatte zu TOP 15/Bericht des Außenpolitischen Ausschusses über den Außen- und Europapolitischen Bericht 2021 der Bundesre­gierung (III-770/1766 d.B.)

Das Regime im Iran versucht seit Monaten, die anhaltenden Proteste, ausgelöst durch den Tod der erst 22-jährigen Masha Amini im September 2022, mit allen Mitteln zu unterdrücken. Neben Verhaftungen von zahlreichen Demonstrantinnen und Demonstranten wurde am 8. Dezember 2022 auch erstmals ein Todesurteil im Zusammenhang mit den landesweiten Protesten im Iran vollstreckt. Diese Hin­richtung wurde in Europa und weltweit scharf kritisiert. Mittlerweile ist es am 12. De­zember 2022 zu einer weiteren Hinrichtung eines Demonstranten im Zusam­menhang mit den regierungskritischen Protesten gekommen. Diese Entwicklung und der Umgang der iranischen Behörden mit den Protestierenden ist schockierend und inakzeptabel. Offensichtlich setzt das iranische Regime darauf, dass Hinrichtungen von Teilnehmerinnen und Teilnehmern an den Protesten abschrecken­de Wirkung haben könnten. Angesichts der Festnahme und Anklage Tausender Menschen im Iran ist zu befürchten, dass künftig weitere Menschen in Verbindung mit den Massenprotesten von der Todesstrafe betroffen sein könnten.

Obwohl der Iran als VN-Mitglied die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte formell anerkannt und den Internationalen Pakt über bürgerliche und poli­tische Rechte ratifiziert hat, befindet sich der Iran bedauerlicherweise unter jenen fünf Staaten weltweit, welche die Todesstrafe am häufigsten anwenden. Die Todesstrafe als unmenschliche und nicht rechtfertigbare Form der Strafvollstreckung stellt eine massive Verletzung der Menschenwürde dar, verstößt gegen das Recht auf Leben und ist mit den grundlegenden Menschenrechten unvereinbar. Die unterfertigten Abgeordneten lehnen die Todesstrafe unter allen Umständen ab und werden sich weiterhin intensiv für eine universelle Abschaffung der Todesstrafe einsetzen.

Die unterfertigten Abgeordneten stellen daher folgenden

Entschließungsantrag

Der Nationalrat wolle beschließen:

„Die Bundesregierung, insbesondere der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten wird ersucht, bilateral und gemeinsam im Verbund mit den EU Partnern gegenüber dem Iran weiterhin für einen gewaltfreien Um­gang mit den Demonstrantinnen und Demonstranten einzutreten, sowie sich dafür einzusetzen, dass Hinrichtungen im Zusammenhang mit den Protesten im Iran gestoppt und bestehende Todesurteile für nichtig erklärt werden. Des Weiteren wird der Bundesminister für europäische und internationale Angelegenheiten ersucht, sich weiterhin für die Abschaffung der Todesstrafe im Iran und weltweit einzusetzen.“

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Präsident Mag. Wolfgang Sobotka: Der Entschließungsantrag ist ord­nungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht somit in Verhandlung.

Zu Wort gemeldet ist Abgeordneter Hafenecker. – Bitte, bei Ihnen steht das Wort.